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Samstag, 1. März 2014

Vertragsstrafe einmal anders

imageWer einen Vertrag verletzt, der wird bestraft – auf die eine oder andere Weise. Ohne Konsequenzen wären Verträge so nützlich, wie elterliche Ermahnungen an schreiende Kinder vor dem Süßigkeitenregal im Supermarkt, wenn am Ende doch der Schokoriegel gekauft wird, damit endlich, endlich Ruhe ist.

Ob Verträge schriftlich sind oder nicht, ist unerheblich. Sie entstehen schon durch eine mündlichen Abrede über Leistung und Gegenleistung.

Soweit alles ganz normal und grundsätzlich nützlich. “Einklagbare” Verträge sind ein Fundament unserer Zivilisation seit Jahrhunderten. Schon die Römer sagten: pacta sunt servanda.

Wie jedes System kann aber auch dieses pervertieren. Dann tritt der eigentliche Zweck in den Hintergrund. Der Vertrag wird dann zu einer Art Ersatzbefriedigung – und mit der Zeit zu einem Suchtmittel. Das scheint mit zunehmend der Fall.

Unsicherheit herrscht allerorten. Wie wird die Zukunft? Kann man der anderen Seite vertrauen? Das sind Fragen, die alle Parteien im Geschäftsleben ständig umtreiben. Die Lösung scheint dann in wasserdichten schriftlichen Verträgen zu liegen. Ha! Damit hat man dann alles im Griff. Vor allem die Gegenseite. Die muss dann liefern. Und wenn nicht, dann setzt es was.

Was für eine Illusion! Was für eine Behinderung!

Wie gesagt, in Maßen eingesetzt, helfen explizite Verträge zu klären. Aber was ich in letzter Zeit erlebt habe, sprengt aus meiner Sicht dieses sinnige Maß.

Allerorten werden mit Geheimhaltungsverträge vorgelegt, nur weil ich ein inhouse Training mache. Immer wieder aber sind es auch Verträge über eine Trainingsmaßnahme oder einen Beratungsauftrag. 5, gar 10 Seiten mittelgroß beschrieben gilt es dann zu prüfen. Denn die Arbeit einer Rechtsabteilung eines Kunden kann ich ja nicht in treuem Glauben einfach so unterzeichnen. Solche Verträge werden ja nicht mit mir schrittweise ausgehandelt, sondern mir vorgesetzt. Also muss ich sie zuerst verstehen, dann ggf. nachverhandeln. Das kostet mich nicht nur Mühe – das ist auch ganz grundsätzlich ohne Sinn und Verstand.

Denn worüber reden wir hier? Über einen Rüstungsauftrag? Über Millionenprojekte?

Nein, wir reden über sehr persönliche Beziehungen zwischen Kunden und mir. Mein Arsch ist immer in der Schusslinie. Das bedeutet: Wenn ich Mist baue, dann bin ich raus. Das ist die immer drohende Konsequenz bei meinen Einsätzen. Schon deshalb bemühe ich mich, einen guten Job zu machen. Aber natürlich auch noch aus anderen Gründen.

Da ich keine Rechtsabteilung als “eh da”-Kosten in meinem Budget habe, empfinde ich diese Verträge als zunehmend belastend. Konzerne (und auch kleinere Unternehmen) versuchen damit eine bürokratische Pseudosicherheit herzustellen, die nichts, aber auch gar nichts zur Sache – z.B. Clean Code oder Teamoptimierung – beiträgt.

Und deshalb ist nun Schluss damit. Nicht nur Datenkraken greifen um sich, sondern auch Vertrags- und Bürokratiekraken. Das nehme ich nicht länger hin.

Verändern kann ich diese Unternehmen natürlich nicht direkt. Aber ich kann mit ihnen reden. Manchmal hilft das schon: Wenn ein Geschäftspartner von Vertrag spricht, dann sage ich “Nein, danke. Ich brauche keinen.” Ein solches Beispiel ist developer media, mit denen ich ein Seminar zum Thema Softwarearchitektur und zusammen mit Andrea Kaden eines zum Thema Zeitmanagement mache.

Dort wollte man mir zum Abschluss der Planungsgespräche einen Vertrag schicken – und ich habe Nein gesagt. Das fand man völlig ok. Sehr schön. Interessanterweise gab man dann auf Nachfrage an, dass insbesondere junge Trainer einen Vertrag wollten. Das hat mich gewundert. Ich hatte gedacht, dass junge Menschen eher informell arbeiten wollen.

Was aber, wenn das Gespräch nichts nützt? Dann erhebe ich eine Vertragsunterzeichnungsgebühr von 300 EUR zzgl. MwSt pro schriftlichem Vertrag. Die ist leider nötig, weil ich Verträge ja auch meinem Rechtsanwalt vorlegen muss, um auf Augenhöhe mit dem Vertragspartner zu sein. Das ist doch verständlich, oder?

Und wenn nicht, dann darf man das gern auch als eine widerständige Reaktion sehen. Ich will mich einfach nicht jedem System anpassen müssen, das kontraproduktiv handelt. Mir fehlt schlicht das Vertrauen, dass so eine Maßnahme wirklich, wirklich wichtig und zu beiderseitigem (!) Vorteil ist. Bis zum Beweis des Gegenteils sind solche Verträge, wie sie mir in meiner Arbeit begegnen, parasitäre Erscheinungen von Subsystemen – Rechtsabteilung, Einkauf, Geschäftsleitung… –, die über das Ziel hinausschießen. Da geht es nicht mehr um eine sinnvolle Klärung, sondern platt ums “Arsch absichern”.

Gerade erst habe ich von einem Fall gehört, wo ein externer Trainer einmal etwas über ein Unternehmen “ausgeplaudert” hat – und das den Weg in die falschen Ohren gefunden hat. Da war es vorbei mit der Ungezwungenheit. Fortan müssen nun alle externen Trainer 3 Seiten Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben.

Und was bringt die? Nichts. Durch die 3 Seiten wird niemand ein besseres Gedächtnis bekommen, um sich zu erinnern, was er nicht ausplaudern sollte. Niemand bekommt einen besseren Maßstab für sensible Daten. Vor allem aber enthält die Vereinbarung keine (!) Konsequenzen bei Zuwiderhandlung. Jedenfalls keine jenseits dessen, was ja ohnehin passieren würde: die Aufkündigung der Zusammenarbeit.

Nein, ich will die Pseudosicherheit von Verträgen nicht länger unterstützen. Als Signal “an das System” sende ich deshalb etwas, das Unternehmen verstehen: Kosten. Wer Verträge will, bekommt sie – muss dafür aber bezahlen. Dann kann sich “das System” überlegen, ob es sich lohnt, die Pseudosicherheit aufrecht zu erhalten.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, Ralf Luther King von Majdanowski, nieder mit dem Establishment, nieder mit der Herrschaft der unterbezahlten Juristen!

Hannes Preishuber hat gesagt…

Wir sind eben auf dem Weg in eine perfekte Welt. [Sarkasmus]

Verträge sind wichtig, zweimal. Die Dokumentation des Willens beim Abschluss und wenn man sich streitet.
Persönlich und subjektiv ändert sich die Einstellung der Vertragspartner immer mehr. Früher galt vereinbartes und schloss auch unausgesprochenes mit ein. ( wir beide wissen wovon wir sprechen)
Heute versucht man nur die eigene Position kurzfristig zu sichern.
Ich finde es nicht gut, aber es ist eine Rahmenbedigung der wir als ppedv uns nicht erwehren können.
Ganz nebenbei zerfallen die Verträge vor Gericht ohnehin fast immer. Je mehr man reinschreibt, desto mehr Konflikt Potential.

Anonym hat gesagt…

Hallo Ralf,
vielen Dank fuer deine Infos im Blog!
Vertraege koennen die Realitaet der komplexen evtl. auch virtuellen IT-Welt gar nicht mehr abdecken.
Es gibt keinen meiner 4 direkten + 30 anderen Kollegen, die am Stueck ihre Arbeit bewaeltigen koennen. Die meiste Zeit muessen diese mit Klaerungen u. Rueckfragen verbringen, weil nicht mehr das geliefert wird, was erwartet wird. Da nuetzen auch die Vertraege nix. Es ist Wahnsinn, was da fuer ein Wandel in der Arbeitsweise vor sich geht. Meine Hand fuer mein Produkt gilt leider auch schon lange nicht mehr.
Gruss
Andreas

Michael hat gesagt…

Ich bin zwar kein Anwalt, aber wenn jemand (schriftlich) ein Angebot für eine Beratung macht, dabei ggf. auf seine AGBs verweist, und das Angebot dann (ebenso schriftlich) angenommen wird, besteht doch nach meinem Rechtsverständnis ein Vertrag. Den meisten Unternehmen, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte, reicht das völlig. Die Verträge, die in dem Blog-Beitrag gemeint sind, sind doch wohl Indidualverträge, die einer individuellen Prüfung bedürfen - und die kann man vielleicht so abwehren, wie hier geschildert.

Das dumme ist nur - nicht bei jedem Kunden kommt das möglicherweise gut an. Wenn man in der Branche so etabliert ist, dass man sich seine Lieblingskunden herauspicken kann, kann man möglicherweise so agieren, aber nicht jeder ist in einer solch starken Position.

Als Alternative: wenn ein Unternehmen unbedingt "mehr" will als nur ein Angebot + schriftliche Annahme, lässt es sich vielleicht ja auch auf einen Dienstleistungsvertrag nach "EVB-IT" ein. Die "Einkaufbedingungen des Bundes" sind allgemein anerkannt, standardisiert und erstaunlich "dienstleisterfreundlich".