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Samstag, 28. Dezember 2013

Was ist Zug?

Druck ist unökonomisch auf längere Sicht. Druck ist in den meisten Fällen kontraproduktiv. Der Schaden, den Druck erzeugt, besteht in Halden, die Kapital binden oder gar verbrennen, und in Verformungen von Ressourcen, die deren Leistungsfähigkeit schrittweise reduzieren. Darüber habe ich im vorherigen Posting geschrieben.

Bewegung in Richtung eines Ziels kann aber nicht nur durch Druck (push) stattfinden. Druck mag zwar naheliegen und eine lange Geschichte haben – aber es geht auch anders. Es geht auch mit Zug (pull).

Zug ist das Gegenteil von Druck. Aber woran kann man Zug erkennen, wie kann man Zug herstellen?

Ich glaube, Zug braucht nicht viel. Arbeit findet schon im pull-Modus statt wenn sie...

  • …selbstbestimmt und…
  • …auf ein selbstgewähltes Ziel ausgerichtet ist.

Das sind die primären Merkmale von Zug.

  • Das Ziel sichert zu, dass ein Ergebnis entsteht.
  • Selbstgewählt muss das Ziel sein, um Verformungen zu vermeiden. Wer nicht tut, was er möchte, wer nicht versteht, was er tun soll, der verbiegt sich auf Dauer. Das bedeutet natürlich nicht, niemand dürfte einem anderen ein Ziel vorschlagen. Mehr aber auch nicht. Ein Vorschlag ist ein Angebot, das man ablehnen kann. Eine Bitte äußert nur, wer auch ein Nein akzeptieren kann. Ohne Angebot, ohne Bitte findet jedoch keine Wahl statt; es gibt ja keine Entscheidungsfreiheit.
  • Selbstbestimmt muss die Arbeit sein, um Verformungen zu vermeiden. Im Zug besteht Freiheit der Wahl im Hinblick auf Zeit, Ort, Mittel, um das Ziel zu erreichen. Dazu gehört natürlich auch, Begrenzungen dieser Selbstbestimmung zu akzeptieren.

Zug setzt also fundamental Wahl voraus. Wer keine Wahl hat, wem keine alternativen Optionen offenstehen, der gerät leicht unter Druck.

Bedeutet das aber Chaos? Nein. Lässt sich damit ein Unternehmen betreiben oder eine Software auf den Markt bringen? Ja. Das beweist nämlich jedes Unternehmen durch seine Existenz. Unternehmen sind per definitionem selbstbestimmte Einheiten, die ein selbstgewähltes Ziel verfolgen.

Unsere ganze Marktwirtschaft basiert auf Zug. Denn Nachfrage ist nichts anderes als Zug. Unternehmen reagieren auf Nachfrage mit Produktion. In der Marktwirtschaft gibt es keinen Druck. Der könnte zwar durch systemrelevante Größen entstehen, doch davor schützen (weitgehend) Regulierungsmaßnahmen.

Das Gegenteil hat man im Kommunismus versucht. Dort herrschte Druck. Dort wurde Produktion verordnet und Konsum quasi erzwungen. Unternehmerische Selbstbestimmung gab es nur in Ausnahmefällen. Die historische Quittung für einen solchen Versuch der Steuerung über Druck ist ausgestellt. Es hat nicht funktioniert. Historisch gesehen ist der Kommunismus mit seiner Planwirtschaft ein Experiment von kurzer Dauer gewesen.

Was im Großen wunderbar funktioniert und kein Unternehmer und auch kein Manager missen möchte, soll nun im Kleinen, d.h. Unternehmen nicht funktionieren. Viel, viel einfachere Gebilde als eine Nation oder auch die ganze Welt sollen mit Zug nicht erfolgreich sein können? Das kann ich nicht glauben.

Zugegeben, mit Druck Ziele zu erreichen, ist zunächst einfacher. Aber ist es auf Dauer erfolgreicher? Ist es erfolgreicher für ein Unternehmen? Ist es erfolgreicher für die Gesellschaft? Ich glaube weder das eine noch das andere.

Selbstbestimmte Arbeit auf selbstgewählte Ziele führt nicht ins Chaos. Sie ist vielmehr die Bedingung für die Möglichkeit von mehr Flexibilität, Reaktionsschnelligkeit, Innovationsfähigkeit und Freude.

Denn wer sagt, dass selbstbestimmte Projektbeteiligte nicht dasselbe wollen können? Wer sagt, dass die nicht kohärent und konsequent auf dasselbe Ziel hin arbeiten können?

Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit bedeuten nicht, dass es keine Einschränkungen geben darf. Sich die nächsten 3 Jahre auf die Entwicklung eines CRM-Systems zu konzentrieren, sich auf die Nutzung von Java und Eclipse zu beschränken, alle Arbeit im Büro zu verrichten, sich bei der Arbeit durch zugerufene Aufträge unterbrechen lassen… all das ist mit Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit vereinbar. Es ist sogar mit ihr vereinbar, den Weisungen von jemandem anderen zu folgen.

Das alles schränkt Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit nicht ein, solange es immer wieder in Frage gestellt werden darf. Solange Beschränkungen freiwillig sind und nicht die Reflexion über sie inklusive Möglichkeit zur Veränderung aushebeln, sind sie Mittel, die der Erreichung des Zieles dienen können.

Manche Mittel mögen dabei träger sein als andere. Unternehmensstandort oder Geschäftsmodell stehen eher weniger häufig zur Disposition als Arbeitszeit oder Entwicklungsplattform. Letztlich sollte es jedoch kein Tabu geben.

Umgekehrt bedeutet das, je mehr Beschränkungen es gibt, je größer Tabuzonen, je seltener und enger die Reflexion, desto geringer Selbstbestimmung und damit auch Zug.

Und wie soll nun ein Unternehmen seine Ziele erreichen können, wenn seine grundsätzliche interne Funktionsweise die einer Marktwirtschaft ist? In Prozessen. Wie denn sonst? Das funktioniert doch auch im Großen. Wo bedarf ist, bilden sich Prozesse, die Rohstoffe in Produkte umwandeln.

Sie haben Strom, Wasser, ein Dach über dem Kopf, einen überquellenden Supermarkt, ein Auto, einen Computer, Bücher… Sie leben nicht “von der Hand in den Mund”, d.h. ohne Prozesse. Sie sind vielmehr Endpunkte und Bestandteile eines komplexen Prozessnetzwerks.

Für ein Papierbuch greifen Holzproduktion, Papierproduktion, Druck, Vertrieb, Buchhandel ineinander, um Ihnen den Gegenstand in die Hand zu bringen. Damit der auch noch einen Inhalt hat – sonst hätten Sie das Buch kaum nachgefragt –, stößt von der Seite ein zweiter Prozesse beim Druck dazu. Da greifen Autor, Lektor, Layout ineinander.

Alle arbeiten autonom. Überall herrscht Zug [1]. Und das Ganze funktioniert. Es gibt keinen Mangel an Büchern.

Warum nun sollte die Arbeit in selbstorganisierten Prozessen innerhalb (!) von Unternehmen nicht funktionieren? Unternehmen, die so nicht arbeiten können, d.h. wollen, und behaupten, das ginge nicht, sind für mich keine Experten. Würden wir denen glauben, hätten wir auch keine Eisenbahn. Denn Reit-Experten hatten vor deren Erfindung vorausgesagt, dass der Mensch bei größerer als Galoppgeschwindigkeit schlicht ersticken würde.

Damit selbstbestimmte Einheiten in Prozessen nicht unter Druck geraten, muss allerdings noch eine Voraussetzung geschaffen werden. Die Einheiten müssen entkoppelt sein. Ohne Entkopplung keine Autonomie.

Das Mittel zur Entkopplung sind Warteschlangen. Der Materialfluss zwischen Prozessschritten ist also nicht synchron, sondern asynchron. Eine upstream Einheit darf der folgenden Einheit nichts diktieren. Es gibt nicht einmal einen direkten Kontakt zwischen beiden Einheiten. Zwischen ihnen steht vielmehr eine Warteschlange oder allgemeiner ein Puffer.

Upstream Einheiten schieben ihre Erzeugnisse lediglich in Puffer. Auf die dürfen sie Druck ausüben. Das sichert auch ihnen Autonomie zu.

Downstream Einheiten entnehmen aus ihnen vorgelagerten Puffern das Material, an dem sie arbeiten wollen. Wann sie wollen. Das sichert ihnen Autonomie zu.

In den Prozessen der Marktwirtschaft gibt es überall diese Puffer. Der Holzproduzent kann einen solchen Puffer haben: das sind Stapel geschlagenen Holzes im Wald. Der Papierproduzent kann einen solchen Puffer im Eingang haben – er lagert eingekauftes Holz bis zur Verarbeitung – und/oder im Ausgang – er lagert produziertes Papier bis zum Verkauf. Der Drucker hat auch einen solchen Puffer im Eingang usw.

Es gibt sogar Marktteilnehmer, die das Puffern zu ihrem Geschäft gemacht haben: Grossisten, Logistiker, Supermärkte…

Dass es in der Marktwirtschaft einen Trend zu kleineren Puffern und zu mehr just-in-time Produktion gibt, widerspricht nicht dem pull-Prinzip. Selbst wenn es keine Puffer mehr gäbe, weil alles ad hoc JIT produziert und geliefert werden könnte, würde immer noch ausschließlich nach Bedarf produziert. Das bedeutet, es würde nur auf Zug produziert [2].

Dass selbstbestimmte Einheiten entkoppelt durch Warteschlangen in Prozessen erfolgreich arbeiten, ist natürlich kein Selbstgänger. (Dass Einheiten unter Druck erfolgreich arbeiten, aber auch nicht.)

Mehrerlei ist ständig zu beobachten:

  • Sind die Prozesse und die Produktionseinheiten auf das Ziel ausgerichtet (Kohärenz, Alignment)?
  • Wie sind die Puffer dimensioniert und ausgelastet? 
  • Wie sind die Kapazitäten der Produktionseinheiten dimensioniert und ausgenutzt?
  • Wie sind die Kapazitäten der Produktionseinheiten auf einander abgestimmt?

An all diesen Parametern kann und muss man schrauben für ein optimales Ganzes.

Aber das ist der Trick: Es geht um ein optimales Ganzes und nicht einheitenbezogene Optimierung. Und es steht vor allem eines nicht zur Debatte: die Autonomie der Produktionseinheiten. Deren Aufgabe ist schlicht, ihre Kapazität auf die Entnahme von Material aus Puffern, dessen Transformation und die Übertragung von Resultaten in Puffer zu konzentrieren.

Aus Puffern arbeiten für Puffer. Darum geht es. Alles daran geschieht in Selbstbestimmung – aber nicht auf Kosten des Ganzen. Dafür wird durch periodische Reflexion gesorgt. Dafür sorgen aber auch Puffer- und Kapazitätsbegrenzungen. Ultimativ ergeben die sich aus dem Markt für den die Prozesse produzieren. Dessen Begrenzungen wirken zurück auf den Prozess. Sie üben “back pressure” aus, dem sich die Dimensionierungen von Puffern und Produktionseinheiten nicht dauerhaft entziehen können.

Aber auch wenn hier Druck ins Spiel kommt, widerspricht das nicht dem Prinzip der Produktion im Zug. Im Gegenteil! Dem Druck von außen kann am ehesten entsprochen werden, wenn intern die Organisation möglichst flüssig ist. Und das ist sie, wenn sie aus lose gekoppelten autonomen Einheiten besteht. Der Beweis kommt wieder aus der Marktwirtschaft. Wenn sie sich nicht als flexibel, ja geradezu antifragil erwiesen hat, was dann?

Nochmal zum Abschluss:

Zug herrscht umso mehr, je selbstbestimmter entkoppelte Produktionseinheiten in einem Prozess auf ein Ziel ausgerichtet sind.

Inwiefern das bei Ihnen der Fall ist, können Sie ja mal überlegen. Wie selbstbestimmt fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit? Welche Begrenzungen gibt es, wieviele davon dürfen Sie hinterfragen oder gar aufheben? Findet Hinterfragen (Reflexion) statt? Was sind die Ziele Ihrer Arbeit? Wieviele und auf welcher Ebene davon sind wirklich Ihre eigenen? Wie klar sind die Prozesse zur Erreichung dieser Ziele? Gibt es Puffer, wie sichtbar sind sie? Haben die Puffer eine definierte Kapazität? Geschieht der Materialfluss ausschließlich über Puffer und in Autonomie?

 

PS: Ich habe mir selbst auch diese Fragen gestellt. Die Antworten waren ernüchternd. Als Selbstständiger arbeite ich natürlich grundsätzlich autonom. Aber ich habe mich selbst unter Druck setzen lassen, indem ich Puffer abgebaut habe. Das Ergebnis: Ich habe wichtige Aufgaben nicht verlässlich erledigt. Bedient wurde vor allem das Dringende.

Darauf habe ich nun reagiert. Ich habe alle Notifikationen abgestellt. Ich lasse mich nicht mehr unterbrechen, nicht von Email, nicht von Twitter, Facebook, einem Newsreader, SMS oder Telefon [3]. Alle Informationen, die zu mir fließen, fließen in Puffer. Aus denen Bediene ich mich, wenn ich Lust oder Bedarf habe. So schütze ich meine Autonomie.

Das bedingt natürlich, dass ich diese Puffer auch tatsächlich prüfe, um für meine Umwelt verlässlich zu sein. Doch das ist eben meine selbstgewählte Aufgabe. Wenn ich Beziehungen haben will – berufliche wie private –, dann muss ich mich um deren Input kümmern. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich mich von ihm bestimmen lasse. Ich kümmere mich, wann ich will – mit allen Konsequenzen.

Endnoten

[1] Zug herrscht selbstverständlich im Herstellungsprozess des physischen Buches. Die Beteiligten sind Unternehmen. Zug herrscht auch zwischen Lektor und Autor. Lektor und Layout und Vertrieb sitzen traditionell jedoch in einem Verlag. Der mag als Unternehmen intern noch über Druck organisiert sein. Das vernachlässige ich hier aber einmal. Es geht ja auch anders, wie freie Lektoren und freie Layouter beweisen. In Zukunft wird sich auch gerade hier einiges durch die Möglichkeiten des self-publishing verändern. Autoren sind nicht mehr auf Verlage angewiesen. Die Buchveröffentlichungskompetenz der Verlage schrumpft damit auf ihren Vertrieb bzw. ihre Reichweite zur Sichtbarmachung von Titeln zusammen.

[2] Ein Merkmal von Druck sind Halten. Was ist der Unterschied zwischen einer Warteschlage bzw. einem Puffer und einer Halde? Halden sind ungewollte Puffer. Halden entstehen, wo die Kapazität von Puffern überschritten wird. Das geschieht natürlich sofort, wo die Puffergröße 0 ist und angeliefertes Material (oder ein Auftrag) nicht sofort verarbeitet wird.

Wo das Material im Fluss wenig materiell ist – hört sich nach einem Gegensatz an, oder? ;-) -, also bei “Knowledgeprozessen” wie der Softwareentwicklung, sind Halden allerdings selten sichtbar. Sie sind nicht sichtbar, weil es sie scheinbar nicht gibt. Man lässt neue Aufgaben sich einfach nicht irgendwo zwischen Produktionsschritten auftürmen, sondern nimmt sie an. Man tut so, als würde man sofort mit der Verarbeitung beginnen. Der Wille dazu mag auch da sein – nur die Kapazität ist es oft nicht. Denn mit jeder weiteren angenommenen, aber noch nicht abgeschlossenen Aufgabe sinkt die Kapazität zur Bewältigung einer Aufgabe. Dazu kommen “Umschaltkosten” für den Wechsel zwischen Aufgaben.

Das Ergebnis ist Unzuverlässigkeit der Produktionseinheit. Aber da keine Halde sichtbar ist, da noch nicht einmal sichtbar ist, wieviele Aufgaben gerade in Arbeit sind, ist die Unzuverlässigkeit immer wieder ein Mysterium – dem man mit mehr Druck versucht Herr zu werden.

[3] Nur noch für Privates lasse ich mich durch Whatsapp unterbrechen.

27 Kommentare:

Mike Bild hat gesagt…

Mhh - Push vs. Pull - bei einigen Deiner Beispiele zur Stützung deiner These bin ich geteilter Auffassung.

Meine Meinung dazu am Rande:

Statt einer (sicher vernünftigen) wirtschaftlichen und ökonomischen Nachfragepolitik sehe ich mehr und mehr ein angebotsorientiert Verhaltensweise. Will heißen - was günstig hergestellt werden kann, wird produziert. Nachfrage wird beispielsweise über Werbung und den Preis hergestellt. (siehe Nahrungsmittel inkl. dessen Vernichtung oder auch Krabbeltische mit jeder Menge Krims-Krams für 99Cents) -

Beim lesen deines Posts ist mir vor allem aufgefallen, dass es sich im wesentlichen aus meiner Perspektive um den Vergleich "async statt sync" bzw. "Schluss mit request/response" handelt.

So sehe ich eine mögliche technische Umsetzungen eher:

A) Anmeldung auf Ereignisse (subscribe) (Nachfrage)
B) neue Ereignisse werden in ein kleines "Zwischenlager" abgelegt (backpressure queue) (Produktion)
C) Benachrichtiung der "Subscriber" über neue Ereignisse (push) (Angebot)
D) Ereignisse werden von "Subscriber" bei Bedarf abgerufen (pull) (Konsum)

So entsteht bedarfsgerechter "Zug" am "Prozess" nur dann, wenn auch etwas Angeboten wird.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

Dass Hersteller in einer Markwirtschaft versuchen, Bedarf zu wecken, ändert nichts an der grundsätzlichen Funktionsweise: Sie können Konsumenten nie zur Abnahme zwingen. Es wird also nie Druck downstream aufgebaut.

Hersteller können ihr Lager füllen. Sie können auch versuchen, über niedrige Preise die Lager ihrer Abnehmer zu füllen. Aber wieviele Krabbeltische für 99c wird ein Konsument kaufen? Wird er einen weiteren kaufen, wenn der nur 50c kostet? Nein.

Wo Zug herrscht, kann sich der Ziehende natürlich auch übernehmen. Das kannst du auch bei Scrum. "Ja, noch ein User Story, die schaffen wir bestimmt!"

Der grundsätzlichen Druckfreiheit steht also Mäßigung als Tugend gegenüber. Womit wir bei einer bewussten Limitierung der eigenen Auslastung sind.

Und dazu kommt noch eine Limitierung der Puffer. Ultimativ sind die immer limitiert. Jedenfalls für materielle Güter. Aber für flüssige Arbeit (und gutes Leben) sollte wohl ein bekömmliches bewusstes Pufferlimit gefunden werden.

Wie gesagt: Auch ein Zug-System kann man falsch betreiben.

Dass in einem Zug-System alles async gekoppelt ist, versteht sich von selbst.

Dass es darin allerdings Notifikationen geben muss, sehe ich nicht. Notifikationen sind optional. Wenn ein Konsument über neue Puffereingänge informiert werden möchte, soll er das von mir aus einrichten können. Aber ich halte das für gefährlich. Denn Notifikationen sind eine Form von Druck. Sie grätschen in die Ruhe des Konsums hinein. Sie unterbrechen.

Und dann? Wenn ein Konsument gerade nichts besseres zu tun hat, dann mag die Notifikation nutzen. Dann kann der neue Pufferinhalt angenommen werden. Aber wann ist das denn der Fall? Selbst nur 50% ausgelastete Konsumenten/Ressourcen - wo hast du die zuletzt gesehen? - werden zu 50% der Zeit durch Notifikationen gestört. Sie können damit nichts anfangen, weil sie beschäftigt sind. Ist die Auslastung höher, dann ist eine Notifikation häufiger störend.

Notifikationen legen Multitasking nahe. Und das ist kontraproduktiv.

Deshalb habe ich alle Notifikationen bis auf Whatsapp ausgeschaltet. Und das Leben geht weiter :-) Nein, geht sogar besser weiter als vorher :-)

Nein, da bin ich mir sehr sicher: Notifikationen sind ein Übel - außer ein Konsument wartet. Doch das ist ja eher selten der Fall. Also gilt es, die nicht-Wartezeit so zu gestalten, dass immer wieder Sollbruchstellen sind. D.h. die Arbeit (allgemeiner: der Konsum) sollte in kleine Happen geteilt werden, um immer wieder fertig zu werden. Denn wer fertig ist, der kann wieder ziehen.

Also: Arbeite nach dem Cult of Done Manifesto :-) http://www.brepettis.com/blog/2009/3/3/the-cult-of-done-manifesto.html

Mike Bild hat gesagt…

"Wird er einen weiteren kaufen, wenn der nur 50c kostet?"

Ja! Nach dem Motto - ich hab so etwas schon, aber ich weiß nicht mehr wo es liegt. Auch gern gesehen - der LED funktioniert noch einwandfrei ist aber ein bisschen aus Mode gekommen.

"Dass in einem Zug-System alles async gekoppelt ist, versteht sich von selbst."

Genau hier ist das Problem - Entkopplung kann nur über periodisches Anfragen mit Antworten entstehen. Ob nun sinnvoll oder nicht.

Daher sehe ich Benachrichtigungen als Elementar an. In der realen wie auch in der digitalen Welt. Gibt es was neues, sag mir das. Briefe vom Postboten, EMail, Twitter Mobile Push sind gute Beispiele. Filter sind dabei wichtige Kontrollmechanismen. Letzen Endes kann ich natürlich auch das Unsubscribe zur letzten Ruhe bemühen. ;-)

Verordnete Ruhe ... nun meine Meinung: Nahezu 100% beschäftigt bzw. ausgelastet zu sein ist aus meiner Sicht das Maß der Dinge. 100% - nicht mehr, nicht weniger. Das ist ökonomische Effizienz. Doch dazu benötigen wir dynamische System. Reiner Zug, oder reiner Druck wurde Jahrzehnte lang betrieben. Das funktioniert nicht gut. Es staut sich auf, es wird gearbeitet oder jemand wartet.

Im übrigen meine ich, dass viele eher Warten und die Ruhe haben, statt effizient beschäftigt zu sein. Es geht eher periodisch zu - viel zu tun, nichts zu tun - Überlastung / Langeweile. Was fehlt ist eine intelligente Dynamik und Kontrolle. Ständige Auslastung und damit Wachstum durch immer dichtere Kommunikation, vernetzte dynamische Prozesse. Ständige Angebote (Benachrichtigung) ist ein Mittel. Diese können derzeitig nur ignoriert oder bei Bedarf wahrgenommen werden. Das geht sicher besser. Stell Dir vor, Dein Kalender, EMail, Anrufe, Touch- und Mausereignisse und die Geoposition würde ständig überwacht. Wäre es dann nicht möglich deine DONE-Liste zu bemühen und die nächste Aufgabe anzugehen. Das kann natürlich dynamisch und intelligent geschehen. Je nach verfügbarer Datenbasis. So in der Art stelle ich mir Effizienz.

@DoneCult:
Da bin ich ganz bei Dir - vor allem hier:
* Banish procrastination. If you wait more than a week to get an idea done, abandon it.
* The point of being done is not to finish but to get other things done.

Cult of Done - es geht doch um dynamische Effizienz. Dazu gehört auch der "Overhead" des Umschalten. Doch die DONE-LISTE nach geeigneten Arbeitspaketen zu befragen / analysieren dauert eben auch seine Zeit. IMHO - Kleine Teilergebnisse sind effizienter als warten. Doch diese können nur mit priorisierten und nebenläufigen Prozessen bedient werden. Das heißt in meinen Augen Nachricht -> Enqueue + Query Queue (filter, prio) -> Arbeit.




Unknown hat gesagt…

Meine Meinung:

Zug bzw. Druck hat in erster Linie etwas mit der Verständigung von Konsumenten und Produzenten zu tun.

Ich als Konsument möchte etwas vom Produzenten erledigt bekommen (was auch immer), zu einem von mir bevorzugten Zeitpunkt (am liebsten gestern).
Ich als Konsument habe eine ziemlich genaue Vorstellung, wie wichtig und wie dringend mir(!) die Erledigung dieser Aufgabe ist. Ich weiß allerdings selten, was der Produzent noch an anderen Tasks

zu erledigen hat. Evtl. sind die wichtiger/dringender als meine.

Ich als Produzent möchte neue Tasks am Liebsten dann angehen, wenn ich alle anderen Tasks abgearbeitet habe. Natürlich gibt es immer mal neue Tasks, die nicht so lange warten können. Unschön wird

das ganze, wenn sich dadurch zugesagte Fertigstellungstermine verschieben oder ich sogar meine Arbeit unterbrechen muss.

Die Frage ist, wie Konsument und Produzent mit solchen Konflikten umgehen.

Druck:
Ein Konsument möchte sofort bedient werden. Es ist alles höchst wichtig und muss am besten gestern erledigt sein. Das kann aus meiner Sicht mehrere Ursachen haben:

- Er ist ein Egoist (das möchte ich aber niemandem Unterstellen)
- Er steht selbst unter Druck und weiß sich nicht anders zu helfen, als den Druck weiterzugeben
- Er hat keine Ahnung, wie wichtig/dringend die Aufgabe ist und geht erstmal von ganz wichtig/dringend aus.
- Er glaubt, die Aufgabe wäre mal eben zwischendurch zu erledigen und weiß nicht

Der Produzent kann sich auch selbst unter Druck setzen, indem er zuviel Aufgaben annimmt. Vielleicht glaubt er, Aufgaben von einer Höheren Stelle sind immer wichtiger/dringender als alles andere.

Oder er verschätzt sich beim Aufwand. Oder er verliert den Überblick über seine Aufgaben.

Druck kann für mich auch durch den "Grad der Synchronität" der Anfrage entstehen (mir fällt hier kein besserer Ausdruck ein):

- Ich bekomme eine Mail. Die kann ich lesen, wann ich möchte.
- Ich bekomme eine Push-Notifikation. Die Kann ich zwar auch lesen, wann ich möchte, ich werde aber erstmal in meiner Arbeit unterbrochen.
- Ich werde angerufen. Ich könnte das Telefon zwar einfach klingeln lassen, aber das ist unhöflich.
- Jemand schlägt direkt bei mir im Büro auf und spricht mich direkt an. (Den könnte ich zwar auch ignorieren, aber das gehört sich nun wirklich nicht)

Unknown hat gesagt…

Zug:
Ein Konsument möchte so schnell wie möglich bedient werden. Er versteht aber auch, dass der Produzent eine Warteschlange hat, die nach Prioritäten abgearbeitet wird.

Wenn ich als Konsument mit einer Aufgabe an den Produzenten herantrete, vergewissere ich mich, ob der Produzent versteht, was ich von ihm erwarte und wie wichtig mir das ganze ist. Gleichzeitig

bekomme ich ein Feedback, wie lange es ungefähr dauert, bis ich bedient werde. Dazu muss der Produzent natürlich seine eigene Auslastung abschätzen können und ggf. Prioritätskonflikte auflösen.


Daraus könnte man Spielregeln ableiten:

Spielregeln für Konsumenten:
Wenn ich als Konsument eine Aufgabe erledigt haben möchte, sollte ich mir zuerst Gedanken machen, wich wichtig/dringend diese Aufgabe wirklich ist und dann einen dazu passenden Kommunikationsweg

für die Anfrage wählen.
Ich akzeptiere, dass ich immer in Konkurenz zu anderen Konsumenten stehe

Wenn der Produzent zu dem von mir gewünschten Termin nicht liefern kann, beteilige ich mich aktiv an der Auflösung dieses Konfliktes. Das kann auch bedeuten, dass ich den kürzeren ziehe. Das wäre

dann ein Konflikt, denn ich in die andere Richtung auflösen müsste.


Spielregeln für Produzenten
Wenn ich als Produzent gerade beschäftigt bin, micht vielleicht sogar nicht mal über neue Aufgaben informieren möchte, dann muss ich das dem Konsumenten unverzüglich anzeigen:
- Ich lese keine Mails
- Ich deaktiviere Benachrichtigungen
- Ich ändere meinen Status am Instant-Messenger
- Ich schalte meinen Anrufbeantworter oder ähnliches ein
- Ich hänge ein Schild vor mein Büro, dass ich nicht gestört werden möchte oder ziehe mich anderweitig zurück

Wenn ich Aufgaben annehme, kläre ich, wie wichtig/dringend die Aufgabe für den Konsumenten ist, auch dann, wenn der Konsument mein Vorgesetzter ist.
Wenn ich Kapazitätsprobleme habe, kläre ich diesen Konflikt mit dem Konsumenten. Wenn ich das nicht kann muss ich den mit meinem Vorgesetzten tun.

Mein Fazit:

Bei Zug geht es vor allem um Kommunikation, um Vereinbarungen und Absprachen. Es bedarf Spielregeln oder allgemeiner ausgedrückt Prozesse, die sowohl von Produzenten als auch von Konsumenten

eingehalten werden sollten. Druck entsteht immer dort, wo Konflikte nicht erkannt werden bzw. keine Bereitschaft besteht, diese Konflikte gemeinsam und im Interesse aller Beteiligten aufzulösen.

ipalfy hat gesagt…

Dieses Thema hat der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi ziemlich umfangreich erforscht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_(Psychologie)

Autonomie und das Vermeiden von Ablenkungen ist nur ein kleiner Teil der Rechnung.

Palin hat gesagt…

Hi Ralf,

schauen wir uns mal ein anderes Beispiel aus der Marktwirtschaft an.
Da gibst den Häuslebauer der einen Kredit haben will (und wenn er das Kleingedruckte lesen und Verstehen würde gar nicht zurück zahlen könnte) und der Bänker der einen Vergeben möchte (gibt dann sicher einen schönen Bonus). Da der Bänker jetzt einen faulen Kredit hat, verpackt er ihn in eine schönes Paket und verkauft ihn an andere Bänker die Anlagemöglichkeiten suchen. Und schon haben wir unsere Weltwirtschaftskrise.

In den Rahmen ist die Marktwirtschaft wohl katastrophaler gescheiter als der Kommunismus.
Und der Zug auch.

Und Druck, ohne Druck bekommt man aus Kohle keine Diamanten. Wenn ich im 3. Stock den Wasserhahn aufdrehe muss genug druck auf der Leitung sein. Und Toyota stellt Autos am Fließband her, durch die Stückzahlvorgabe herrscht da massig Druck.
Also ohne Druck geht es nicht.

Das ist wohl grob das Gegenteil (nur kürzer) von dem was du geschrieben hast.

Halte ich Druck jetzt für ökonomischer als Zug, Nein.
Aber Zug halte ich umgekehrt auch nicht für ökonomischer als Druck.

In beiden Betrachtungsweisen liegt für mich ein grundlegende Fehler. Es wird jeweils nur einseitig gesucht und betrachtet wie so das eine Besser sein sollte als das andere. Und daraus eine Verallgemeinerung abgeleitet, die meines erachtend nicht Funktioniert.

Wenn ich ein gutes Ergebnis bekommen möchte muss ich mir einfach den Prozess anschauen und dann individuell entscheiden ob Druck oder Zug besser ist. Oder vielleicht eine Mischung aus Beiden.

Auch in Hinsicht auf den menschlichen Aspekt gesehen, denke ich das man individuell entscheiden muss. Es gibt einfach Leute die bringen ihre beste Leistung nur unter druck, andere reagieren auf druck so das ihre Leistung zusammen bricht.

Meines Erachtens macht es einen guten Chef aus, das er der Lage ist individuell auf seine Mitarbeiter einzugehen. Das ist sicher bei weiten schwerer als ein Konzept wie Druck oder Zug umzusetzen, wird aber meines Erachtens zu einer bessern Lösung führen.

MFG
Björn

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@ipalfy: Hast du den Hinweis auf Mr C. auf mich bezogen? Das wäre ein Missverständnis. Ich habe ja nicht über Flow geschrieben. Jedenfalls nicht über seinen Flow, sondern über Materialfluss oder Datenfluss. Eben Fluss in einem Prozess. Das ist sein Thema nicht.

@Palin: Eine Bank - ob kriminell oder inkompetent - kann nichts tun, außer es gibt Zug aus dem Markt. Alle Marktteilnehmer sind frei. Das ist ja der Trick. Das gehört zur Definition von Markt.

Und ich habe auch nicht gesagt, dass Zug-Systeme immer perfekt funktionieren. Zug kann man gut oder schlecht implementieren.

Dass du Diamanten und Leitungswasser als Beispiele für die Vorteilhaftigkeit von Druck anführst... passt nicht recht, weil deren Definition in Druck besteht. Dass etwas, dass durch Druck entsteht, von Druck profitiert, ist ja klar.

Wir reden ja hier aber über soziale Systeme, die auch noch einen Zweck haben: Unternehmen, Teams.

Gehört Druck zu deren Definition? Nein. Also kannst du aus Druck für Diamanten nicht ableiten, dass ein Team auch Druck braucht.

Und ich halte auch die Floskel "es kommt darauf an" für nicht hilfreich. Jedenfalls nicht, wenn du nicht mitlieferst, worauf es denn ankommt.

Dein paternatlistisches Argument, (manche) Menschen würden halt unter Druck besser leisten, also sollte man für deren eigenes Bestes Druck ausüben, halte ich für ganz unpassend. Damit stellst du dich nämlich über sie.

Wenn hingegen jemand sagt, "Bitte gib mir Aufgaben erst dann, wenn die Zeit eigentlich zu knapp ist, weil ich mich dann besser konzentrieren kann.", dann ist er autonom. Ich habe nur noch nie jemandem gesehen, der soetwas sagt.

Wenn Menschen sich selbst Druck machen - z.B. der sprichwörtliche Student, der erst in letzter Minute mit der Hausarbeit beginnt -, dann ist das auch eine andere Sache. Jeder darf seine Autonomie ausleben, wie er mag.

In einem Unternehmen hat das aber natürlich seine Grenzen. Selbstbestimmung ist dort auf ein Ziel ausgerichtet. Wenn du willst, hast du da deinen Druck. Denn das Ziel engt natürlich ein.

Für mich ist das aber kein Druck, weil das Ziel selbstgewählt ist. Wie ich ausgeführt habe, sehe ich Zug immer noch vorherrschend, wenn Bedingungen und Mittel selbstbegrenzt sind.

Der Druck, um den es mir geht, ist vor allem der Druck durch andere Menschen. Da bin ich sehr gewiss, dass der tatsächlich nie bekömmlich ist. Jedenfalls nach meiner Vorstellung von Erfolg für Unternehmen und Menschen.

Weiter im nächsten Kommentar...

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

Fortsetzung:

Wer eine andere Vorstellung von Erfolg hat - z.B. "Hauptsache ich habe alles, was ich will!" -, den interessiert Zug natürlich überhaupt nicht. Das ist legitim.

Und von denen - Personen und Unternehmen - gibt es einige. Allerdings wundern sich viele, dass sie solche Probleme haben. Sie leiden unter Stress. Sie ärgern sich. Es klappt nicht, wie sie es sich wünschen.

Da erlaube ich mir zu sagen: Überleg mal, ob das am Druck liegen könnte.

Dass es Menschen, die ihr Leben lang in Unternehmen Druck ausgeübt haben und unter Druck gearbeitet haben, schwer fällt, die Alternative zu denken, ist mir klar.

Mir sind da aber immer wieder Leute ein Beispiel, von denen man so gar nicht erwartet hätte, dass sie selbstbestimmt gelebt haben. Die Piraten des 17. und 18. Jahrhunderts. Und auch die haben "im Zug gearbeitet".

Sie haben sich in einem ökonomischen Geflecht bewegt und ihre Kapitäne demokratisch gewählt. Wer´s nicht glaubt, der lese: http://www.amazon.de/Invisible-Hook-Hidden-Economics-Pirates-ebook/dp/B003SNJESU

Damit hatten sie ihren Kollegen bei der Handelsmarine und der militärischen Marine eine Menge voraus. Die haben nämlich unter ständigem Druck gearbeitet.

Der Unterschied zwischen Zug und Druck ist mithin nicht an der Tätigkeit zu erkennen. Er liegt in der Freiheit, in der Wahl.

Und wenn du da meinst, manche können eben nicht mit Freiheit und Wahl umgehen... Na, dann sollten die wahrscheinlich auch nicht wählen gehen dürfen, oder? Wahrscheinlich ist dann auch betreutes Wohnen für solche Mitarbeiter bekömmlicher, oder?

Zum Abschluss: Gib ein Beispiel für einen Prozess, der aus deiner Sicht nur mit Druck funktioniert. Und ich überlege, wie ich mir dasselbe Ergebnis durch Zug erzeugt vorstelle.

Palin hat gesagt…

Nun als Prozess würde ich die „stabile“ Kernfusion in der Sonne nehmen.
(Ich hoffe mal das du hier jetzt nicht zu Spitzfindigkeiten neigst und sagst, dass Gravitation ein Zug ist. Sterne kollabieren unter dem Druck ihrer eigenen Masse zu schwarzen Löchern, sie haben nicht die Freiheit, nicht zu Schwarzen Löchern zu werden. Der Freiheitsgrad ist hier auf null reduziert.)

Nun die Piraten der 17. und 18. Jahrhunderts halte ich ehrlich nicht für ein gutes Beispiel um zu zeigen, dass Zug funktioniert. Die haben andere Menschen überfallen, ausgeraubt und umgebracht. Das passiert also ohne Druck? ;)

Das Konzept hat sich ja auch nicht wirklich durchgesetzt. Während es die Handels- und Militärmarine noch gibt, gibt es heute recht wenig Piraten.

Ich denke hier kann man sich auch mal gewisse Aspekte in der Gruppendynamik anschauen.
Grundlegend hat ja eine Gruppe in irgendeiner Form ein gemeinsames Ziel oder Interesse.
Handelt ein Mitglied der Gruppe absichtlich oder unabsichtlich gegen die Interessen der Gruppe, wird die Gruppe in irgend einer Form reagieren und ab einem gewissen Punkt auch Druck auf die Person ausüben. Sollten die Handlungen weiterhin den Interessen der Gruppe grundlegend widersprechen, wird die Gruppe die Person ausschließen.

Um es einfach mal an einem konkreten Beispiel zu betrachten, schau dir unsern Rechtsstaat an.
Wir haben Gesetze an die hat sich jeder zu halten. Und wir haben jemanden der dafür sorgt, dass sie eingehalten werden, die Polizei und das im zweifel auch mit druck. Was man ja auch regelmäßig im Fernsehen sehen kann. Z.B. bei Fußballspielen wenn die Polizei auf Hooligans trifft. Und da denke ich das so ein Gummiknüppel schon ein Druckmittel ist. Wenn du hier eine Lösung hast, wie mittels Zug die Fußballspiele friedlich ablaufen können, werden sich sicher die Fußballvereine, Polizei und auch der Steuerzahler freuen. Man sucht da ja schon seit längerem nach einer Lösung.

Betreutes Wohnen ist sicher eine nettere Umschreibung für Gefängnis und ja ich denke, dass schon der ein oder andere, der im Gefängnis sitzt, da hingehört.

Zusammenfassend bin ich immer noch der Meinung, dass eines dieser Systeme (Zug oder Druck) allein nicht funktioniert. Klar stellt ein Zugsystem eine gute Voraussetzung für motiviertes Arbeiten in einer Gruppe dar, allerdings muss es für die Zielerreichung (z.B. Entwicklung einer neuen Software oder ähnliches) auch eine Einengung (Druck) in Form von Terminen usw. geben, damit eine konkurrenzfähige Vermarktung stattfinden kann.
Eine Arbeitsgruppe besteht dazu aus Individuen. Jedes von denen hat andere Interessen und Bedürfnisse, dessen Verankerung irgendwo tief verborgen in der jeweiligen Psyche liegen. Sicher gibt es Personen, die regelrecht aufblühen, wenn man Ihnen für die Gestaltung Ihrer Arbeitsprozesse alle erdenklichen Freiheiten (Zug) zugesteht. Allerdings gibt es auch solche, die eher nachlässig arbeiten, wenn man Ihnen nicht konkret die Richtung weist. Zwar gibt es Menschen, die mit Stress (Druck) nicht gut umgehen können, aber viele empfinden Druck, der in einer Arbeitsgruppenatmosphäre auf sie ausgeübt wird, als positiven Stress. Solche brauchen und wollen den Druck, um produktiv zu sein. Man muss an dieser Stelle eben die Individuen aus den jeweiligen Gruppen in Augenschein nehmen, um feststellen zu können, was in der jeweiligen Situation am besten geeignet ist. Im Durchschnitt sollte ein Mittelweg (Zug und Druck) eine vielversprechende Lösung sein.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Palin: Ich habe nie behauptet, dass Prozesse im Zug nicht an Grenzen stoßen. Ja, die Gravitation ist eine. Oder die Verfügbarkeit eines Rohstoffes ist eine andere.

Weder Gravitation noch Rohstoff agieren in Bezug auf den Prozess (oder das dahinter stehende (soziale) System) aber mit Intention. Sie wollen nicht begrenzen, Optionen rauben, Druck ausüben, um ihr Ziel zu erreichen.

Wenn Gesellschaften sich selbst (!) Regeln geben, dann üben sie damit auch keinen Druck aus. Sie begrenzen zwar, aber nicht in Blindheit gegenüber dem großen Ganzen.

Hooligans stehen auch nicht unter Druck. Sie sind erstens freiwillig in einem Stadion, zweitens freiwillig unter einem Schlagstock.

Und wenn du die Debatten über verschiedene Bereiche des Lebens verfolgst, wirst du feststellen, dass viele sich in Richtung Zug bewegen, wo vorher Druck eingesetzt wurde. Wenn jetzt in Colorado Marihuana frei verkauft werden darf, dann ist das auch ein Wechsel hin zu Zug. Das System eröffnet Optionen, statt zu versuchen, durch Druck ein Ziel zu erreichen.

Positiven Stress ja auch jeder im Zug entwickeln. Wo ist das Problem. Der entsteht vor allem im Zug und nicht unter Druck. Im Zug zu arbeiten bedeutet ja nicht, laissez faire und Chaos. Zug bedeutet - wie ich ausführlich beschrieben habe - einem Ziel zuzustreben. Dafür darfst du dich gern anstrengen.

Du darfst deine Kapazität gern verdoppeln - aber mach das nicht zu einem Problem für deinen Nächsten. Setze du ihn nicht unter Druck. Ob deine Zusatzkapazität dem Ganzen zu gute kommen kann und sollte, ist eine Sache des Ganzen.

Wer SM-Praktiken mag, der fragt andere, ob sie ihn "unter Druck setzen". Das ist ok. Das darfst du auch als Arbeitnehmer erbitten, wenn du magst.

Deshalb würde ich aber SM nicht als default für die Orientierung setzen. Das ist eine legitime Vorliebe, nur braucht es dann zwei dafür.

Und so wünsch dir gern Druck für dich - nur bitte drücke Druck nicht anderen auf, weil du meinst, die bräuchten den.

Das würdest du dir auch vom Staat verbitten. Und vom Markt (der dann kein Markt mehr wäre).

Palin hat gesagt…

Hallo Ralf,

du wolltest von mir einen Prozess der nur unter Druck funktioniert und das ist die Kehrfusion der Sonne.

Das ein Hooligan sich freiwillig von einem Polizisten mit dem Schlagstock ein überziehen lassen will halte ich auch für recht fragwürdig. Und ich glaube, dass die Leute, die im Gefängnis sitzen es auch nicht alle freiwillig machen.

Und ich möchte auch nicht Leute unter Druck setzen oder unter Druck gesetzt werden.
Ich halte es nur für Sinnvoll, dass vor der Entscheidung Druck/Zug noch ein Schritt gemacht wird und das ist einfach sich den Menschen und die Situation anzuschauen. Um sich dann dementsprechend zu entscheiden.

Mir ist auch nicht klar wie so du den Schritt nicht machen möchtest, sonder dich immer für Zug entscheiden würdest. Schau dir doch erst mal den Prozess an und entscheide dann.
Es kann ja gut sein, das du dich dann auch immer für Zug entscheidest, dem wieder spreche ich ja nicht.

MFG
Björn

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

Och, Björn, die Kernfusion... Das ist doch nicht hilfreich. Wir reden über soziale System hier.

Aber wenn du willst, schau dir die physikalische Definition von Druck nochmal an: http://de.wikipedia.org/wiki/Druck_(Physik)

Da geht es um Widerstand. Druck entsteht, wo einer Veränderung Widerstand entgegentritt.

Und du sagst nun, so ließe sich am besten ein Ziel erreichen? Wenn Widerstand zwischen denen entsteht, die das Ziel gemeinsam erreichen sollen? Come on, das kannst du nicht wirklich meinen. Wie soll denn der Mitarbeiter beschaffen sein, der besser arbeitet, wenn er Widerstand entwickelt? Wie soll die Aufgabe für eine Gruppe aussehen, die besser erfüllt wird, wenn zwischen den Gruppenmitgliedern Widerstand entsteht?

Nochmal zu den Hooligans: Natürlich sind die freiwillig im Stadion und auch vor den Schilden der Polizei. Keiner wird gezwungen, sich ein Spiel anzuschauen oder eine Flasche zu werfen.

Und Hooligans üben auch keinen Druck auf Polizisten aus, sondern Zug. Dort, wo Hooligans in Massen auftauchen, entsteht nämlich ein Sicherheits- oder Schutzvakuum. Und wie wir wissen, verabscheut die Natur Vakuum. So zieht das Schutzvakuum Schutzmänner an.

Aber wenn du willst, dann eben auch Druck zwischen Hooligans und Polizei. Ganz natürlich sogar, denn deren Ziele sind gegenläufig. Was rauskommt ist Zerstörung. Ja, sowas ist das Ergebnis von Druck.

Erklär doch mal, wie gegenläufige Ziele in der Softwareproduktion oder in Bäckereien hilfreich sein können. Welche Mitarbeiter brauchen es, dass man sie gegeneinander laufen lässt?

Palin hat gesagt…

Hi Ralf,

ein soziales System habe ich dir ja auch mit den Hooligans geliefert.
Wie gesagt meines Erachtens setzt hier die Polizei, die Gesetze mit Druck durch und ich habe keine Lösung wie man es mit Zug machen kann.

Wie du ja selbst gesagt hast läuft der Prozess bei den Hooligans ja nach Zug.
Wir sehen ja was dabei raus kommt und das Ergebnis findest du wirklich gut?

Ich hab auch nie behauptet das gegenläufige Ziele hilfreich sein können.
Aber wie gehst du damit um, wenn 3 Leute den 4. in einem Büro mobben.
Wartest du biss er zu dir kommt (Zug). Hey die 3 haben ja ihren Spaß und der 4. wird sich schon melden. Oder gehst du hin und unterbindest es (Druck).

MFG
Björn

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Palin: Wir müssen nochmal einen ganzen Schritt zurücktreten.

Prämisse all dessen, was ich zu Zug geschrieben habe, ist natürlich - und das sollte schon hier klar geworden sein: http://blog.ralfw.de/2013/11/zug-ist-okonomischer.html - dass es um ein gemeinsames Ziel geht.

Da ist ein soziales System (Unternehmen, Softwareentwicklungsabteilung) mit einem Problem. Und dieses Problem soll gemeinschaftlich gelöst werden. (Sonst gäbe es das soziale System auch gar nicht.)

Die Frage ist dann: Sollte auf die Systemelemente Druck ausgeübt werden? Sollten die Systemelemente untereinander Druck ausüben? Wird das Problem durch Druck "besser" gelöst - oder eben durch Zug?

Meine Antwort lautet: durch Zug. Kooperierende Ressourcen arbeiten am besten unter Zug an einer Problemlösung (oder allgemeiner Zielerreichung).

Weder die Sonne mit ihrer Kernfusion, noch das soziale System bestehend aus Hooligans+Polizei erfüllen diese Bedingung.

Zurück aber zu den Hooligans. Die Hooligans als Gruppe mögen ein gemeinsames Ziel haben (und nicht nur ein gemeinsames Interesse). Das könnte lauten "Spaß mit der Polizei haben" oder so.

Wie erreichen die Hooligans das in interner Zusammenarbeit am besten? Durch Zug. Wenn hingegen Druck herrschen sollte... dann ist mir das bei denen auch egal.

Die Polizei für sich ist auch eine Gruppe. Nein, sie sollte sogar ein Team darstellen. Dessen Ziel ist vielleicht "Sachen und Menschen vor Hooligans schützen". Wie wird das am besten erreicht? Durch Zug.

In beiden Fällen geht es um den Zug innerhalb (!) der jeweiligen Gruppen. Zusammen haben die Gruppen kein gemeinsames Ziel. Also sind sie überhaupt nicht Thema meiner Betrachtung.

Bedeutet Zug innerhalb der Polizei zur Erreichung des Schutzzieles nun, dass da niemand Anweisungen geben darf? Natürlich nicht. Anweisungen wie "Lauf da links rüber, da brechen sie gleich durch." sind kein Druck, sondern Informationen in den Puffer eines Polizisten oder eines Gruppe von Polizisten. Dieser Puffer wird häufig abgefragt bzw. ist mit Notifikationen ausgestattet. Das ist einfach eine Frage von Prioritäten.

Es widersprich Zug auch nicht, dass ein System Grenzen hat bzw. sich Grenzen und Regeln gibt. Die dienen der Erreichung des Zweckes. Ressourcen sind dann innerhalb (!) dieser Grenzen frei. Zug ist dann immer noch möglich.

Wenn jemand mobbt, dann ist das kein Thema für mich. Dabei handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, die dem Ziel der Gruppe dient. Insofern müssen wir darüber hier gar nicht reden.

Funktionierende Systeme setzen funktionierende Elemente voraus. Jemand der mobbt, funktioniert nicht und/oder stört die Funktionsfähigkeit anderer Elemente und damit des Systems. Solche Störenfriede müssen aus dem System entfernt werden (oder sie unterlassen ihre Störung).

Das ist eine Entscheidung auf der Metaebene, um den Zug des zielgerichteten Systems optimal aufrecht zu erhalten.

Florian hat gesagt…

Hallo Ralf,

wie passend ist meine Aussage 'Zug entsteht, wenn ein gemeinsames Ziel vorliegt und der Weg zum Ziel selbstbestimmt zurückgelegt werden darf' als Zusammenfassung dieses Posts über Zug?

Doch wenn ich näher über deinen Beitrag nachdenke, so erscheinen mir viele deiner Gedanken direkt oder indirekt das Thema Motivation anzusprechen. Ich möchte dazu meine Idee formulieren, die sich an der SDT von Deci und Ryan orientiert.

Zug entsteht, wenn die Regulation einer Tätigkeit, d.h. die Kontrolle über das WANN, das WIE und das WAS, aus einer Person heraus entsteht und nicht extern zu verorten ist. Der größte Zug entsteht demnach, wenn eine Person intrinsisch motiviert ist. Sie handelt aus sich selbst heraus. Das absolute Gegenteil wäre die externe Regulation in Form externer Anreize (z.B. Belohnungen oder Strafen). Die Person wird dabei von extern "gedrückt" und kann nicht mehr selbstbestimmen. Zwischen diesen beiden Polen liegt ein Kontinuum der Regulation, d.h. von Fremdbestimmung kann fließend zu selbstbestimmung übergegangen werden, ohne dass es Sprünge, wie auf einer Treppe, gibt.
Eine Tätigkeit kann in diesem Zusammenhang auch von mehreren Regulationszuständen beeinflusst sein, sodass für die Motivation die relative Autonomie, also das Verhältnis von autonomer zu kontrollierter Regulation entscheidend ist (z.B. kann sich eine Person stark mit TDD identifizieren und arbeitet von sich aus stark danach und zusätzlich kommt eine Abneigung gegen die Entwicklungsumgebung hinzu, die die Motivation ebenfalls beeinflusst).

Wenn ich mich an deinen Artikel über Stakeholder erinnere kann deren Rolle für Zug vielleicht auch erklärt werden. Sie dienen dazu psychologische Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit zu erfüllen, in dem sie den Kontext vorgeben, in dem eine Tätigkeit/ ein Verhalten stattfindet. Sie können Einfluss darauf nehmen, wie kompetent sich jemand wahrnimmt oder wie stark die Autonomie einer Tätigkeit ist. Mit dem Einwirken auf diese Grundbedürfnisse hat ein Stakeholder auch Einfluss auf die Übernahme bestimmter Werte in das Wertesystem der Person und somit einer Änderung der Regulation.

Das sind viele Gedanken zu diesem Thema. Ich bin gespannt auf Rückmeldungen.

Anonym hat gesagt…

Hi Ralf,

ich muss gestehen, so ganz ist mir dann deine Theorie von Zug noch nicht klar geworden.

Zitat:„Zug ist das Gegenteil von Druck.“

Wo herrscht nun Druck/Zug im/auf dem Prozess genau, wo kommen die Kräfte zum Einsatz. Und wo genau ist Zug immer ökonomischer?
Ich würde mich freuen wenn du die Frage mal beantworten würdest.

Ich beschreibe jetzt einfach mal, was für mich einen idealer Prozess ausmacht (Vielleicht können wir uns ja darauf einigen).

Für mich ist ein optimaler Prozess im Gleichgewicht (Oder Fluss, dass Passt dann auch auch auf die Anwendungsentwicklung). Frei von unnötigen Kräften von außen/innen.

Beispiele aus der Physik:
Impulserhaltung: Ich stoß oder zieh ein Teilchen an und es folgt, solange keine anderen Kräfte auf es einwirken, seiner Bahn von A nach B.
Kernfusion in Sternen: Durch die Anziehungskraft startet die Kernfusion und lauft solange Stabil bis die Kräfte nicht mehr im Gleichgewicht sind. Danach kommt es dann auf ihre Masse an was mit ihnen passiert. (Weißer Zwerg / Schwarze Loch). Ja in dem Prozess ist Druck drin, aber er ist auch nötig damit er funktioniert. Als ganzes gesehen ist der Prozess im Gleichgewicht/Fluss.

Und so sollte meiner Ansicht nach auch ein optimaler Process in der Anwendungsentwicklung laufen, die Leute arbeiten Hand in Hand zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, der Prozess ist im Fluss.
Leider ist dass in der Anwendungsentwicklung nicht gegeben und so kommen immer wieder Kräfte auf, die den Process behindern. Und darauf gilt es zu reagieren und dann kann es auch zu Druck/Zug kommen.

Mobbende Mitarbeite sind ein Beispiel wo Druck nötig sein könnte. (Wir gesagt ich werde mich er in der konkreten Situation dazu entscheiden was nötig ist.)

Ein Entwickler im Projekt wird langfristig Krank. Man holt noch einen Entwickler hinzu (Zug) und da er auch Einarbeitungszeit brauch, wird die übrige Arbeit auf die anderen Entwickler verteilt (Druck). Was jetzt nicht die beste Lösung sein muss.

Das Beispiel für Zug überlasse ich jetzt mal dir ;).

Ich persönlich denke einfach, man muss schauen. Was besser geeignet ist und sich dann für Druck oder Zug entscheiden.

Um dann mal einfach auf deinem Beitrag Eklektische Programmierung einzugehen.
OOP oder FP. Am besten ist doch beides zu haben und am Problem zu entscheiden was das beste ist. Oder?

Mit freundlichen Grüßen
Björn

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Florian: Du sagst "Zug entsteht, wenn die Regulation einer Tätigkeit, d.h. die Kontrolle über das WANN, das WIE und das WAS, aus einer Person heraus entsteht und nicht extern zu verorten ist" - und das bedeutet nichts anderes, als dass Selbstbestimmung herrscht.

Nur wer selbstbestimmt (autonom) ist, der kann seiner Motivation (Neigung) folgen. Wer sich durch eine Aufgabe motiviert fühlt, der folgt dem Zug der Aufgabe. Wer sich durch einen Menschen motiviert fühlt, der folgt dem Zug dieses Menschen. Usw.

Mir gehts aber gar nicht so sehr um "tief sitzende" Motivation. Natürlich ist intrinsische Motivation die beste. Mir geht es um die Organisation von Arbeit. Dazu braucht es mehr als intrinsische Motivation. Es braucht nämlich Richtung.

Ich kenne fast nur intrinsisch motivierte Entwickler. Die sind einfach gern bei der Arbeit. Sie wollen echt einen guten Job machen. Trotzdem verpufft ganz viel Energie. Teams sind unzuverlässig.

Die Motivation muss also ausgerichtet sein. Dafür braucht es ein Ziel und einen Prozess, der auf das Ziel zuläuft. In dem Prozess arbeiten die motivierten, selbstbestimmten Menschen zusammen. Alles andere ist eine "Horde" :-)

Deshalb spreche ich auch von Puffern. Die braucht es für die Zusammenarbeit. Denn ohne, kollidieren ganz schnell die vielen intrinsischen Motivationen. Wenn jeder Einzelne das Beste will, dann passiert nicht unbedingt das Beste fürs Ganze.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Björn: Ein optimaler Prozess ist im Gleichgewicht? Joa, das hört sich doch gut an.

Bei der Anwendungsentwicklung ist das nicht immer gegeben? Da stimme ich zu. Das ist die Realität.

Muss man deshalb Druck ausüben? Nein.

Ist Druck vorhanden, entsteht Druck häufig? Ja. Ist das gut? Nein.

Ökonomischer ist Zug, weil Zug weniger Schaden anrichtet.

Wie gesagt, von ganz allein entstehen diese Vorteile auch nicht. Zug will auch richtig implementiert sein. Nur sehe ich keine "richtige" Implementation von Druck. Druck ist in einem Prozess der Zusammenarbeit von Menschen immer die schlechtere Wahl, würde ich sagen.

Dass man beim besten Willen zum Zug manchmal in Druck zurückfällt... mag aber auszuhalten sein. In jedem System funktioniert nicht alles 100% so, wie man es haben will. Das ist ok, solange er Sand im Getriebe nicht zu dicht ist.

Auf Autobahnen können wir Raser und Sonntagsfahrer aushalten. Unsere Gesellschaft erträgt eine gewisse Anzahl Verbrechen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir kein Ideal haben für die Fahrt auf der Autobahn und das Verhalten in der Gesellschaft.

So verstehe ich Zug: als Ideal. Danach sollten wir streben - und dann schaffen wir es nicht in 90% der Fälle. Das ist akzeptabel.

Warum ist Zug ökonomischer? Weil Zug auf Selbstbestimmung setzt. Und wenn mir eines gesichert erscheint nach Lektüre von Büchern zu unserer Branche oder der Managementliteratur oder auch der Psychologie, dann das: Menschen arbeiten besser, motivierter, you name it, wenn sie selbstbestimmt arbeiten. Sie stellen bessere Qualität her, sie sind weniger krank, sie sind verlässlicher, wenn man keinen Druck ausübt.

Nochmal: Das bedeutet nicht, dass jeder tut, was ihm grad in den Sinn kommt. Es geht um Zug im Rahmen eines problemlösenden Systems. Es geht um Prozesse, die Wünsche in Releases transformieren. Das ist kein Ponyhof. Aber das ist auch kein Kasernenhof.

Es geht um Zusammenarbeit. Freiwillig, flüssig, resultatsorientiert.

Anonym hat gesagt…

Hi Ralf,

ich finde ja schon mal gut das wir uns darauf einigen können, dass ein optimaler Prozess im Gleichgewicht ist. Und für uns beide ,Zug und Druck, Mittel sind ihn da wider hinzubekommen.

Zitat:“Auf Autobahnen können wir Raser und Sonntagsfahrer aushalten. Unsere Gesellschaft erträgt eine gewisse Anzahl Verbrechen. „
Im dem Bereich agiert aber auch die Polizei als Druckmittel. Und schaut dass es keine Überhand nimmt und Bestraft die Leute (Druck) die sich nicht an die Regeln halten.

Zitat: „Und wenn mir eines gesichert erscheint nach Lektüre von Büchern zu unserer Branche oder der Managementliteratur oder auch der Psychologie, dann das: Menschen arbeiten besser, motivierter, you name it, wenn sie selbstbestimmt arbeiten. Sie stellen bessere Qualität her, sie sind weniger krank, sie sind verlässlicher, wenn man keinen Druck ausübt.„

Mal gegooglet und das Gefunden:
„Neuere Ergebnisse der Hirnforschung, zeigen sogar, dass Stress die schnellere Vernetzung von Hirnzellen fördert: Jedes mal, wenn wir unter Stress ein Problem lösen, erlernen wir flott ein Denkmuster, das wir zukünftig in ähnlichen Situationen wieder abrufen können. Stress erhöht unsere Flexibilität. „
http://imgriff.com/2011/06/16/motiviert-produktiv-arbeiten-so-wirken-flow-stress-und-endorphine/

Hier ist Druck in vom Stress, ja durchaus Positiv.
Dem in den Artikel angesprochenen Begriff von „Flow“ finde ich ganz interessant, er geht ja in die Richtung, die ich vorher angesprochen habe. Zusätzlich spricht er auch an, dass zu viel Druck schädlich ist. Kann ich auch zustimmen.

Wie gesagt, mir geht es darum den Prozess ins Gleichgewicht zu bekommen. Und das da Zug immer ökonomischer ist sehe ich nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Björn

Florian hat gesagt…

Bitte bedenkt, dass auch der gelinkte Artikel nur auf Hören Sagen verweist ("Neuere Ergebnisse der Hirnforschung, zeigen sogar ...") ohne eine konkrete Quelle nennen zu können. Selbst bei einer Zusammenfassung einer Quelle/ Studie ist es notwendig die Quelle zu sichten, damit potentielle Wiedergabefehler oder Verzerrungen entdeckt werden können.
Das Thema Eustress/ Distress zeigt doch an, dass es sehr viele Faktoren gibt, die die Arbeit beeinflussen und dass es fraglich scheint, dass es DIE eine Lösung gibt.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Björn: Dass Stress, eine Belastung, eine "Herausforderung" uns besser macht, unterschreibe ich gern. Wir sind halt "antifragil" (Nassim Taleb) als Lebewesen.

Aber dazu gehört zweierlei: Der Stress muss sich im Rahmen halten. Er darf unsere Kompensationsfähigkeit nicht überschreiten, sondern nur stimulieren. Dem sehe ich beim üblichen ausgeübten Druck oft nicht entsprochen.

Außerdem braucht es Ruhephasen, um die Stimulation durch den Stress in Wachstum umzusetzen. Deshalb schlafen wir 30% unserer Zeit. Deshalb solltest du nicht jeden Tag 2 Std zum Krafttrainin gehen.

Für "positiven Stress" bleibt genug Raum, wo gezogen wird. Davon bin ich überzeugt.

Anonym hat gesagt…

@Florian ich kann dir nur zustimmen, darum geht es mir ja gerade, zu sagen, dass es nicht DIE Lösung gibt.

@Ralf ich finde wir nähren uns an.
Das ein optimaler Prozess im Gleichgewicht ist. Sind wir uns ja schon mal einig. B.z.w. Es hört sich für dich gut an.
Das Druck/Stress auch seine Positiven Seiten haben kann, hast du jetzt ja auch gesehen.
Und deiner Aussage, dass er sich im Rahmen halten soll, kann ich dir nur zustimmen.
Demnach kann Zug aber nicht immer ökonomischer sein. Da er ja das Gegenteil von Druck ist.

Für mich geht es aber jetzt auch nicht Zentral um Druck oder Zug sondern schon einen Schritt vorher anzufangen. Zu Fragen wo liegt das Problem und dann zu entscheiden was mache ich.
Wobei hier für mich der Mensch im Vordergrund steht und meines Erachtens sind Menschen zu Komplex um sie einfach auf Zug oder Druck zu reduzieren.

Mit freundlichen Grüßen
Björn

Sebastian hat gesagt…

Ich kann diese Sichtweise verstehen und versuche zumindest innerlich bereits nach dieser Denkweise zu arbeiten und meinen Tag zu gestalten. Wenn man nämlich weiß, wie man als Mensch tickt und man bei Zug entsprechend bessere Leistung erbringt und (viel wichtiger!) es einem besser geht und man zufriedener seinen Tag beendet. Dann finde ich, macht es Sinn, sich ein eigenes kleines System mit einer Queue auszuarbeiten, Pomodoro einzusetzen und max. an einer Aufgabe gleichzeitig zu arbeiten.

Ich glaube auch, dass nicht Zeit, sondern Aufmerksamkeit unser kostbarstes Gut ist. Aufmerksamkeit untersteht der vollen eigenen Autonomie und und kann niemals durch Druck anderer Menschen der Freiheit entraubt werden. Höchstens man selbst kann die eigene Aufmerksamkeit geißeln und zwingen sich mit Dingen zu beschäftigen, die man eigentlich nicht mag.

Ich stelle mir das Zug Szenario in einer Software-Schmiede gerade voll umgesetzt vor. Warum gibt es denn so wenige Unternehmen, in denen dieses Prinzip gelebt und eingesetzt wird? Ich als Entwickler fände es traumhaft in einer Zug-Situation zu arbeiten. Positiver Druck entsteht meiner Meinung nach ganz von selbst. Trotzdem würde ich anzweifeln, dass andere genauso denken und das Zug-Konzept nicht ausnutzen, um sich einen faulen Lenz zu machen. Ist es dieser Zweifel und der Mangel an Vertrauen, der auch in anderen Menschen steckt und verhindert, dass wir uns gegenseitig genügend Raum für ein solches Konzept ermöglichen und warum Chefs und Entscheider bis heute meinen es müsse "Druck" ausgeübt werden? Oder entsteht in Zug-Situationen durch die neue Autonomie eine Art Faulheit beim Entwickler?

Ich bin mir da wirklich nicht sicher. Als Selbständiger bist du ja auch dem Druck der Existenzsicherung direkt ausgesetzt. Als Arbeitnehmer ist man durch ein regelmäßiges Einkommen auf andere Art und Weise vor diesem Druck gepuffert, indirekt ist der Druck dort natürlich auch vorhanden. Aber durch die Zug-Situation wäre der Arbeitnehmer ja vollkommen von jedwedem Druck entbunden oder?

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Standbye: Ich stehe als Selbstständiger nicht unter Druck. Da ich frei entscheiden kann, nein, muss, ziehe ich mir, was ich brauche. Wenn ich dafür Vorarbeit leiste, z.B. Marketing oder Lernen, dann ist das auch eine freie Entscheidung.

Druck entsteht ja durch bewusste Einengung der Optionen. Es wird dann eng. Als Selbstständiger habe ich die Verantworung, es nicht soweit kommen zu lassen.

Sebastian hat gesagt…

Ich versuche zu verstehen, warum von vielen eine Druck-Situation geradezu eingefordert wird und diese so vehement verteidigt wird. Das passiert ja auch hier in den Kommentaren. Und auch ich frage mich, geht es tatsächlich ganz ohne Druck.

Mal angenommen ein Selbständiger hat also Zug für sich und in seinem Unternehmen gut umgesetzt.

Und dieser Selbständige würde plötzlich alles schleifen lassen und gar nicht mehr ziehen oder aus wenig erfolgreichen Richtungen ziehen. Würde er dann nicht irgendwann automatisch wieder in eine finanzielle Druck-Situation driften? Und: Ist dadurch der Druck, wenn auch in kleiner Dosis, nicht immer noch vorhanden?

Der Unterschied zwischen einem Selbständigen und einem Arbeitnehmer ein einer Zugsituation ist doch:
- Wenn man Verantwortung miteinbezieht, verändert sich bei einem Selbständigen der Druck mit der Auftragslage.
- Bei einem Arbeitnehmer, der in einer Zug-Situation arbeitet, gibt es dann doch gar keinen direkten Druck mehr.

Sry, ich verstehs noch nicht ganz...

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Standby: Druck... Zug... Die Begriffe sind egal. Worum es geht ist selbstbestimmtes Arbeiten ohne Überflutung. Fluss soll hergestellt werden, nicht Stau.

Dafür muss etwas da sein, was man tun kann.
Dafür muss Zeit da sein, in der man was tun kann.
Dafür muss Autonomie da sein, sich in seine Zeit etwas zu tun hereinzunehmen.

Je weniger Selbstbestimmung, je mehr Notwendigkeit, je mehr Zwang, desto schlecht. Das ist dann Druck. Der entsteht, weil man nicht mehr ausweichen kann.

Je mehr Selbstbestimmung, je mehr Optionen, je mehr "kann, muss aber nicht", desto gut. Das ist Abwesenheit von Druck. So macht Arbeiten Spaß.