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Donnerstag, 22. August 2013

Kinderleicht eine Programmiersprache lernen – Das Nostalgie-eBook

imageIch hatte das Buch echt vergessen, das ich 1985 geschrieben hatte. Jetzt ist es mir beim Ausmisten meiner Regale in die Hand gefallen. 220 Manuskriptseiten ausgedruckt auf einem Nadeldrucker. Wahnsinn!

Damals war ich noch beseelt vom Informatikunterricht in der Schule, den ich zwei Jahre zuvor mit dem Abi hinter mir gelassen hatte. Und seitdem war ich mächtig auf einem Apple II mit Z-80 Karte und CP/M zugange. Dort konnte ich mit Turbo Pascal fortsetzen, was wir auf einer Dietz Mehrplatzanlage mit Bernsteinmonitoren angefangen hatten. Seufz… Sweet memories…

imageSo hatte ich begonnen – zunächst mit meinem Schulfreund Helge Baumann –, eine Anleitung zum Programmieren für Pascal zu schreiben. Die trockenen, eher akademischen Bücher, die ansonsten verfügbar waren, schienen ungeeignet für den Schulgebrauch. Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir im Unterricht auch kein Lehrbuch.

1983 oder so begonnen, dauerte es allerdings bis 1985, um das Werk fertigzustellen. Abitur, Bundeswehr, Studiumsbeginn in Hamburg und Liebeskummer hielten die Arbeit am Manuskript immer wieder auf.

Irgendwie habe ich es dann aber doch geschafft. Nur gelangte der Text dann weder an meine alte Schule, noch zu einem Verlag, der ihn hätte veröffentlichen wollen. Teubner war zwar grundsätzlich interessiert an mir als Autor, nur nicht mit dem Thema und der Form. Und so ist das Manuskript in einem Ordner geblieben und mehrfach umgezogen.

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Das Ziel damals war, eine Einführung in die Programmierung für eine populäre, nicht akademische Programmiersprache zu liefern, die auch den Laien anspricht. Alles sollte ganz einfach und konkret beschrieben werden. In kleinen Schritten.

imageDie Beispielprogramme sollten durchaus ganze Anwendungen sein, nicht nur Algorithmen. Und auch der Entwurf und die Lesbarkeit von Software waren wichtig. Deshalb gibt es viele Struktogramme. Niedlich, oder? Aber das war damals state-of-the-art.

Vor allem aber sollte die Sprache entspannt sein und der Text durch Bilder aufgelockert werden. So finden sich im Manuskript denn auch mehr als 60 liebevoll von Hand gezeichnete Illustrationen.

Die in den Text zu bringen, war 1985 nicht einfach. Da gab es keine Textverarbeitungsprogramme wie Word, auch keinen Scanner, keine Grafiksoftware. Also habe ich im Text beim Schreiben Platz für die Zeichnungen gelassen und sie nach dem Ausdruck direkt aufs Blatt gezeichnet. Wenn ich mir überlege, wieviel Mühe das gemacht haben muss… Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

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Und nun liegt es nach 28 Jahren wieder vor mir. Fühlt sich ein Stück wie ein fremdes Buch an. Aber wenn ich dann drin lese, merke ich natürlich schon, dass das von mir ist ;-) Vieles hat sich seitdem verändert an mir, aber eben nicht alles.

imageSpannend finde ich, dass mir das Manuskript wirklich entfallen ist. Anfang der 2000er, als ich einige Bücher zu .NET und Datenbankprogrammierung geschrieben habe, war mir, als hätte ich noch nie so lange Texte entwickelt.

Heute schaue ich sogar ein wenig neidisch auf mein früheres Selbst. Wie hat der das geschafft, der damalige Ralf, diese Ausdauer aufzubringen? Mir macht es heute große Schwierigkeiten, Texte von mehr als 50-60 Seiten zu schreiben. Dabei wäre das sehr nötig, um mal eine kompakte und kohärente Darstellung von Flow-Design anbieten zu können.

Durch das Schreiben von Artikeln und Blogpostings bin ich aber so auf kurze Texte getrimmt, dass mir immer wieder der Atem für Längeres fehlt. Ich muss mich wohl noch ein bisschen mehr anstrengen. Vielleicht macht mir der Manuskriptfund in einem Regal ja Mut. Oder ich finde eine Form für die Darstellung, die zu meiner Ausdauer passt.

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Nach soviel Schwelgen in Erinnerungen hier nun aber meine ambitionierte Einführung in die Programmierung mit Turbo Pascal. Zum Schmunzeln und als Anregung für Ausflüge in die eigene Vergangenheit.

Mit den heutigen Möglichkeiten ist es nun kein Problem mehr, so ein Manuskript zu veröffentlichen. Ich könnte mittels lulu.com auch in wenigen Stunden ein Papierbuch machen, das “der geneigte Leser” dann online erstehen kann. Wahnsinn, wie weit wir in den letzten 28 Jahren gekommen sind.

imageUnd andererseits… Wahnsinn, wieviel dann doch bei der Programmierung gleich geblieben ist. Die Syntax hat sich verändert - Java, C#, JS statt Pascal –, auch das Programmierparadigma ist anders – objektorientiert statt prozedural – dennoch stehen Menschen, die ins Programmieren einsteigen wollen, vor denselben Problemen. Mit einer Programmiersprache statt mit Hammer oder Pinsel umzugehen, ist eine ganz eigene Herausforderung.

Und da unter den aktuellen Sprachen immer noch grundsätzlich dieselben Konzepte liegen wie damals… Vielleicht könnte der Text dem einen oder anderen Programmieranfänger auch heute noch mit seiner Anschaulichkeit helfen.

Viel Spaß beim Durchblättern!

Pascal - Eine kinderleichte Einführung by Ralf Westphal

P.S. Wer mag, kann übrigens die Einführung online mitprogrammieren. Hier ein Beispiel aus dem Text ausgeführt in der online IDE http://www.compileonline.com/compile_pascal_online.php:

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P.P.S. Natürlich ist mir aufgefallen, dass die Sprache bzw. der Dialekt, mit dem ich damals programmiert habe vom selben Erfinder stammt wie die Sprache, mit der ich heute arbeite. Turbo Pascal wie C# sind von Anders Hejlsberg.

Ob das aber auch für die Sprache gelten wird, mit der ich in 28 Jahren arbeite…? Ich bezweifle es. Abe wer weiß… ;-)

Mittwoch, 14. August 2013

Vom Nutzen und Nachteil (technischer) Schulden

Gerade habe ich einen Beitrag von Norbert Eder zum Thema “Technische Schulden” (technical debt) gelesen. Er fragt, wer denn schuld sei an den Schulden.

Sich darüber Gedanken zu machen, finde ich nicht falsch. Aber wie bei anderen Artikeln zum Thema erscheint mir die Darstellung leider einseitig. Vielleicht entspricht das der aktuellen Stimmung im Land, die vieles was mit (Geld-)Schulden zu tun hat, sehr skeptisch sieht?

Doch wir sollten uns von diesen großen Problemen mit Schulden nicht ins Bockhorn jagen lassen.

Schulden sind nicht per se schlecht.

Die Möglichkeit, Schulden machen zu können, ist vielmehr die Grundlage für eine entwicklungsfähige Zivilisation.

Was sind Schulden?

Schulden sind eine Vorwegnahme von Möglichkeiten. Eigentlich habe ich heute eine gewisse Möglichkeit nicht - aber indem ich Schulden mache, habe ich sie dann doch.

Beispiele:

Ich kann mir heute kein Auto kaufen, weil ich nicht genug Geld habe? Dann leihe ich mir Geld - ich mache Schulden - und kann mir doch ein Auto kaufen. Später zahle ich das Geld zurück.

Oder: Eigentlich habe ich keine Zeit, spät nachts einen Film zu schauen. Ich müsste schlafen, um morgen fit zu sein. Aber ich schaue doch den Film, nehme also “Zeitschulden” auf, die ich morgen zurückzahle. Entweder Zahle ich sie morgen durch längeren Schlaf zurück. Oder ich zahle sie in Form von weniger Fitness zurück.

Oder: Wenn ich lange gesund leben will, sollte ich z.B. nicht rauchen. Wenn ich es doch tue, dann habe ich jetzt vielleicht mehr Lebensqualität - die ich später aber mit weniger oder gar keinem Leben bezahle.

Solche Ermöglichungen im hier und jetzt haben natürlich ihren Preis. Jetzt Geld, Aufmerksamkeit, Lebensqualität zu haben, kostet in der Zukunft Geld, Aufmerksamkeit, Lebensqualität. Und zwar mehr als ich jetzt bekomme.

Aber das mag es mir ja wert sein. Aus welchen Gründen auch immer.

Wer Schulden macht, handelt ökonomisch.

Schulden eröffnen Chancen

Viele Chancen im Leben erfordern mehr Möglichkeiten als wir gerade haben. Wenn wir sie wahrnehmen wollen, müssen wir Schulden machen.

Beispiele:

Nur wenn ich jetzt ein Auto habe, kann ich einen bestimmten Job bekommen, der mir die Chance auf eine Karriere bietet. Wenn ich keine Schulden machen kann, geht mir die Chance durch die Lappen.

Eigentlich will ich nach Hause gehen, um zu schlafen, damit ich morgen Fit bin im neuen Job. Aber da begegnet mir eine tolle Frau: das ist eine Chance auf schöne weitere Stunden oder gar eine glückliche Partnerschaft. Wenn ich jetzt keine Schulden bei meiner Energie und Aufmerksamkeit machen kann, geht mir diese Chance durch die Lappen.

Während die Rückzahlung von Schulden meist in derselben Währung stattfindet, liegen die Chancen eher in anderen Bereichen. Aus Geld-Schulden wird eine Karriere, aus Energieschulden wird Verliebtheit, aus Nikotinabhängigkeit wird Gemeinschaftsgefühl.

Wer Schulden macht, der sucht sein Glück.

Auf das Maß kommt es an

Alles hat sein bekömmliches Maß, auch Schulden.

Schulden machen zu können, also ökonomische Entscheidungen durch die Verschiebung von Möglichkeiten in Bezug auf sein Glück treffen zu können, das ist grundsätzlich eine gute Sache.

Doch wenn man das unbedacht tut, dann kann man sich auch ins Unglück stürzen. Das passiert, wenn man seine Kapazität zur Rückzahlung von Schulden überschätzt. Nicht bei jeder Schuld ist auch klar, wie hoch ihr Preis ist.

Bei einem Kredit für´s Auto ist der Preis klar, aber die Entwicklung der Karriere vielleicht nicht. Beim Zigarettengenuss ist weder der genaue Preis, noch die Entwicklung der “Rückzahlungsfähigkeit” klar.

Man tut also gut daran, genau hinzuschauen, welche Schulden man wann zu welchem Preis aufnimmt.

Und man tut gut daran, die Rückzahlung zu planen, damit sie einen nicht zur Unzeit erwischt. Gewöhnlich steigt auch der Preis der Schulden, je länger die Rückzahlung aufgeschoben ist. Der Schuldiger fordert sein Recht; die Schuld, die Ermöglichung heute geht auf seine Kosten. Sei das eine Bank oder der eigene Körper.

Schulden erfordern Bewusstsein und Maßhaltung

Technische Schulden

Für technische Schulden gilt natürlich dasselbe wie für alle anderen Schulden auch.

Technische Schulden sind nicht schlecht. Sie machen vielmehr eine Werteabwägung zum Wohle eines größeren Ganzen möglich; sie gehören in den ökonomischen Werkzeugkasten jedes Entscheiders in der Softwareentwicklung.

Wie alle Schulden, sollten auch technische allerdings nur bewusst und in Maßen aufgenommen werden. Der Rückzahlungsplan sollte von Anfang an klar sein.

Wer heute sich durch Entscheidungen für suboptimale technische Qualität die Möglichkeit zu einer früheren Präsentation oder geringen Kosten erkauft - der muss gewahr sein, dass diese Schuld zurückgezahlt werden muss. Wieviel, wann und an wen soll gezahlt werden?

Wer daran nicht denkt, der bekommt immer zum ungünstigsten Zeitpunkt Besuch vom Schuldeneintreiber. Sie kennen das aus vielen Krimis. Und dann ist die Panik groß. Dann beginnt das Bitten und Betteln. Doch der Schuldeneintreiber ist immer gnadenlos. Er mag etwas Aufschub gewähren - doch am Ende muss gezahlt werden. Und zwar niemals weniger als ursprünglich geschuldet.

Also:

Technische Schulden sind nicht böse - solange Sie damit sinnig umgehen.

Aber kennen Sie Ihr Maß. Lassen Sie sich nicht verleiten. Denken Sie vom ersten Tag an die Rückzahlung.

Und vermeiden Sie wie auch sonst im Leben, alte Schulden mit neuen Schulden zu begleichen.

Dienstag, 6. August 2013

30 day challenge – Dem Neuen eine Chance

Lohnt sich eine Veränderung? Funktioniert ein Ansatz wirklich? Das können wir oft nicht durch bloßes Nachdenken herausfinden. Attraktivität und Plausibilität sind nett, gar notwendig - aber hinreichend sind sie nicht, damit wir Aufwand für etwas Neues treiben. Deshalb bleibt so manches eine interessante Idee und der Rest einfach beim Alten.

Das ist schade, oder? Denn damit verschenken wir ja Chancen, dass “es” besser wird. Schneller, leichter, angenehmer… das kriegen wir nur, wenn wir uns auf Neues einlassen.

Solchen Verbesserungswünschen steht aber natürlich der Wunsch nach Sicherheit gegenüber. Wir wollen ja durch Neues nichts verlieren, das wir schon haben. Sonst wird es nicht besser, sondern nur anders - und wir haben Aufwand getrieben. Das wäre auch schade, oder?

Verbesserung und Erhalt des Ist-Zustands stehen sich gegenüber. Aber nicht nur im Patt. Denn der Erhalt gewinnt, weil sich durch Inaktivität ja nichts verändert.

Angesichts der Ungewissheit, ob die Implementierung einer Idee wirklich zu Verbesserungen führen würde, und der Verständlichkeit des Erhaltungswunsches, stellt sich die Frage, wie denn aber doch dem Verbesserungspotenzial eine Chance gegeben werden könnte.

Ich denke, da helfen Experimente. Genau wie in der Wissenschaft geht es ja darum, eine Hypothese zu überprüfen. Mehr ist eine Idee, ein Veränderungsvorschlag, ein neuer Ansatz ja zunächst nicht. Selbst nicht, wenn die Idee woanders schon tausendfach ihr Versprechen eingelöst hat.

Nachdenken kann nicht helfen und muss nicht helfen. Ob Agilität, reactive programming, NoSql, Flow-Design, Continuous Build, TDD as if you meant it usw. usf. etwas für Sie sind, stellen Sie nur fest, indem Sie es ausprobieren.

Ausprobieren klingt für mich allerdings ein bisschen unverbindlich. Deshalb sage ich Experiment. Der Unterschied liegt in der Ernsthaftigkeit. Beim Ausprobieren tun Sie nicht mehr, als dass Sie an einer Sache in eng begrenztem und geschütztem Umfeld herumspielen. Das ist nicht schlecht und steht immer am Anfang. Doch der Erkenntnisgewinn ist begrenzt.

Bei einem Experiment hingegen, geht´s ans Eingemachte. Das findet für mich in vivo statt. Da wird nicht ausprobiert, sondern real eingesetzt. Man nimmt die Idee ernst und implementiert sie. Allerdings nur für einen überschaubaren Zeitraum.

Insofern fordert man sich selbst heraus. Schafft man es, sich auf die Idee einzulassen?

Und die Idee wird auch wirklich herausgefordert. Schafft sie es, ihre Versprechen einzuhalten?

Ideen kommen oft “absolut” daher, mit großem Anspruch und der Suggestion, es ginge nur ganz oder gar nicht. Davon sollten wir uns aber nicht beeindrucken lassen. Jedenfalls heute nicht mehr. Ideen stehen in einem Wettbewerb. Und da gilt: Die bessere mögen gewinnen. Dafür jedoch müssen wir ihnen eine Chance geben. Aber nicht nur nebenbei, von ernsthaft.

Matt Cutts hat dafür ein leidenschaftliches Plädoyer bei TED gehalten:

Damit geht der Druck raus aus den Entscheidungen für oder gegen Ideen. Wir müssen nicht einmalig den Kurs auf Gedeih und Verderb ändern. Nein, wir können es für einen begrenzten Zeitraum tun. “Nur” 30 Tage reichen für vieles aus.

30 Tage TDD, 30 Tage daily standups, 30 Tage ein Entwicklertagebuch, 30 Tage 10 Seiten in einem Fachbuch lesen, 30 Tage im Team ein Code Review, 30 Tage eine neue Codierungsrichtlinie… und währenddessen, aber vor allem anschließend reflektieren. Wie fühlt es sich an, eine Idee ernsthaft 30 Tage lang zu implementieren?

Bei www.my30dc.com gibt es dafür sogar ein Tool. Wenn da das Geek-Herz nicht höher schlägt ;-)

Ich habe da auch gerade eine “30 day challenge” laufen. Mein Experiment ist, nur während 8 Stunden pro Tag zu essen. Das soll sich positiv auf Wohlgefühl und Gewicht auswirken. Ob das stimmt? Keine Ahnung. Ich werde es nach 30 Tagen wissen. Durch Nachdenken könnte ich das nicht herausbekommen.

Also: Lassen Sie sich von Ideen nicht ins Bockshorn jagen. Fühlen Sie sich nicht belastet durch Zweifel und endgültigen umfassenden Adoptionsaufwand.

Wenn sie Ihnen halbwegs interessant erscheinen, machen Sie “nur” ein Experiment. Möglichst unverzüglich, solange die Motivationsenergie noch hoch ist. Das geht persönlich oder im Team. Nutzen Sie die “30 day challenge” Plattform oder schreiben Sie ein bisschen Experimentiertagebuch ein einem Notizbuch. Egal. Tun und reflektieren sind das Wichtigste. Taten statt Warten.

Ich habe auch noch eines zum Thema Programmierung gestartet. Im Verlauf von 30 Tagen will ich einen Web-Dienst realisieren. Sie können meinen Fortschritt im github Repository verfolgen. Dort sammle ich nicht nur Code, sondern auch Tagebucheinträge.

Donnerstag, 1. August 2013

Was ist eine Entität?

Im Zuge meiner Beschäftigung mit CQRS und Event Sourcing habe ich mir wieder die Frage gestellt, was denn eigentlich eine DDD Entität sei?

Nun hab ich endlich für mich eine ganz einfache Definition gefunden: Eine Entität ist ein Dictionary<string,string> mit unwandelbarer Id [1]. Eine Entität ist ein Sammlung von Schlüssel-Wert-Paar als Zeichenfolgen mit unwandelbarer Id [1].

Jup. Das isses. Mehr nicht [2].

Den Inhalt einer Entität kann man wandeln, die Id aber nicht. Und der Inhalt einer Entität ist strukturiert. Gerade die Annahme, dass Keys Pfade sein können [2], macht mich zufrieden. Nicht nur “Vorname” oder “Mindestgebot” oder “Lagerplatz” sind also Keys, sondern ebenfalls “Wohnsitz/PLZ” oder “Telefonnummern/3” oder “Positionen/2/Menge” [3].

So ein Dictionary ist ein Dokument, d.h. es ist selbstgenügsam (self-contained). Alles, was dazugehört, steht drin. Was nicht drin steht, gehört zu einer anderen Entität. So einfach ist das.

Was Sie als Daten bei einem Key hinterlegen, ist Ihre Sache. Das kann so umfangreich und strukturiert sein, wie es will. Per definitionem ist das aber keine Entität, weil es eben ein Wert in einer Entität ist. Werte als string [4] und nicht als object zu definieren ist mir deshalb sehr wichtig. Dadurch ist ausgeschlossen, aus einer Entität Objekte zu referenzieren.

Entitäten dürfen allerdings Ids anderer enthalten. Solche Entitätsreferenzen sind ok, weil sie sich auf das wahrhaft Unwandelbare beziehen [5]. Beispiel:

var frau = new Dictionary<string,string>{{$$id, "10"}, {"Vorname", "Eva"}, ...};
var mann = new Dictionary<string,string>{{$$id, "0815"}, {"Vorname", "Adam"}, ...};

frau["partner"] = mann["$$id"];
mann["partner"] = frau["$$id"];

Mit der Definition “Eine Entität ist ein Dictionary<string,string>” ist es nun ganz einfach herauszufinden, ob ein zusammengesetzter Wert eine Entität ist oder nicht. Fragen Sie sich einfach, ob Sie den Wert einem oder mehreren Keys in einer anderen Entität zuweisen würden. Beispiel:

Ist der zusammengesetzte Wert

Person("Vorname": "Peter", "GebDat": "1967-05-12", "Geschlecht": "m")

eine Entität? In manchen Zusammenhängen mag das so sein:

var person = new Dictionary<string,string>{{"$$id", "7654}, {"Vorname", "Peter"}, ...};
var einwohner = new Dictionary<string,string>{{"$$id", "0192"}, {"Person", "7654"}};

In anderen wieder nicht. Dann ist er Teil einer umfassenden Entität, z.B.

var einwohner = new Dictionary<string,string>{...};
einwohner["Person"] = "{\"Vorname\": \"Peter\",
                        \"GebDat\": \"1967-05-12\",
                        \"Geschlecht\": \"m\"}";

oder

einwohner["Person/Vorname"] = "Peter";
einwohner["Person/GebDat"] = "1967-05-12";
einwohner["Person/Geschlecht"] = "m";

Ich denke, das macht die Entscheidung einfacher. Doch auch wenn die mal daneben geht, ist es nicht so schlimm. Entitäten in dieser Form kann man auch leicht refaktorisieren. “Inline entity” und “extract entity” scheinen mir genauso probat wie “inline method” und “extract method”. Also keine Angst vor BDUF!

Außerdem lassen sich Entitäten dieser Form sehr leicht verteilt über Ereignisse denken, z.B.

Zugezogen("$$id": "9384", "Nachname": "Müller", "Straße": "Isestr. 2", ...)
Umgezogen("$$id": "9384", "Straße": "Richterstr. 17", "PLZ": "22085", ...)
Geheiratet("$$id": "9384", "Ehepartner": "0815", "Nachname": "Schmied", ...)
Geheiratet("$$id": "0815", "Ehepartner": "9384", ...)

In jedem Ereignis wird die Entität angegeben und danach nur eine Liste von Keys mit neuen Werten. Der aktuelle Stand einer Entität ergibt sich dann aus dem Summe ihrer Ereignisse.

Endnoten

[1] Ob die Id ein Eintrag mit speziellem Key in so einem Dictionary ist oder separat gehalten wird, ist mir erstmal egal.

[2] Noch einfacher könnte man natürlich sagen, eine Entität sei ein strukturierter Text, z.B. ein Json- oder XML-Dokument. Wird letztlich bei NoSql auch so gemacht. Aber das ist mir grad zu wenig griffig, wenn ich an den Umgang damit im Code denke. Mit einem Dictionary fühle ich mich etwas wohler.

Ein geschachteltes Dokument wie

<Person id="1234">
  <Vorname>Peter</Vorname>
  <Anschrift>
    <PLZ>22085</PLZ>
  </Anschrift>
</Person>

sieht mir auch komplizierter aus als eine Liste von Key-Value-Paaren:

$$id:1234
Vorname:Peter
Anschrift/PLZ:22085

Das eine kann in das andere übersetzt werden. Das reicht mir.

[3] Wem da Metadaten fehlen, der kann sie sich gern dazudenken, z.B. “Vorname:string” oder “Positionen/2/Menge:int”. Am Ende ist jedenfalls jeder Wert auf eine Zeichenkette abbildbar.

Wie solche Pfade aussehen, ist hier ebenfalls nicht wichtig. Mit der Syntax, die ich hier benutze, sind Sie ja aber vertraut.

[4] Binärdarstellungen sind nur eine Optimierung. Mit textuellen Repräsentationen von Daten kommen wir weiter. Sie sind ausreichend, bis ein konkreter Use Case etwas anderes fordert.

[5] Allerdings hadere ich hier noch mit mir. Manchmal denke ich, dass Entitäten gar keine Referenzen enthalten sollten. Wenn sie zu anderen in Beziehung stehen, dann nur innerhalb eines Kontextes - und der wird dann von einem Aggregat aufgespannt.

Ein Aggregat ist dann eine Entität, deren Zweck es ist, andere zu verbinden. Es ist ein Beziehungsraum.

So ganz traue ich mich aber noch nicht, das konsequent zu denken. Ich habe es zwar schon einmal in der dotnetpro so beschrieben - doch im Moment bin ich wieder ein wenig im Zweifel… Hm… warum eigentlich? Dazu mach ich mir am besten ein andermal weitere Gedanken.