Follow my new blog

Mittwoch, 14. August 2013

Vom Nutzen und Nachteil (technischer) Schulden

Gerade habe ich einen Beitrag von Norbert Eder zum Thema “Technische Schulden” (technical debt) gelesen. Er fragt, wer denn schuld sei an den Schulden.

Sich darüber Gedanken zu machen, finde ich nicht falsch. Aber wie bei anderen Artikeln zum Thema erscheint mir die Darstellung leider einseitig. Vielleicht entspricht das der aktuellen Stimmung im Land, die vieles was mit (Geld-)Schulden zu tun hat, sehr skeptisch sieht?

Doch wir sollten uns von diesen großen Problemen mit Schulden nicht ins Bockhorn jagen lassen.

Schulden sind nicht per se schlecht.

Die Möglichkeit, Schulden machen zu können, ist vielmehr die Grundlage für eine entwicklungsfähige Zivilisation.

Was sind Schulden?

Schulden sind eine Vorwegnahme von Möglichkeiten. Eigentlich habe ich heute eine gewisse Möglichkeit nicht - aber indem ich Schulden mache, habe ich sie dann doch.

Beispiele:

Ich kann mir heute kein Auto kaufen, weil ich nicht genug Geld habe? Dann leihe ich mir Geld - ich mache Schulden - und kann mir doch ein Auto kaufen. Später zahle ich das Geld zurück.

Oder: Eigentlich habe ich keine Zeit, spät nachts einen Film zu schauen. Ich müsste schlafen, um morgen fit zu sein. Aber ich schaue doch den Film, nehme also “Zeitschulden” auf, die ich morgen zurückzahle. Entweder Zahle ich sie morgen durch längeren Schlaf zurück. Oder ich zahle sie in Form von weniger Fitness zurück.

Oder: Wenn ich lange gesund leben will, sollte ich z.B. nicht rauchen. Wenn ich es doch tue, dann habe ich jetzt vielleicht mehr Lebensqualität - die ich später aber mit weniger oder gar keinem Leben bezahle.

Solche Ermöglichungen im hier und jetzt haben natürlich ihren Preis. Jetzt Geld, Aufmerksamkeit, Lebensqualität zu haben, kostet in der Zukunft Geld, Aufmerksamkeit, Lebensqualität. Und zwar mehr als ich jetzt bekomme.

Aber das mag es mir ja wert sein. Aus welchen Gründen auch immer.

Wer Schulden macht, handelt ökonomisch.

Schulden eröffnen Chancen

Viele Chancen im Leben erfordern mehr Möglichkeiten als wir gerade haben. Wenn wir sie wahrnehmen wollen, müssen wir Schulden machen.

Beispiele:

Nur wenn ich jetzt ein Auto habe, kann ich einen bestimmten Job bekommen, der mir die Chance auf eine Karriere bietet. Wenn ich keine Schulden machen kann, geht mir die Chance durch die Lappen.

Eigentlich will ich nach Hause gehen, um zu schlafen, damit ich morgen Fit bin im neuen Job. Aber da begegnet mir eine tolle Frau: das ist eine Chance auf schöne weitere Stunden oder gar eine glückliche Partnerschaft. Wenn ich jetzt keine Schulden bei meiner Energie und Aufmerksamkeit machen kann, geht mir diese Chance durch die Lappen.

Während die Rückzahlung von Schulden meist in derselben Währung stattfindet, liegen die Chancen eher in anderen Bereichen. Aus Geld-Schulden wird eine Karriere, aus Energieschulden wird Verliebtheit, aus Nikotinabhängigkeit wird Gemeinschaftsgefühl.

Wer Schulden macht, der sucht sein Glück.

Auf das Maß kommt es an

Alles hat sein bekömmliches Maß, auch Schulden.

Schulden machen zu können, also ökonomische Entscheidungen durch die Verschiebung von Möglichkeiten in Bezug auf sein Glück treffen zu können, das ist grundsätzlich eine gute Sache.

Doch wenn man das unbedacht tut, dann kann man sich auch ins Unglück stürzen. Das passiert, wenn man seine Kapazität zur Rückzahlung von Schulden überschätzt. Nicht bei jeder Schuld ist auch klar, wie hoch ihr Preis ist.

Bei einem Kredit für´s Auto ist der Preis klar, aber die Entwicklung der Karriere vielleicht nicht. Beim Zigarettengenuss ist weder der genaue Preis, noch die Entwicklung der “Rückzahlungsfähigkeit” klar.

Man tut also gut daran, genau hinzuschauen, welche Schulden man wann zu welchem Preis aufnimmt.

Und man tut gut daran, die Rückzahlung zu planen, damit sie einen nicht zur Unzeit erwischt. Gewöhnlich steigt auch der Preis der Schulden, je länger die Rückzahlung aufgeschoben ist. Der Schuldiger fordert sein Recht; die Schuld, die Ermöglichung heute geht auf seine Kosten. Sei das eine Bank oder der eigene Körper.

Schulden erfordern Bewusstsein und Maßhaltung

Technische Schulden

Für technische Schulden gilt natürlich dasselbe wie für alle anderen Schulden auch.

Technische Schulden sind nicht schlecht. Sie machen vielmehr eine Werteabwägung zum Wohle eines größeren Ganzen möglich; sie gehören in den ökonomischen Werkzeugkasten jedes Entscheiders in der Softwareentwicklung.

Wie alle Schulden, sollten auch technische allerdings nur bewusst und in Maßen aufgenommen werden. Der Rückzahlungsplan sollte von Anfang an klar sein.

Wer heute sich durch Entscheidungen für suboptimale technische Qualität die Möglichkeit zu einer früheren Präsentation oder geringen Kosten erkauft - der muss gewahr sein, dass diese Schuld zurückgezahlt werden muss. Wieviel, wann und an wen soll gezahlt werden?

Wer daran nicht denkt, der bekommt immer zum ungünstigsten Zeitpunkt Besuch vom Schuldeneintreiber. Sie kennen das aus vielen Krimis. Und dann ist die Panik groß. Dann beginnt das Bitten und Betteln. Doch der Schuldeneintreiber ist immer gnadenlos. Er mag etwas Aufschub gewähren - doch am Ende muss gezahlt werden. Und zwar niemals weniger als ursprünglich geschuldet.

Also:

Technische Schulden sind nicht böse - solange Sie damit sinnig umgehen.

Aber kennen Sie Ihr Maß. Lassen Sie sich nicht verleiten. Denken Sie vom ersten Tag an die Rückzahlung.

Und vermeiden Sie wie auch sonst im Leben, alte Schulden mit neuen Schulden zu begleichen.

Keine Kommentare: