Als wie relevant das Thema Softwarearchitektur inzwischen in der Community wahrgenommen wird, hat die prio.conference der dotnetpro am 10./11. November gezeigt: mehr als 260 Teilnehmer hatten den Weg nach Baden-Baden ins Kurhaus gefunden. Das ist eine Zahl, die mich als Content Manager der prio sehr gefreut hat - und ich hoffe, dass nicht nur das Oberthema im Großen, sondern auch meine Auswahl von Vortragsthemen und -referenten im Kleinen dazu einen Beitrag geleistet hat.
Erstes Feedback stimmt mich da aber positiv. So ist zum Beispiel die Keynote des (wahrscheinlich) einzigen wirklichen Architekten vor Ort sehr gut angekommen. Prof. Dr. Christian Kühn aus Wien hat einen interessanten Bogen von seinem Metier der Bauarchitektur zur Softwareentwicklung geschlagen. Denn wenn sich schon die Pattern-Bewegung der Softwareentwicklung auf bauarchitektonische Patterns bezieht, ist es angezeigt einmal zu beleuchten, welche Relevanz die denn eigentlich haben. Und so haben die Anwesenden nicht nur erfahren, wie die Patterns schon vor Erich Gamma et al. ihren Weg in die Softwarebranche gefunden hatten, sondern auch, wie Prinz Charles mit Patterns verbunden ist.
Nach solchem Blick über den Tellerrand ging es dann aber mit "echten" Softwareinhalten los. In 30 Sessions haben die Referenten den Bogen vom Konzeptionellen wie der Definition von Architekturrollen und Dokumentation über eher unbekannte Technologien wie Microsofts CCR oder PostSharp bis zu handfesten Tipps zum Transport von veränderlichen Objekten per WCF gespannt.
Besonders haben mich die Kommentare zum Thema Jabber gefreut. Die Teilnehmer waren hocherfreut zu erfahren, dass es solch coole Kommunikationstechnologie gibt - und gleichzeitig erstaunt, dass sie bisher davon noch nichts gehört hatten. Denn Jabber kann vieles schon lange, was Microsoft erst heute mit seinem Communication Server anfängt zu realisieren. Und dabei ist Jabber bzw. seine Server und Clients vielfach kostenlos und reifer.
Ebenfalls über den Horizont der vielfach Microsoft-lastigen Welt der .NET-Community hinaus hat Referent Markus Völter mit seinen Vorträgen zum Thema Domänenspezifische Sprachen (DSL) geblickt. Er hat vorgeführt, wie auf der Basis der oAW Plattform mit Eclipse (!) schon heute eigene textuelle Sprachen inkl. Codegeneratoren realisiert werden können. Wer also nicht auf Microsofts Oslo warten will, der kann jetzt loslegen.
Die prio hat somit nicht nur viele Facetten des Themas Softwarearchitektur beleuchtet, sondern bewusst weiter geblickt als die üblichen Microsoft-lastigen Events. Softwarearchitektur hat zwar immer mit Entwicklungsplattform zu tun, sollte sich von ihr aber nicht unnötig beschränken lassen. Relevante und interessante Entwicklungen gibt es jenseits von Linq, Entity Framework, WPF, Silverlight oder dem sich schon zur Welle hebenden OsloAzureWindows7.
Aber nicht nur das Fachliche hat Spaß gemacht. Der Abend stand wieder ganz im Zeichen der Heimat der dotnetpro: alle Teilnehmer trafen sich im Löwenbräu zu einem nah ans Oktoberfest-Original heranreichenden bayrischen Abend. Der war ausnehmend gemütlich - auch wenn er Sprecher und Veranstalter sich nicht nur entspannen konnten. Wie schon im Vorjahr galt das Motto der englischen Offiziersakademie Sandhurst: serve to lead - dienen, um zu führen. Und so bedienten Sprecher und Chefredakteur die Teilnehmer vor und hinter dem Thresen.
Das hat Laune gemacht und wieder ganz neue Einblicke in die Community gegeben :-)
Im nächsten Jahr wird die prio solche Gemütlichkeit jedoch nicht mehr "exportieren" müssen. 2009 findet die prio.conference in der dotnetpro Heimatstadt München statt. Das Thema steht auch schon fest. Es wird um "User Interfaces" gehen. Und es wird natürlich wieder technisch und praktisch und konzeptionell werden. Von Usability bis DataBinding Best Practices gibt es viel zum Thema zu sagen. Immerhin sind User Interfaces das Aushängeschild unserer Anwendungen.
Aber zur Softwarearchitektur wird die dotnetpro bis dahin sicher auch nicht stumm bleiben. Stay tuned!