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Freitag, 23. November 2007

Die Steigerung des Superlativs - oder: Rekursive Veranstaltungsprofilierung

Gerade flatterte mir der Flyer der nächsten Auflage eines bekannten deutschen .NET-Entwicklerevents ins Haus. Dass es in 2008 noch andere Veranstaltungen neben dem Hypermegasuperevent von Microsoft Deutschand anlässlich des Launch von VS2008 & Co geben könnte... das hatte ich schon fast nicht mehr auf dem Zettel.

Und auch der Veranstalter schien Mühe zu haben, sich mit der "Übermacht" zu arrangieren. Was bleibt denn auch noch zu sagen, wenn Microsoft drei Tage lang ein Feuerwerk zu .NET 3.5, VS2008, SQL2008, Windows Server 2008 und auch noch Sharepoint abfackelt? Da fällt die Profilierung auch eines etablierten technologieorientierten Events schwer.

Aber... der Veranstalter hat für sich einen Weg gefunden. Gibt es doch nichts Gutes, was nicht noch besser werden könnte, oder? In der Vergangenheit hat das ja auch schonmal funktioniert. Früher, in den 1990ern, da ging es bei Entwicklerveranstaltungen "nur" um Technologien und vielleicht mal um "Tipps und Tricks". Das war dann in den Jahren nach 2000 nicht mehr genug. Mehr Events stellten mehr Technologien vor. Wie also sich profilieren? Klar, Technologien kann jeder - aber nicht jeder kann sie auch wirklich gut einsetzen, hat wirklich, wirklich Erfahrung mit ihnen. Wohl also dem, der die besten (!) Wege zu ihrem Einsatz vermittelt. Und schon waren nicht mehr einfach nur Technologievorträge auf den Entwicklerveranstaltungen angesagt, sondern "Best Practice"-Demonstrationen. Ging es vormals um den Einsatz oder vielleicht sogar guten/richtigen Einsatz von Technologien, so zeigte man nun nicht weniger als ihren besten! Auf gut folgte also nicht besser, sondern gleich am besten. Wer will sich auch schon mit dem Komparativ abgeben, wenn man doch den Superlativ in der Tasche hat?

Nur, was kommt nach dem Superlativ? Früher wurde der Begeisterung mit Qualifikationen wie "toll" und "super" Ausdruck verliehen. Darauf folgte dann in den 1990ern "mega". Für die Zukunft bieten sich "giga", "tera" und "peta" an ("hyper" ist nicht wirklich salonfähig, oder?); um 2057 werden die Medien deshalb wohl vom "Peta Musikevent des Jahrtausends" berichten, wenn die altersgreisen Jungs (?) von Tokio Hotel auf die Bühne gerollt werden - oder so.

Die Veranstaltungen für die .NET-Community dürfen diese Entwicklung natürlich nicht an sich vorüberziehen lassen. Profilierung tut Not. Mit Microsoft Elefantenevent und auch ohne. Mit einem simplen "giga", "tera" usw. zur Qualifikation des eigenen Programms ist es aber natürlich nicht getan. Das wäre für diese Branche zu naheliegend. Der findige Veranstalter, dessen Flyer ich ins Haus bekam, hat sich daher eine ganz andere Strategie zur Steigerung einfallen lassen.

Seine Agenda enthält nicht mehr nur "Best Practice"-Vorträge. Nein, bei ihm gibt es jetzt... "Best of Best Practices"! Der grammatikalische Superlativ wurde durch eine Anwendung auf sich selbst auf eine neue Ebene gehoben: Das Beste vom ohnehin schon Besten wird es zu sehen und zu hören geben!

Welch ein Einfall! Er ist der Branche wahrlich würdig! Denn die Anwendung des Besten auf das Beste ist ja quasi eine Rekursion: p2008 = Best(Best(p2007));

Damit ist auch die ultimative Formel für alle Zukunft gefunden. Es gibt nun kein Profilierungsproblem mehr. Denn die Formel lautet für 2009 ganz einfach: p2009 = Best(Best(Best(p2007))); Ende nächsten Jahres werde ich also wohl einen Flyer im Postkasten haben, auf dem steht "Best of Best of Best Practices". So ist man Microsoft - und allen anderen - immer einen Schritt, äh, eine Rekursion voraus. Brilliant! Beneidenswert!

Oder...

Vielleicht auch nicht. Denn eine (grammatikalische) Steigerung bedeutet ja auch immer eine Filterung. Die Menge des Besten - wie z.B. in Best Practice - ist immer eine Untermenge des Vorhandenen oder des schon Guten. Wenn dann vom Besten wieder nur das Beste genommen wird... dann schrumpft die Menge weiter.

Was bedeutet das für einen Event, der im Umfang ja aber nicht schrumpfen will und kann? Es bedeutet, dass er eben nicht wirklich dem Motto "Nur das Beste vom Besten" treu sein kann. Schade.

Schade, dass die Profilierung nur über eine Steigerung versucht wird. Das ist wie bei den "Rabatt" und "Sonderpreis" und "Sale" Schildern in den Schaufenstern allerorten heutzutage. Nur der Preis zählt. Nur die besten Best of Best Practices zählen. Als gäbe es nichts außer Best Practices - von denen wir ja übrigens schon seit knapp 3 Jahren zum Thema VS2008 aka Oracs hören. Irgendwann müssen sie doch mal alle vermittelt worden sein die Best Practices und damit auch die Best of der Best Practices, oder?

Aber ich verstehe schon. "Best Practices" hört sich ja auch für die Zielgruppe immer wieder, immer noch höchst attraktiv an. Wer will denn schon selbst durch die Niederungen des Technologiekompetenzerwerbs gehen? Besser, man kann auf dem Erfahrungsniveau von Best Practices einsteigen. Und noch besser, man kann bei den Best of Best Practices einsteigen. Oder?

Am Ende aber... können auch Best of Best of Best of Best of Practices die eigene Erfahrung nicht ersetzen. Und sie leisten auch immer noch nicht den Transfer auf das eigene Projekt. Denn gewöhnlich werden selbst die Best Practices relativ zusammenhanglos, eben technologieorientiert dargestellt.

Ich würde also sagen: "Best Practices" sind genug. Der Superlativ darin reicht aus. Auf sie nochmal ein "Best of" zu setzen, ist unnötig und verwirrend. Es leistet einem quantitativen Denken Vorschub, das wir hinter uns lassen sollten. Wir brauchen nicht mehr, sondern Anderes. Wir brauchen neue Qualitäten, nicht größere Mengen. Innovationen stecken also leider nicht in "Best of Best of...".

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist eben der Zug der Zeit Kompetenz-Kompetenz ist angesagt, oder? Deshalb wohl auch Best-of-best-practice