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Montag, 20. Oktober 2008

Ist der Fachkräftemangel hausgemacht? [OOP 2009]

image Im Karriere Special der SIGS-DATACOM findet sich ein Artikel mit dem Titel "Neue Software-Entwickler braucht das Land". Hört sich interessant, weil realistisch an. Ich kenne nur Firmen, die Entwickler suchen, aber keinen, der ohne Projekt wäre. Wir brauchen also neue bzw. mehr Entwickler. Auch der Statistik offener Stellen darf man im Großen und Ganzen wohl trauen. Die spricht von mehreren Zehntausend unbesetzten IT-Stellen. Soweitsogut.

Erhellend finde ich den Artikel dann jedoch nicht. Er ergeht sich in sehr pauschalen Beschreibungen von Projektszenarien und allgemeinen Anforderungen an Entwickler. Nichts, was wir nicht schon gehört hätten. Mehrfach hören, schadet zwar auch nicht, doch diesen Beitrag finde ist so durchweg im Überflug, dass er mir nichts bringt. Und er gipfelt dann in 8 gut gemeinten Tipps zur Fitness für Entwickler. Er soll mitbringen:

  • Fähigkeit, in kurzfristig zusammengestellten internationalen Projektteams schnell produktiv zu werden
  • Branchenkenntnisse
  • Beratungs- und Requirements Engineering-Fähigkeiten
  • große, auch internationale Mobilität, da häufig Einsatz vor Ort beim Kunden
  • Laufende Anpassung des Know-Hows an neue Trends
  • örtliche und zeitliche Flexibilität
  • Erfahrung mit Standardsoftware und Software-Frameworks
  • Methodenwissen (Entwicklungsprozess und Tools)

Als ich diese Liste gelesen habe, da musste ich denn doch lachen. Oder weinen? Ja, es ist wohl eher zum Weinen. Denn wer solches fordert, der muss sich nicht wundern, dass er immer noch Entwickler sucht. Solche Entwickler müssen wirklich erst "neu gebacken werden". Ich kenne zumindest keinen.

Ein näherer Blick auf die Tipps enthüllt, warum das so ist:

Unzweifelhaft ist, dass ein Softwareentwickler "laufende Anpassung des Know-Hows an neue Trends" vornehmen muss, "Methodenwissen" braucht und "Erfahrung mit Standardsoftware und Software-Frameworks" erforderlich sind. Das alles gehört zum Kern des Berufs "Softwareentwickler", zu seinen technisch-fachlichen Kompetenzen, zu seinen Hardskills. (Was genau mit "Methoden" und "Standardsoftware" gemeint ist, bliebe zwar zu diskutieren und ist auch wohl unterschiedlich nach Lösungsdomäne (z.B. Mobile Software vs. Games vs. Web-Anwendungen), aber nehmen wir mal an, dass wir da einen Konsens fänden.)

Auch Branchenkenntnisse sind sicherlich nicht aus dem Kompetenzportfolio des Softwareentwicklers wegzudiskutieren. Allerdings: Sie brauchen Zeit. Meist mehr Zeit als der Erwerb der (grundlegenden) Fachkompetenzen.

Sind Softwareentwickler immer auch Berater?

image Wie stehts nun aber mit den "Beratungs- und Requirements Engineering-Fähigkeiten"? So sehr ich auch für einen Aufbau von Softskills bei Softwareentwicklern bin (s. dazu auch meinen Beitrag "Software braucht Soft Skills" im selben Heft) - ich wüsste nicht, warum zum Beruf "Softwareentwickler" zwangsläufig "Beratungs- und Requirements Engineering-Fähigkeiten" gehören sollten. Ein Softwareentwickler ist eben ein Entwickler von Software und kein Berater und kein Requirements Engineer. Wer Fähigkeiten zur Beratung oder zur Anforderungserhebung sucht, der sollte nicht Softwareentwickler, sondern Berater und Requirements Engineers suchen. Ein gutes Auftreten beim Kunden, die Fähigkeit zum Zuhören und zur Zusammenarbeit mit dem Kunden sollen natürlich alle Softwareentwickler haben. Aber Zuhören und Zusammenarbeit sind nicht gleich Beratung und Anforderungsanalyse. Autor Rolf Unterberger schießt hier für meinen Geschmack weit übers Ziel hinaus. Das kann nur Frust und Unsicherheit erzeugen.

Kann man Teams kurzfristig bilden?

Jetzt Teamfähigkeit: Selbstverständlich sollen Softwareentwickler Teamkompetenz besitzen. Softwareentwicklung ist Teamwork. Und das ist umso schwerer, je weiter die Teammitglieder kulturell und zeitlich und politisch voneinander entfernt sind. (Auch im selben Raum!)

Herr Unterberger fordert aber quasi Unmögliches, wenn er die Fähigkeit zur Produktivität verlangt, wenn solche Teams kurzfristig zusammengestellt werden. Unmöglich ist das nämlich, weil in seiner Formulierung von den "kurzfristig zusammengestellten internationalen Projektteams " ein Widerspruch steckt. Es ist ein Widerspruch, den Manager nur ungern zur Kenntnis nehmen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Denn dass es überhaupt ein Team gibt, wo kurzfristig und auch noch kulturübergreifend Menschen an ein Projekt gesetzt werden, das ist unmöglich.

Teams, d.h. Gruppen von Menschen mit gemeinsamen Werten und klaren Aufgabenverteilungen und gegenseitigem Vertrauen usw., echte Teams, die brauchen Zeit. Menschen müssen zu Teams zusammenwachsen. Dekretieren kann man das nicht. "Du, du, du und du, ihr seid jetzt ein Team! Los, hopp! Und schon produktiv sein! Ab morgen alle 1000 km von zuhause fort." Das funktioniert nicht. Egal, welche Teamkompetenz Entwickler mitbringen.

Teams brauchen Zeit. Das echte, "systemische" Team und das "organisatorische Team" sind zwei ganz unterschiedliche soziale Systeme. Echte Teams müssen durch gute Führung aus Gruppen geschmiedet werden. Zeit und solch gute Führung ist nun aber nicht jedes Managers Sache. Also fordert der Manager, dass Softwareentwickler am besten mal solche Superkompetenzen mitbringen sollten. Die würden ihm nämlich das Leben leichter machen. Aber: das ist unmöglich und führt daher nur zu Frust und Unsicherheit bei denen, die solche Tipps lesen.

Flexibilität über alles?

Zuguterletzt die üblichen Flexibilitätsforderungen. Softwareentwickler - wie quasi jeder moderne Arbeiter - sollten nicht zu sehr an ihrer Zeit oder an bestimmten Orten hängen. Flexibilität in allen vier Dimensionen ist gefragt.

Das ist natürlich keine neue Forderung. Ihr Alter macht sie nur nicht einlösbarer oder weniger kontraproduktiv.

Menschen brauchen einfach Fixpunkte in ihrem Leben, Planbarkeit, Heimat, soziale Bindungen (die mit Ort und Zeit zu tun haben). Nimmt man ihnen diese qua Jobbeschreibung, können sie nicht mehr optimal motiviert sein. (Dass es immer Ausnahmen gibt, Menschen, die in der Ferne aufblühen, die oft wechselnde Herausforderungen suchen, die sich voll reinhängen wollen, das ist unzweifelhaft. Aber sollten ihre Fähigkeiten (oder Persönlichkeitsstörungen?) deshalb zu einer branchenweiten Norm erhoben werden?)

Aber halten wir uns nicht mit solchem Grundsätzlichen auf. Nehmen wir mal an, es gibt nicht nur einzelne, sondern viele, die überhaupt wie gefordert flexibel sein können und wollen. Wo sind die denn zu finden? Ich denke, da gibt es keine zwei Meinungen: bei denen, die jünger als 30 oder maximal 35 Jahre sind.

Was bedeutet das für die freundliche Tipp-Sammlung des Artikels? Sie richtet sich an "die Jugend", an Menschen am Anfang ihrer Berufstätigkeit. Wenn wir das Erwerbsleben mal noch bis zum 67. Lebensjahr denken, dann dauert es von einem Ausbildungsabschluss mit ca. 25 Jahren knapp 40 Jahre. Laut Anforderungen des Artikels an Menschen, die die Softwareentwicklung zu ihrem Beruf erkoren haben, können von diesen 40 Jahren aber höchstens 10 professionell und attraktiv für Arbeitgeber geleistet werden. Denn nach den ersten 25% des Erwerbslebens erfüllen Softwareentwickler 2 von 8 Kriterien nicht mehr. Sie werden dann - ganz menschlich - unflexibel, weil sie sich den Wunsch nach Heim und Familie erfüllen wollen. Heute München, morgen Dubai, übermorgen Lima? Das ist nichts für Softwareentwickler, die auch mal jemand anderes sehen wollen als hyperflexible Teamkollegen.

Der Widerspruch

Aber selbst wenn Autor Rolf Unterberger mit flexiblen Softwareentwicklern bis 35 Jahre zufrieden wäre, er fände doch keine, die seine Anforderungen erfüllen. Denn die stehen im Widerspruch zueinander. Flexibilität widerspricht Erfahrung. Wer jung ist, mag flexibel sein. Aber er kann durch sein geringes Alter eben nicht die harten und weichen sonstigen Kompetenzen entwickelt haben, die die anderen Punkte fordern.

Wer in den ersten 10 Jahren seiner beruflichen Praxis als Softwareentwickler steckt, der kann nicht "Branchenkenntnisse" haben, "Beratungs- und Requirements Engineering-Fähigkeiten" besitzen und in "kurzfristig zusammengestellten internationalen Projektteams schnell produktiv" werden. Das ist Quatsch!

Er kann zwar von allem vielleicht ein bisschen. Von dem einen mehr, vom anderen weniger. Aber er kann es nicht in der Solidität, wie es der Artikel mit seinen pauschalen Forderungen suggeriert, dass er es können sollte.

Hausgemachter Fachkräftemangel

Und so kann ich nur konstatieren: Wenn die Liste des Mitzubringenden im Artikel von Rolf Unterberger wirklich ernstgemeint ist, dann ist der Fachkräftemangel hausgemacht. Solche Fachkräfte kann es nicht geben. Solche Forderungen sind Illusionen von Managern, die wenig Bezug zum Metier der Softwareentwicklung und zu den Menschen haben, die sie entwickeln. Im milden Fall sind solche Manager so stark unter Druck, dass sie keinen anderen Ausweg wissen, als den Druck so an die Anzustellenden weiterzugeben. Im anderen Fall sind solche Manager... nun, ich sage mal... nein, das verkneife ich mir doch.

Fazit: Nicht jeder Karriererat ist ein guter Rat! Nicht jeder Checkliste sollte man folgen. Der gesunde Menschenverstand sollte auch bei der Karriereplanung eingeschaltet bleiben.

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke!!!

Martin

Anonym hat gesagt…

Aus dem Entwickler-Herzen gesprochen

Anonym hat gesagt…

eben auf dem Teppich bleiben

Howard hat gesagt…

Genau SO!!!

Anonym hat gesagt…

Sehr richtig. Und manchmal frage ich mich auch, wie alt man als Software-Entwickler überhaupt werden kann.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Florian: Eine gute Frage: Wie alt kann man als SW-Entwickler werden?

Ganz grundsätzlich: Das ist sicher ein Beruf, den man bis zur Rente ausüben kann. Oder zumindest könnte ;-) Andere Länder zeigen das, in denen SW-Entwickler durchaus älter sind (die man auf Konferenzen sehen kann), als in Deutschland.

Allerdings: Auch wenn die Abwesenheit von körperlichen Anstrengungen und die geistige Stimulation die Softwareentwicklung womöglich geradezu ideal für die Ausübung bis ins hohe Alter machen... der künstliche, gewollte psychische Druck, der in manchen Teams herrscht, fordert Opfer.

Solange solcher Druck existiert, mag Softwareentwicklung tatsächlich eine Arbeit sein, die man nicht zu lange tun möchte. Und damit meine ich gar nicht einmal Todesmarschprojekte, sondern den ständigen Frust der entsteht, wenn Softwareentwicklung gegen unverständige Mauern läuft.

Angesichts ihrer Besonderheiten wie Immaterialität des Produktes und hohem, konstantem Fortbildungsaufwand sowie ständigem "Aufmotzen" wie auch sehr heterogener Ausbildung hat Software es womöglich schwerer als Mathematik oder Maschinenbau oder Grafik/Design oder Buchhaltung, von Softwarelaien verstanden zu werden. Und damit haben es Softwareentwickler viel schwerer, angemessen geführt zu werden. Unangemessene Führung führt aber zu Frust, Burnout, Demotivation. Und die führen zu gesundheitlichen Schäden - oder zumindest innerer Immigration.

Tja... wie lange als Software entwickeln? Das muss jeder selbst entscheiden. Also am besten sensibel sich selbst gegenüber sein und die Augen nach Entwicklungswegen für die Karriere offen halten.

-Ralf

Howard hat gesagt…

Also mein (Ex-)Cheffe hat zu mir mal gesagt. Er hätte noch nie einen Programmierer jenseits der 45 gesehen. (okay das war vor 5 Jahren) Aber ich denke die Zeiten haben sich gewandelt. Wenns keine "neuen" mehr gibt werden die "alten" ebend weiterarbeiten können :-)

Kleiner Hinweis auf ein Gegenmittel zum Vorgesetzten/Auftraggeber Frust:

Meistens entsteht solch ein Frust immer durch mangelndes Vertrauen gegenüber dem EntwicklerTeam. Dieses begründet sich (sehr oft) auf immer wieder nicht eingehaltene Versprechen des Teams was den Release Termin und die damit verbundenen Kosten usw. betrifft. hier nun das geniale (wenn auch nicht einfach zu verstehende) Gegenmittel: Nutzt mehr Softwarezellen Design :-)
Das soll jetzt keine schleimerei dem Webseitenbetreiber gegenüber werden und ich krich dafür auch kein Geld. Ich habe aber selbst die Erfahrung gemacht das, auch wenn der Aufwand zunächst hoch um sich in dieses Thema einzuarbeiten, der Preis ein viel höherer ist. Eingehend mit vernünftiger und tatsächlich einzuhaltender Terminplanung ist auch der Frust beim Zusammenbauen von 50 Dlls am Ende der Projektphase irgendwie wie weggeblasen. (ich kann mich an ein Projekt erinnern da hat das zusammenketten alles DLL's am Ende fast länger gedauert wie die Entwicklung)

Also in dem sinne noch nen erfolgreichen Progger Day :-)

Howard

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Howard: Da hast du Recht, am Vertrauen hängt viel. Die Masterfrage also: Wie Vertrauen aufbauen?

Das geht nicht durch Bitten wie "Vertrauen Sie mir!" ;-) Es geht nur durch Geben und Verlässlichkeit. Zuerst muss man dem, der Vertrauen entwickeln soll, etwas geben, etwas "schenken". Dann mag er irgendwann bereit sein, etwas zurück zu schenken, nämlich Vertrauen.

Was kann man ihm geben/schenken? Vertrauen könnte es sein. Ich vertraue dann als erster, weil ich vom anderen Vertrauen möchte.

Und wenn nicht Vertrauen, dann etwas anderes, dass der, der Vertrauen soll, haben möchte. (Soweit in meinen Möglichkeiten.)

Verlässlichkeit gehört auch zu dem, was man da geben kann. Dafür muss ich aber erstmal schlicht die Möglichkeit haben, Verlässlich im Sinne der Anforderung zu sein.

Wenn ich aber zuviel versprochen habe, dann kann ich unmöglich verlässlich sein. Insofern ist Verlässlichkeit nicht die erste Wahl für ein Geschenk.

Was habe ich aber immer "unter Kontrolle"? Zum Beispiel Ehrlichkeit/Offenheit. Die ist nur von mir abhängig. Bevor ich also etwas verspreche und verlässlich sein sollte, sollte ich ehrlich sein. Das (!) ist das größte, Vertrauen aufbauende Geschenk.

Ehrlich in Bezug auf meine Fähigkeiten, ehrlich in Bezug auf meine Einschätzungen. So sollten Chef und Teammitglied sich verhalten, um Vertrauen zueinander zu gewinnen.

Zu den Softwarezellen: Ich freue mich, dass dieser Denkansatz (heute: Systemorientierte Programmierung) dir soviel gebracht hat.

Ich hoffe aber, dass du nicht einen hohen Preis gezahlt hast, sondern viel Gewinn damit eingefahren hast ;-)

Und ich bin doch etwas betrübt, wenn du sagst, die Integration hätte soviel Mühe gemacht. Das soll eigentlich nicht sein.

-Ralf

Howard hat gesagt…

Offensichtlich hab ich mich wohl falsch ausgedrückt. Also mit dem Softwarezellen Modell hatte ich weder Probleme was das zusammenketten von Modulen (Dll's) noch was das Zeitmanagement betrifft. Alles ist suuper gelaufen. Früher ja früher da war es schwer. Da hat es lange gedauert bis man das Release fertig hatte.

Was ich mit hohem Preis meinte war das mann erstens einen hohen Preis erhät durch das tolle Ergebniss aber auch einen bezahlen muss für die einarbeitung in das Thema Softwarezellen denn DAS ist nicht mal ebend mit einer Seite lesen getan.

Ich hoffe nu wars verständlicher und alle die das lesen haben Lust auch umzusteigen ....

Howard

Anonym hat gesagt…

Diese seltsamen Anforderungen sind mir in letzter Zeit auch schon öfters begegnet, da ich mich gerade nach was Neuem umschaue.

Zuallererst natürlich, dass so viele Firmen Berater suchen, dass ich mir überlege, wen die alle beraten und wer dann übrig bleibt um zu arbeiten. Zugegebenermaßen ein klein wenig übertrieben, aber es ist in der Tat ein Übermaß an Angeboten für Berater. Oder Consultants, da man ja nur professionell arbeitet, wenn man alle Berufbezeichnung in Englisch benutzt.

Dann kommen die Firmen, die flexible, dynamische, motivierte Mitarbeiter suchen, oft gepaart mit flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Wobei ich die Tatsache, dass das bei Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern besonders herausgestellt wird, besonders seltsam finde. Kürzlich habe ich auf einer Firmenhomepage ein Video gefunden, mit welchem die Firma neue Mitarbeiter anlocken wollte (unter anderem auch über YouTube). Besonders stolz war man darauf, dass alle in einem einzigen (riesigen) Büro arbeiten und auch der Chef die Post entgegen nimmt. Klingt für mich irgendwie nach Jeder-macht-alles-Kultur.

Das wichtigste Argument mancher Firmen ist die schöne Gegend, "wo andere Urlaub machen" oder die Metropolregion. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass da überhaupt nicht richtig überlegt wird, was wirklich wichtig ist. Und dann wundern sich die Firmen, dass die Leute es anders sehen.

Aber auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern sind manche Firmen ziemlich einfallslos. Da werden unbezahlte Überstunden gefordert (ohne Projektdruck), die Wahl der Arbeitsmittel wird nach Kostengesichtspunkten beurteilt und nicht nach Zweckmäßigkeit. Oder die Notwendigkeit von softwaretechnischen Gegebenheiten, wie Softwarearchitektur, Unittests etc wird ignoriert, weil „der Kunde es ja nicht zahlt“. Nur was der Kunde JETZT zahlt, wird gemacht, unabhängig davon, ob andere Erweiterungen sinnvoll und verkaufbar sind. Also lieber einen Manntag, den der Kunde zahlt, als 3 Manntage, von denen der Kunde jetzt 1 zahlt und die Firma später mehrfach profitiert. Und natürlich muss jede Tätigkeit überwacht werden. Da finde ich das Interview mit Tom DeMarco im neuen Objektspektrum interessant. Wenngleich es auch eine Weile dauert, das zu durchdenken, finde ich seine Aussage für interessant. Die These, dass Metriken und Projektüberwachung nicht alles ist, sondern eher für „bedeutungslose Projekte“ geeignet, ist sicher nicht jedermanns Geschmack.

Ich denke, auch deine Kolumne in der DotnetPro ist in dieser Richtung unterwegs. Nach meiner Erfahrung wird das Üben zu oft in die Privatsphäre der Mitarbeiter verlegt. Es wird erwartet, dass der Mitarbeiter sich in seiner Freizeit weiterbildet. Und zwar in den Bereichen, die der Firma nützen. Ich war da auch auf mich allein gestellt als ich die Zertifizierung für Softwarearchitektur gemacht habe. Es wurde gerade mal die Prüfung bezahlt, welche ich natürlich in meinem Urlaub abgelegt habe. Dafür wird jetzt ein 2-Stunden-Vortrag erwartet, damit sich das Wissen verbreitet. Für die Prio.Conference ist übrigens kein Geld vorhanden.

Ist der Fachkräftemangel hausgemacht? Ich denke ja. Es fehlt an der Einsicht, dass man nicht Superleute für wenig Geld/Gegenleistung/Wertschätzung… haben kann. Die Softwareentwicklung ist trotz allem noch immer ein kreativer, experimenteller Prozess, welchen man nur schwer überwachen kann. Da stimme ich Tom DeMarco zu.

Heiko

Anonym hat gesagt…

Hallo Ralf,
ein sehr schöner Artikel.
Die Menschlichkeit, die in all Deinen Software-Artikeln zu finden ist, macht Deinen Blog so einzigartig.
Jörg aus München

Anonym hat gesagt…

Ein Blogposting, welches etwas beschreibt das mich auch schon eine weile beschäftigt, vorallem weil wir auch noch Entwickler suchen und ich mir Gedanken mache "Wie finden?"

In dem SIGS-DATACOM Artikel stehen ja ein ganzer Haufen nicht fassbarer Werte drin. Jeder interpretiert diese Werte anders und das einzige was man damit erreicht ist es die Entwickler die man vielleicht gerade sucht so zu verunsichern, dass sie sich gar nicht erst melden.

In meinem Augen sollten man gerade in unserem Bereich eine Anzeige weniger zum Filtern als mehr zum locken nutzen.

Anzeigen wie "Wir bieten Ihnen..." liest man doch eher als "Wir erwarten von ihnen (schwammige Eigenschaften)".
Klar gibt es auch harte Anforderungen, die sollten man dann aber auch konkret und nicht schwammig unterbringen.

Das einzige Problem ist , dass das mehr zeit kostet als einfach Bogen möglichst automatisiert auszuwerten. Aber es ist eben auch keine leichte Aufgabe sich ein gutes Team (über Jahre hinweg) aufzubauen.


Gerade deswegen sollte man aber eher Entwickler motivieren sich zu melden und etwaige Probleme Vorort persönlich klären um dann zu sehen ob es eine Lösung gibt.
Vorallem erlebt man dabei den Menschen selbst und kann so auch wesentlich besser für sich über Dinge wie Teamfähigkeit, Persönlichkeit usw entscheiden, alls wenn man auf einem schreiben liest "Ich bin ziemlich Teamfähig"

Da momentan das Angebot der Entwickler bei weitem nicht den Bedarf deckt sollte muss man einem guten Entwickler aber auch etwas bieten.

Und genau da kommt zum tragen, dass man durch eine gute Arbeitsumgebung mehr Entwickler langfristig gewinnen kann ohne die ganz großen Gehälter bieten zu müssen.

Und dazu gehört meines erachtens auch Softwarequalität. Wenn ich mich irgendwo bewerben würde und sehe, dass eine Firma organisiert Software entwickelt und sich dazu auch noch um die Arbeitsumstände der Entwickler sorgt, wäre das ein sehr großer Pluspunkt.

Insofern meine Theorie: Qualität sorgt für mehr und bessere Entwickler in einem Konstruktiverem Umfeld.

Anonym hat gesagt…

Ich möchte dem noch hinzufügen, dass all diese Fähigkeiten bzw. Skills für ein Gehalt verlangt werden, das sich nicht im wesentlichen von dem eines Tischler-Meisters o.ä. unterscheidet und m.E. auch in den letzten 5 bis 10 Jahren nicht wesentlich gestiegen ist.

Wer möchte zu 100% Reisebereit sein, dann einen Vertrag mit einer 48-Stunden-Woche bekommen und am Ende mit 45-50k € enden?

Unknown hat gesagt…

Also ich kann den bisherigen Aussagen nur zustimmen das dies ein gelungener Post ist (wie eigentlich immer).

Meiner Meinung nach ist der Fachkräftemangel schon selbstgemacht wobei es allerdings nicht einen Schuldigen gibt. Solche (überspitzten) unrealistischen Voraussetzungen (22 Jahre, reisebereit, Kentnisse : alles was der Markt kennt + 5, gutaussehende, psychisch belastbar am besten ohne funktionierende Amygdala und möglichst preisgünstig) können sicherlich die Wenigsten erfüllen.

Die Firmen erwarten von den Hochschule Absolventen, die dies alles mitbringen. Als wären sie Produktionsstätten von 150% Leistungsmaschinen. Aber die wenigsten wollen die Hochschulen dabei unterstützen sondern nur die Früchte ihrer Arbeit "abgreifen". Firmen sollten eng mit den Hochschulen zusammenarbeiten um beizeiten die Studenten aufzubauen und ihnen ein möglichst realitätsnahes Bild der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu vermitteln. Aus meiner Erfahrung gibt zwischen Theorie und Praxis eine immense Differenz.

Ich finde in den meisten (Beratungs-)Projekten ist die Erfahrung der Beteiligten der Schlüsselfaktor. Wobei ich damit nicht nur technische oder fachliche sondern gerade auch soziale Erfahrung meine.

Gerade junge Menschen brauchen ein Umgebung die ihnen den Erfahrungszuwachs ermöglicht so dass sie ihr Potential ausbauen können.

Auf der Bildungsseite ist es traurig zu sehen das Informatik noch kein Pflichtfach in den Schulen ist. Die Differenz zwischen Verstehenden und Konsumenten von Technologien wird immer größer und somit auch immer schwieriger zu beheben.

Und in den Hochschulen (zumindest meiner und dies ist 2,5 Jahre her) war die einzige (hochschulbezogene) sozialkompetenzstärkende Maßnahme, das Bier im Stundentenclub mit den Komilitonen eines Semester Projektes.

Somit sehe ich die Ursachen sowohl bei Staat, Bildungsinsituten und auch der Wirtschaft.

Des Weiteren die (leider) gesellschaftlich stark verbreitete Ansicht immer das beste sofort haben zu wollen. Mensch entwickeln sich nunmal und das braucht Zeit (und natürlich die Möglichkeiten dazu).

Ich finde in der aktuellen (Consulting)Welt ist viel zuviel mechanistisches Industrialisierungsdenken und zuwenig Nachhaltigkeit in Bezug auf die beteiligten Personen vorhanden.

Irgendwie ist es wie immer. Alle jammern aber kaum einer tut etwas. Dabei wäre es das sinnvollste alle Parteien würden zusammenarbeiten um das Projekt "Fachkräfteaufbau" anzupacken und hoffentlich erfolgreich abzuschließen.

Nunja dies ist ein typisches Stammtischthema über das man sicherliche mehrfach abendfüllen unterhalten könnte.

Anonym hat gesagt…

Etwas verspätet zum Thema aber gerade erlebt:
"Normalerweise laden wir Leute in Ihrem Alter gar nicht mehr zum Vorstellungsgespräch ein..." Das war als Kompliment gemeint meine doch möglicherweise persönlichen Eignung betreffend. Mit Baujahr 60 (voriges Jahrtausend) verursache ich den Fachkräftemangel organisiert mit indem ich Erfahrung und Entwicklungslust hinter meiner biologische Alterung verberge. Zum Glück gibt's da noch keine Zugangsbeschränkungen im InterNetz, sonst kennte ich den "One Man" ja nur aus der Zeitung(ich bin einer von 10000).

Anonym hat gesagt…

Sie Suchen einen Softwareentwickler?
Meine Anforderungen:
-ein deftiges Gehalt 100.000€ pro Jahr aufwärts
-ein jährliches Budget von 50.000€ für Arbeitsutensilien/Fortbildung
-flexible Arbeitszeiteinteilung
-Dienstwagen
-Überstundenzuschlag

von Vorteil wären:
-Massageraum für die Entspannung zwischendurch
-eine gute Mensa mit Frühstück,Mittagessen und Abendbrot incl.

ich biete:
-ein noch nicht ganz abgeschlossenes Studium in Informatik
-durchschnittlichen Studiendauer
-ein Notendurchschnitt der sie sicher nicht vom Hocker haut
-Ich bin manchmal nicht ganz bei der Sache, aber kann dies ganz gut überspielen
-Ich arbeite immer erst auf den letzten Drücker, aber das fällt niemanden auf. Da ich dann doch irgendwie noch fertig werde.
-Ich arbeite relativ unstruckturiert
-die Aussichten, dass ich von Zeit zu Zeit besser werde
-Motivation und Interesse

Senden sie ihre Bewerbung bitte an motiviert@arbeit.de

Ein doch lieber anonymer Fan