Follow my new blog

Mittwoch, 3. August 2011

Ideen für den Buchhandel

Wie könnte sich denn nun der Buchhandel auf eine neue Art von Leserschaft einstellen?

Mit meinem vorherigen Blogartikel habe ich erstmal nur ein wenig aufrütteln wollen. Mir liegt etwas am Buchhandel oder besser: an Buchgalerien, in denen ich in pBooks stöbern kann und von deren Auswahl und Präsentation an Büchern ich mich inspieren lassen möchte. Deshalb wollte ich dem Buchhandel einmal berichten, mit welcher Art von Lesern er es (auch) zu tun hat. Nämlich mit solchen, die ihn benutzen, ohne ihm etwas dafür zu geben. Klingt hart, ist aber so.

imageVorgestern habe ich das wieder getan, diesmal in Münster. Die Thalia-Buchhandlung dort hat mir zwei schöne Lesetipps vermittelt. Die habe ich mir in meiner iPhone Amazon App gemerkt und bin wieder gegangen. Auf meine Frage ans Personal, wie sie es denn mit eBooks hielten, hatte man keine überraschende Antwort: “Die finden Sie im Internet.” Ach, ach was.

Also: Wie könnte es der Buchhandel denn besser machen? Das bin ich seit meiner Nachricht an den Buchhandel öfter gefragt worden. Denn besser als diese Thalia-Antwort geht es bestimmt.

Natürlich kenne ich kein Patentrezept. Die Silberkugel habe auch ich nicht gegossen. Allerdings bin ich mir in einem sicher: Wenn es besser werden soll, dann muss es anders werden. Ziemlich anders. Und das auch noch ziemlich schnell. Immerhin droht 40% der Buchhandelsfläche in den nächsten 5 Jahren das Aus, prophezeit Carl Halff, Chef des Weltbild-Medienversands. Und das, obwohl seine Einschätzung des iPads sehr, hm, konservativ ist:

“Für Bücher ist das iPad ungeeignet, zu unhandlich und zu schwer, um damit länger zu lesen, auch nicht blendfrei.”

Aus seiner Sicht liegt die Zukunft des Buchhandels im Multichannel geschäft, d.h. Buch allein bringt es nicht. Aber Buch + Notizbuch zum Buch + Tasse zum Notizbuch zum Buch + Schrank zur Tasse zum Notizbuch zum Buch usw., das bringts. Wirklich? Hm… Für mich verschwimmt da eher der Unterschied zum Kaufhaus immer mehr. Wenn ich heute im Supermarkt oder auch in der Videothek Bücher kaufen kann, wodurch zeichnet sich dann der Buchhandel der Zukunft aus, in dem ich Videos oder Nahrungsmittel kaufen kann?

Irgendwie mögen solche Läden dann Geld verdienen. Gratulation. Aber mit Buchhandel hat das dann für mich nicht mehr viel zu tun. Schon heute ist das Personal im Buchhandel meist recht unverständig. Man kann Bücher räumen und am PC bestellen. Aber beraten… das können die meisten nicht. Überblick – auch nur über eine Sparte –, den haben die meisten nicht. (Besser ist das nur in Antiquariaten. Dort sitzen Enthusiasten.)

Multichannel ist aus meiner Sicht also nicht die Lösung, sondern eine Unterwerfung. Wer als Buchhandel ein Problem hat und dann die Bücher, d.h. die Träger von Inhalten zurückfährt und auf Bauchladen umsattelt, der wechselt schlicht die Branche. Lidl hat kein Problem mit dem Buchverkauf, Karstadt auch nicht. Aber die haben dafür andere Probleme. Ob man also gut beraten ist, die Probleme des Buchhandels gegen andere auszutauschen?

Aus meiner Sicht schlägt Herr Halff also keine Lösung vor, sondern ein Ausweichmanöver für Unternehmen, denen letztlich egal ist, was sie verkaufen. Aus Vorstandsicht natürlich plausibel. Derzeit z.B. im Vorstand von Thalia: Albert Hirsch, der auch schon in Software und Mineralwasser gemacht hat, oder Oliver Reul, der aus dem Bereich Logisik zu kommen scheint und auch schon bei T-Mobile gearbeitet hat, oder Michael Weber, der Erfahrung bei Star Finanz, HanseNet und Tchibo gesammelt hat. Was soll ich als Buchfreund da denken? Dass diese Herren sich dem Buch, den Buchinhalten verpflichtet fühlen, dass sie ein genuines Interesse am Lesen und an Lesern haben? Nein, leider kommen solche Gedanken bei mir nicht auf.

imageDa lobe ich mir echte Buchhändler wie Andrea Nunne mit ihrem kleinen Laden oder die Geschwister Heymann mit ihrer kleinen Ladenkette in Hamburg. Denen geht es um die Inhalte. Und nur von denen erwarte ich in Zukunft auch echte Hilfe bei Selektion und Präsentation, weil es zukünftig vor allem darum geht: Inhalte. Bücher lagern, bestellen, verschicken ist keine Kompetenz mehr, die ein Buchhändler braucht. Alles, was mit der Form von Büchern zu tun hat, ist eigentlich nicht mehr sein Thema. [1]

Was kann der Buchhändler aber nun besser machen in Bezug auf sein Thema? Wie kann er die Umwandlung in einen Bauchladen vermeiden? Hier ein paar Ideen aus meiner Sicht als Leser:

Idee #1: Embrace

Wenn es weh tut, dann mach mehr davon. Diesen Rat an alle, die etwas verbessern/lernen wollen, kann ich nur dem Buchhandel geben. Wenn online Buchverkäufe weh tun, dann versucht mehr damit zu machen. Wenn eBooks weh tun, dann versucht, mehr davon zu verkaufen. Oder wenn nicht verkaufen, dann zumindest besser verstehen, mehr selbst nutzen.

Wenn´s im Bauch zwickt, muss man nicht sofort zum Arzt laufen. Mal einen Tag aushalten und schauen, ob es weggeht, reicht meist aus. Die Schmerzen durch online Buchhandel und eBooks sind aber nicht vorrübergehend. Soviel ist schon heute klar. Wer also noch aushält und darauf wartet, dass es von allein besser wird, der hofft vergeblich.

Wenn aber klar ist, dass Schmerzen Symptome einer ernstzunehmenden Krankheit sind – 40% Flächenverlust für Bücher scheinen mir ziemlich ernst –, dann ist Aktivität angezeigt. Dann muss schleunigst nach einer Kur gesucht werden. Dann darf man sich dem Problem nicht verschließen.

Im Falle des Buchhandels bedeutet das für mich: ausprobieren, mitmachen, selber machen, mehr machen, besser machen. Unvermeidliche Veränderung sollte begrüßt werden. Jeden Morgen ein Hoch auf die neuen Medien singen, ist das Mindeste. Jedem Angestellten ein iPad, Kindle, Smartphone oder sonstwas in die Hand geben. Bücher nur noch online im eigenen oder fremden Shop bestellen. Erfahrung sammeln als Leser. Sich aktiv in die Rolle der heutigen und zukünftigen Kunden versetzen. Als tägliche Pflichtübung für alle.

Damit geht dann einher, jeden Tag wieder zu überlegen, wie mit online und eBook usw. mehr Geschäft gemacht werden kann. Physische Bücher (pBooks) muss man nicht mehr anpreisen. Die verkaufen sich von selbst; ich meine, deren form factor verkauft sich von selbst. Gefragt sind Ideen, wie mit pBooks online oder eben mit eBooks Geschäfte gemacht werden können. “Wie kann ich den nächsten Kunden motivieren, sein Geschäft demnächst mit mir online zu machen oder ein eBook zu kaufen?”, diese Frage sollte sich jeder Buchhändler bei jedem Kunden stellen. Nur so wird das Neue wirklich ernst genommen. [2]

Der Grossist libri macht es jedem Buchhändler leicht, einen online Buchshop zu betreiben. Nunnes kleines Bücher & Co ist dafür ein Beispiel, aber auch die große Mayersche Buchhandlung. Das ist ein schöner Anfang. Technisch haben Buchhandlungen zunächst also nichts auszustehen. Doch dann… Gerade ein Gelegenheitskäufer findet nur schwer den Weg zum online Buchladen eines kleinen Geschäfts. Amazon hingegen ist in jedermanns Kopf verankert. Mit einem Shop von libri fängt die kreative Arbeit der Umarmung der “neuen Medien” erst an. Darauf kann sich niemand ausruhen.

Idee #2: Fokus

Wer als Buchhändler das Heil im Multichannel sucht, wird sich und seiner Kundschaft untreu. Aus meiner Sicht führt der ehrliche Weg im Buchhandel daher nicht in die Breite, in die Diversifikation, sondern in die Tiefe. Spitzer werden, fokussieren, auf das Wesentliche konzentrieren, das, so glaube ich, sollte die Strategie der Stunde sein.

Worin liegt die Aufgabe des Buchhandels, genauer: des Buchladens? Früher ging es darum, Bücher schlicht zugänglich zu machen. Ohne ausgefeilte internationale Logistik und ohne umfassende, frei zugängliche Verzeichnisse war der Buchhandel das Nadelöhr zum Buch. Er hat es beschafft – mit oder ohne eigenes Lager. Er hat es gefunden in dicken Katalogen. Darüber hinaus hat er sogar bei der Auswahl beraten. Die Präsentation vor Ort war immer nur ein klitzekleiner Ausschnitt.

Beschaffung, Lagerung, Nachschlagen: das alles ist heute aber kein Problem mehr. Jeder kann das genauso gut wie der Buchhändler (oder sogar besser, je nach Enthusiasmus). Und das auch noch von zuhause aus.

Worum geht es also heute beim Buchladen? Es bleibt nur der Inhalt. Es geht nur noch um die Vermittlung von Inhalten unabhängig vom Medium. Inhaltsproduzenten müssen an Inhaltskonsumenten vermittelt werden. Die vornehme Aufgabe der Buchladeninhaber ist dieselbe wie die guter Gastgeber: sie stellen Menschen einander vor – und ziehen sich dann zurück.

Wenn die Zusammengebrachten einander interessieren, dann wird mehr daraus. Sie treffen sich nach der Party wieder bzw. der Leser kauft Inhalte des Autors. Wie, wo, wann, wieviel… das sollte Gastgeber wie Buchhändler egal sein. Sie haben ihren Job getan, wenn sie ein Angebot einem Bedarf zugeführt haben.

Und dafür sollen sie dann auch entlohnt werden. Dem Gastgeber ist Beifall gewiss, der Buchhändler verdient dafür Geld.

Der Buchladen der Zukunft sollte sich also genau darauf konzentrieren: Lesebedarf und Lesestoff zusammenbringen. Egal wie. Je genauer und verlässlicher, desto besser. pBook, CD, MP3, eBook… egal. Im Laden kaufen, online kaufen… egal.

Die Frage, die sich der Buchhändler jeden Tag stellen sollte ist: Wie kann ich die Inhalte, die es gibt, die sich jeden Tag vermehren, interessierten Lesern zuführen? Alles ist erlaubt. Alles kann in Frage gestellt werden.

Schon lange hat der Buchhandel ja erkannt, dass es besser ist, Kunden beim Stöbern zu unterstützen. Statt von der Kasse aus zu rufen, “Bitte das Buch vorsichtig behandeln!” lieber noch einen Stuhl unter den Kunden schieben und ihn zum Weiterblättern animieren. Vor 30 Jahren wäre das in Deutschland noch undenkbar gewesen – außer in einer Bücherei. In gleicher Weise könnte anderes bisher Undenkbares aber auch Realität werden:

Beispiel Probekauf: Warum nicht noch einen Schritt weitergehen und Kunden Bücher mit nach Hause geben? Sozusagen Kauf auf Probe. Bei Nichtgefallen kann das Buch innerhalb von 48 Stunden zurückgebracht werden. (Mit Umtausch kann man sich soetwas als Kunde natürlich heute schon erschleichen. Deshalb vergibt sich der Buchhandel nichts, diese Möglichkeit als Dienstleistung offiziell anzubieten.)

Beispiel Serienabo: Es gibt zunehmend Autoren, die Buchreihen schreiben. Da tritt immer wieder derselbe Protagonist auf oder sie drehen sich ums selbe Thema usw. Wer Dona-Leon-Fan ist, der will wahrscheinlich all ihre Bücher lesen, dito wer Fan von Inspektor Wallander ist oder Kay Scarpetta mag. Warum also als Buchhandel nicht ein Abo auf Bücher solcher Reihen anbieten? Ja, ich weiß, dass es eine Buchpreisbindung in Deutschland gibt. Ein günstiger Abopreis wird deshalb wohl schwer bis unmöglich sein. Doch mit Kreativität lässt sich da doch etwas machen, denke ich. Lesern geht es nicht immer um den Preis. Sie wollen Bequemlichkeit, sie wollen Aufmerksamkeit. Ich würde mich freuen, wenn der Buchhändler meiner Wahl mir versichern könnte, mir z.B. jedes Buch von Martin Suter bei Erscheinen als Taschenbuch sofort zurückzulegen, mich zu informieren oder mir sofort zuzuschicken als Probekauf. Wenn dann noch jedem Buch eine kleine Aufmerksamkeit beiläge… Was wollte ich mehr? Das Abo brächte mir doch schon Ruhe und Gewissheit, kein Buch zu verpassen.

Beispiel Kontextkontakt: Man kann Bücher einfach nur so lesen – oder man kann in sie eintauchen. Mein Eindruck ist, dass das immer mehr Menschen wollen. Sie lieben es, sich in andere Welten zu begeben. Warum diesen Trend nicht aufgreifen? Ich fände es ausprobierenswert für Buchhändler, zusammen mit Reiseveranstaltern Angebote zu Büchern zu erarbeiten. Beispiel: Für Dona Leon Fans die Venedig Reise zu den Originalschauplätzen der Bücher inkl. Treffen mit der Autorin. Oder für Kay Scarpetta Fans eine Führung durch die Rechtsmedizin. Oder für Fans von Fantasy-Büchern Rollenspielabende. Oder, oder, oder. Das wären dann keine direkten Buchangebote mehr, aber es ginge immer noch um den Inhalt, weil sich diese Angebote Kontakt zum Kontext des Inhalts böten. Der kann im Buchladen oder außerhalb stattfinden. Bücher kann man lesen – doch Bücher haben das Potenzial für mehr. Ihr Inhalt ist immer nur Ausgangspunkt. Am Ende will der Leser ein Erlebnis. Das ist nicht anders als bei Fußball, Musik, Film, Autokauf. Es geht immer ums Erlebnis, um Gefühle. [3]

Beispiel Rückkauf: Wenn schon pBook, warum dann als Buchladen nur einmal daran verdienen? Wäre es nicht toll, wenn man sein pBook am Ende statt ins Regal daheim wieder ins Regal im Buchladen stellen könnte, um ein anderes mitzunehmen? Warum dafür in die Bücherei gehen, die irgendwie nie das aktuelle Buch hat, das man gerade lesen will? Der Buchladen nimmt heute schon Bücher ungelesen im Umtausch zurück. Da wäre es ein kleiner Schritt, sie in einem gewissen Zeitraum nach Kauf und in einem gewissen Zustand auch gelesen wieder zurückzunehmen – natürlich zu einem geringeren Rückkaufpreis. Das würde den Buchhandel auch an die zunehmende collaborative consumption heranführen. Die stellt nämlich die nächste Gefahr für alle dar, die neue Waren an jeden verkaufen wollen. Amazon macht es im Internet vor; dort schämt man sich nicht, neben neuen auch gebrauchte Bücher anzubieten.

Das sind vier Beispiele für eine Erweiterung der Dienstleistungspalette, ohne gleich zum Multichannel-Höker zu werden. Hier geht es ganz klar um den Inhalt, wenn nicht sogar ums Buch. Andere Ideen für Umsätze durch mehr Fokus lassen sich bestimmt finden. Für diese hier habe ich ja nur 10 Minuten gebraucht als Laie. Auch geht es nicht um den einen Knüller, sondern um eine Bandbreite an Angeboten neben dem pBook/eBook, ohne gleich auf Tassen und Frühstücksbrettchen ausweichen zu müssen. Warum bei Leseecke und Leseabend stehenbleiben?

Idee #3 Selektion

An ein Vollsortiment ist im offline Buchhandel gar nicht zu denken. Auch eine große Mayersche Buchhandlung kann nicht alles auf Lager haben oder auch nur präsentieren. Ich glaube deshalb, dass es zukünftig mehr denn bisher darauf ankommt, als Buchladen zu selektieren.

Die Selektion könnte entlang von Genregrenzen verlaufen: Krimibuchladen, IT-Buchladen, SF-Buchladen usw. Sie könnte das Alte auswählen (Antiquariat) oder das Neue: Warum nicht ein Buchladen, der von allen Verlagen immer und ausschließlich nur das Neuste hat? Und ich meine wirklich nur das Neueste. Für einen begrenzten Zeitraum, z.B. 3 Monate. Oder man schießt sich auf die Klientel in einem Quartier ein?

In jedem Fall gehört zur gezielten Selektion, die wirklich Mut hat, Titel wegzulassen, eine echte Kompetenz. In Bezug auf die Selektion muss der Buchhandel kundig sein: Autoren kennen, Empfehlungen aussprechen können, abgrenzen können. Wie beim Outdoor-Laden käme es dafür nicht auf eine formale Ausbildung an, sondern auf Enthusiasmus und Erfahrung.

Wenn der Buchladen aufgrund seiner Selektion und seines Fokuses mir helfen kann, zu neuen spannenden Titel in jedem Format zu kommen, dann bin ich als Leser begeistert. Das kann im persönlichen Gespräch geschehen oder durch eine besonders hilfreiche “Regallandschaft” oder durch eine eigene “Suchmaschine”… egal.

Der Buchhandel, der 2 Regale Krimis, 1 Regal Kinderbücher, 1 Regal SF, 4 Regale allgemeine Romane usw. hat, wird wohl leider keine Zukunft haben. Ihm fehlt die klare Selektion, ein deutliches Kompetenzprofil. Nicht, dass er keine Kunden fände, aber ich glaube nicht, dass sie ihm reichen können. Ich wüsste einfach nicht, was ich von ihm erwarten soll als “das Übliche”, d.h. 95% das, was ich auch bei Thalia und Amazon sofort angeboten bekomme. So ein Sortimentsdurcheinander wird zukünftig nur immobile Leser befriedigen, die quasi auf diesen Buchladen angewiesen sind.

Für mich liegt die Zukunft des Buchhandels aber nicht bei denen, die nicht anders können, sondern bei denen, die gezielt einen Buchladen aufsuchen, weil sie anders können, aber nicht anders wollen. Sie wollen in das Geschäft, weil das Geschäft ihnen unwiderstehliche, womöglich einzigartige oder zumindest sehr persönliche Angebote macht. Kunden von Buchläden wollen keine Bücher mehr – also Seiten zwischen Pappdeckeln –, sondern “Leseerlebnisse” rund um Inhalte. Und da es von denen potenziell viele gibt, freuen sie sich, wenn sie auf dem Weg dahin Gleichgesinnte treffen und mit Leuten zu tun haben, die sie wirklich verstehen. Je undefinierbarer die Selektion einer Buchladens aber ist, desto weniger ist zu erwarten, dass ein solcher Kontakt entsteht.

Idee #4 Präsenz

Den Buchhandel macht aus, dass man dort Bücher in die Hand nehmen kann. Ob er viele irgendwo auf Lager hat, interessiert nicht mehr. Ob er sie schnell besorgen kann, auch nicht. Im Laden interessiert mich, was ich dort vor Ort durchstöbern kann, was präsent ist und zwar in einer Form, die mir mehr bietet als ein online Bookshop.

Ich denke daher, dass Buchläden ihr Angebot in Bezug auf Buchpräsenz optimieren müssen. Heute sehe ich hohe Bücherberge mit demselben Titel. Warum? Weil man an Leser denkt, die das Buch physisch sofort mitnehmen wollen. Dabei ist das doch nicht mehr das Problem. Jeder kann das Buch morgen in seinem Postkasten haben oder in 30 Sekunden auf seinem eReader.

Mir wäre lieber, die Buchläden würden in den Regalen eine größere Vielfalt an Büchern präsentieren, statt vom selben Titel viele Exemplare. Auf die Spitze getrieben hieße das: Im Buchladen der Zukunft ist entsprechend seiner Selektion jedes Buch nur 1 Mal vorhanden – als Präsenzexemplar. Das kann ich mir vor Ort ansehen, aber nicht sofort mitnehmen. Stattdessen bestelle ich es an der Kasse und bekomme es morgen geliefert oder kann es mir runterladen. D.h. auf dem Präsenzexemplar ist auch klar ersichtlich, welche anderen Formate es gibt: ePub, PDF, Kindle, MP3, CD.

Auch nicht jedes Buch muss physisch komplett vorhanden sein. Wo es eBooks gibt, reicht im Regal eine Karte, die aussieht wie das Buch, um mir Geschmack zu machen. Oder ein Booklet mit einem Auszug. Davon würden viiiiel mehr ins Regal passen. Wenn ich dann mehr will, nehme ich mir einen der rumliegenden eReader und lese damit weiter im Buch, bis ich weiß, ob ich es haben will oder nicht. Natürlich kann ich es damit auch sofort über den online Bookshop des Ladens kaufen. [4]

Fazit

Soweit mal vier Aspekte mit Ideen für eine Zukunft des offline Buchhandels, d.h. von Buchläden. Wie gesagt, darunter ist keine Silberkugel. Es gibt keine Wunderwaffe zur Rettung des Buchhandels. Aber ich denke, Fatalismus ist fehl am Platze. Es lässt sich eine Menge tun, wenn man etwas kreativ ist und Mut hat.

Die Zukunft des Buchhandels liegt im Nebel. Nur soviel ist gewiss: das Terrain vor ihm ist tückisch und das bisher Bewährte gibt wenig Sicherheit für den weiteren Weg.

Deshalb halte ich es für wichtig, den Nebel nicht aussitzen zu wollen. Stattdessen besser frisch voran. In kleinen experimentellen Schritten. In den Nebel hinein. Oder gar selbst zum Nebel werden, mit ihm verschmelzen. Agieren statt reagieren. Niemand ist Opfer des Wandels durch das Internet – außer man macht sich dazu.

Bei diesem mutigen Voranschreiten dann auf eines vertrauen: dem inneren Kompass in Richtung Inhalt. Denn darum geht es: Inhalte, “Leseerlebnisse” zu vermitteln. Wer daran nicht interessiert ist und im Grunde alles verkaufen könnte, um “am Leben zu bleiben”, der ist schon heute kein Buchhändler mehr. Also fokussieren auf alles, was mit Inhalten zu tun hat.

Da dieser Bereich jedoch eher wächst denn schrumpft, braucht es wieder mal Mut: um sich in der Auswahl zu beschränken und in Bezug auf diese Auswahl echte Kompetenz aufzubauen. Mich zumindest wird in Zukunft der Bauchladenbuchhandel nicht mehr interessieren. Von allem ein bisschen…? Das kriege ich bei Amazon besser. Wenn ich in den Buchladen gehe, dann will ich, dass man mich anspricht, mich versteht. Rundum. In Bezug auf Inhalte und auch die Form. Wer da verlegen lächelt, wenn es um das Thema eBook geht, ist raus.

Für mich liegt daher die Zukunft des offline Buchhandels in der Präsentation einer profilierten Vielfalt. Ich will möglichst viel dort “begreifen” können im Laden. Denn was ich im Laden “ausprobieren” kann, dass kaufe ich eher. “Try before you buy.” Mitnehmen muss ich es nicht unbedingt und schon gar nicht als pBook.

Und nun kommt ihr, liebe Leser. Wer hat noch andere Ideen für den Buchhandel? Wenn der sich selbst schwer tut mit dem Wandel, können wir ihm vielleicht aus Lesersicht auf die Sprünge helfen.

Spendieren Sie mir doch einen Kaffee, wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat… (Den trinke ich dann auch gern in einer Buchhandlung mit Coffeeshop ;-)

PS: Noch ein Hinweis dazu, wie die Veränderungen angegangen werden können in den Buchläden: gemeinsam. Der Buchhändler, der glaubt, er könne die Zukunft vorausdenken für seine Mitarbeiter (wenn er noch welche hat), verschenkt Ideenpotenzial. Alle müssen an einen Tisch, weil alle im selben Boot sitzen. Dabei ist dann alles erlaubt. Es gibt nur eine Pflicht: mutig nach vorne denken und Veränderungen ernsthaft ausprobieren. Ja, ich meine ausprobieren, d.h. zunächst nur für begrenzte Zeit implementieren. Nicht alles auf eine Karte setzen. Manche Aktion läuft dann vielleicht 4 Wochen, eine andere 3 Monate, eine dritte ein ganzes Jahr.

PPS: Wer als Buchhändler noch nicht damit angefangen hat, sollte übrigens schleunigst einsteigen ins Sammeln von Kundenadressen. Hier ist der Begriff Kanal tatsächlich wichtig: einen Kommunikationskanal zu den Kunden aufbauen. Briefpost, Twitter, Facebook, Email-Newsletter… egal. Dem Buchladen müssen die Kunden per Adresse bekannt sein. Die Zahl anonymer Buchkäufe muss minimal sein. Auch hier ist also Kreativität gefragt: Wie kann der Buchkäufer überzeugt werden, sich zu erkennen zu geben zumindest mit einer Email-Adresse?

Fußnoten

[1] Es sei denn, es geht um neue Formen, bei denen Leser noch Hilfestellung benötigen. Doch gerade da schwächelt der traditionelle Buchhändler. Ich kenne jedenfalls nur solche, denen das gute alte pBook so lieb ist, dass sie eigentlich keine eigene Erfahrung mit eBooks haben, geschweige denn Fans von eBooks wären.

[2] Oder auch die Kundschaft fragen, warum sie eben nicht online kauft oder kein eBook liest. Auch das zu wissen, ist wichtig. Wenn da die Antwort ist, “Weil ich ihren persönlichen Rat als Buchhändler schätze”, dann ist das toll und ein Hinweis darauf, was in Zukunft ausgebaut werden muss. Falls die Antwort jedoch lautet, “Ach, ich kenn mich mit Computern nicht so aus”, dann ist klar, dass dieser Kunde nur gezwungenermaßen im Laden steht; er kann nicht anders – und wird aussterben. Ihn zu bedienen, ist natürlich selbstverständlich. Irgendwie. Auf ihn die Strategie auszurichten, wäre aber verfehlt. Außer man sieht es als Marktlücke an, für “internet challenge people” einen Laden zu machen so wie in anderen Ländern Schreibstuben für Leseunkundige.

[3] Deshalb ist der Buchladen eigentlich auch gut aufgestellt. Er hat den persönlichen Kontakt zum Erlebnishungrigen. Amazon hat den nicht. Wenn der Buchhandel zum Multichannel wird, nutzt er diese Chance nicht. Eine Tasse zum Buch ist kein Erlebnis. Eine Harry-Potter-Party aber, die HP-Sondervorstellung in einem Kino, der Zauberkurs für HP-Fans im Laden, die HP-Reise nach Schottland, das Twitter Re-enactment eines Quidditch-Spiels jedoch… das sind Erlebnisse. Die kann man online nicht bestellen.

[4] Hier wird deutlich, dass der Buchhandel Hilfe von den Verlagen braucht. “Buchpräsentationskarten” und Booklets stellen sich nicht von allein her. Auch könnten pBooks schon gleich mit Hinweisen auf weitere Formate bedruckt sein. Für Neuerscheinungen gibt es manchmal vorab Booklets; warum aber nicht konsequent für alle Titel? Die können ja ganz einfach gehalten sein. Damit könnten die meisten Verlage mit ihrem kompletten Programm vor Ort in jeder Buchhandlung sein. Zum Anfassen.

9 Kommentare:

DTeubner hat gesagt…

Moin,

es spricht mir aus der Seele. Ich stöbere gerne in Büchern und bin geschätzte 20 mal in einem Buchladen bevor ich 1 - 3 Bücher mitnehme.

In Nienburg/Weser gibt es aber genau so einen Buchladen wie Du ihn beschreibst (OK, lassen wir das Thema eBook mal weg). Aber ein Kunde kann hingehen, erzählen was einem gefällt und bekommt eine (bei mir bisher immer passende) Empfehlung. Sogar wenn man ein Geschenk für Freunde sucht.
Doch auch dieser Laden hat sein Angebot breiter gemacht.
Da Bücherleser meist auch Genießer sind gibt es eine räumliche aber auch geschäftliche Verbindung mit den Nebenhaus. Dort gibt es hochwertige Tees und Naschereien die man nicht im Supermarkt findet.
Dort kann der geneigte Genießer sich mit ein Buch mit einem guten Tee zusammen hinsetzten und beides testen.
Ich denke, dass auch diese Kombination sehr erfolgreich werden kann.

Gruß
Daniel

Florian Fanderl hat gesagt…

Hallo zusammen,

ich kann dem nur zustimmen. Ich wünschte mir ab und an auch einen Buchladen, wo die Leute die Bücher verkaufen auch wirklich Ahnung von den Bücher haben und nicht nur Regaleinräumer sind. Das kann man auch mit Media Markt vergleichen. Wenn ich mich dort zu einem PC beraten lasse kann ich mir zu 98% sicher sein, dass ich nicht das bekomme was ich brauche und was ich will, weil die meisten Verkäufer dort a, keine Zeit haben richtig zu beraten und b, oft meist leider auch keine Ahnung haben von dem was sie verkaufen. Da lob ich mir den kleinen PC Händler um die Ecke der das wirklich mit Herzblut macht und dafür 3€ mehr verlangt - wenn überhaupt.
Ich denke auch dass man sich heutzutage als Buchladen wenn überhaupt nur so noch halten kann.

Grüße!!!

Florian

Frank hat gesagt…

Zum Thema Rückkauf: In der Schweiz (soweit ich weiss auch in Deutschland) gibt es die Plattform exsila.ch. Dort können gebrauchte Bücher, DVDs, CDs etc. getauscht werden. Ich beziehe bereits jahrelang meine DVDs von dort und habe seither keine neuen mehr gekauft. Sprich, es exisitert ein nicht geringer Markt für gebrauchte Bücher, DVDs etc.

Tom hat gesagt…

Die Darstellung von "Multichannel" ist - glaube ich - ein wenig irreführend. Unter Multichannel Publishing verstehen wir eigentlich, dass man ein Buch auf Totholz, Datenträger und Internet parallel herausbringt und der Kunde entscheidet welches Format ihm besser gefällt.
Das andere Ding nennen wir "Merchandising" und hat mit Multichannel gar nichts zu tun.

Voraussetzung für das Multichannel Publishing ist aber eine Modernisierung der Geschäftsprozesse innerhalb des Verlages. Das versuchen wir den Verlagen seit den späten 90ern zu erklären, damit sie auf die Herausforderungen besser vorbereitet sind.

Was Thalia angeht: die haben Internet- und Präsenzhandel. Der Online-Shop Buch.de ist Thalia und dort bekommt man die E-Books. Hartware kann man sich dabei auch zur Thalia-Filiale liefern lassen. Im Geschäft kann man E-Books nicht kaufen, weil dort bedauerlicherweise die notwendige Hardware fehlt.

Bedauerlicherweise weicht das Angebot an E-Books noch von dem Angebot auf Papier ab. Deswegen reicht ein einzelner Rechner an der Kasse nicht aus - der Kunde muss in den E-Books stöbern können.

Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die Bemühungen im Multichannel Publishing verstärken würden und der Kunde stets die Wahl zwischen Papier und elektronischer Form hätte.

Wie ich schon sagte: das erfordert Investitionen in die Verbesserung der Geschäftsprozesse. Wodurch die Produktion aber auch billiger wird. Verlage sträuben sich dagegen, weil damit auch Arbeitsplätze verbunden sind die umgeschichtet werden. Und einige der Posten, die durch die Umstellung durch Maschinen ersetzt werden, haben in diesen Firmen leider was zu melden - wohingegen die Jobs die neu entstehen ja noch nicht da sind und man dem "Unbekannten" mit Skepsis begegnet. Deshalb geht das alles so schleppend vorwärts.

Rein technisch sind wir auf Verlagsseite schon seit den 90ern gut vorbereitet. Wir haben aber ein Vollzugsdefizit.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Tom: Danke für die Erklärung zum Begriff "Multichannel". Ich finde ihn zwar etwas überdemensioniert, wenn er denn nur bedeutet, dass es um die Kombination von offline und online, aber sei es drum.

Wenn ich darüber lese, wird er jedenfalls nie einzeln gebraucht. Es geht eben nicht darum, das bisherige auch noch im Internet zu tun, sondern andere, non-book Produkte bzw. non-content Produkte mit ins Sortiment zu nehmen. Ein Rezept, dass sich nur wenige Buchläden leisten können, wenn sie nicht ihren Charakter verlieren wollen.

Schön, dass du etwas von Verlagsseite berichtest. Dort hängt man also nur 10-15 Jahre hinterher. Und der Grund ist, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert würden. Hm... kann ich das glauben? Nein.

Ich glaube nicht, dass im Verlagswesen allgemein (von welchem Verlag du konkret sprichts, wissen wir ja nicht) alle technisch und konzeptionell in den Startlöchern stehen - und nur ein paar Bunkerköpfe mit einem Veto wg potenziellem Arbeitsplatzverlust die ganze Innovation aufhalten.

Über einen Zeitraum von 15 Jahren hätten sich sozialverträgliche Lösungen erarbeiten lassen.

Natürlich liegt der Grund für das "Vollzugsdefizit" im Emotionalen. Allemal, da niemand weiß, wie sich Veränderungen wirklich auswirken würden. Aber vor der Angst um Arbeitsplätze steht immer noch die Angst vor Umsatzeinbußen und persönlicher Verantwortung für Misserfolge. Oder allgemeiner schlichte Unsicherheit - in der eine natürliche Reaktion Stillstand ist. Zumindest für Leute, die beim status quo nichts auszustehen haben.

"Flächendeckend" für jedes pBook ein eBook erzeugen, kostet an sich ja noch keinen Arbeitsplatz, sondern schafft eher welche. Warum wird das nicht getan? Vergriffene Bücher digitalisieren und wieder "ins Regal bringen" kostet an sich noch keinen Arbeitsplatz, sondern schafft eher welche. Warum wird das nicht getan?

Es liegt nicht an Arbeitsplätzen, es liegt an einem Mangel an Glauben, dass es da einen ROI gibt. Und nochmal: es liegt sicher einfach daran, dass Veränderungen so großen und existenziellen Umfangs wie in der Buchbranche schlicht Angst machen und lähmen. Und dann haben die auch noch alle mit IT zu tun, was eh keinen freut, da IT immer bedeutet, dass das Ergebnis "unfassbar" ist und man vorher lange ausgefragt wird, wie man es denn gern hätte.

Wenn Verlage heute noch auf uralte Redaktionssysteme setzen, dann ist da kein Betriebsrat die Bremse. Wenn Verlage eBooks teurer als pBooks machen, dann ist da kein Betriebsrat die Bremse.

Am Ende gilt: Aus Lesersicht ist mir das alles egal. Verlage, die sich nicht bewegen, gehen unter. Einst bedeutend, verschwinden sie einafach vom Markt. In Hamburg gab es ein sehr große Anzeigenzeitung: die Avis. Die war für Kleinanzeigen quasi sprichwörtlich. Man schwamm im Geld. Inzwischen kennt sie kaum jemand mehr. Sie ist schon lange pleite. Erfolg schützt nicht vor Untergang.

Aus Lesersicht ist mir egal, ob ein bewährter Verlag evolviert oder ein neuer Verlag es einfach besser macht. Manning oder The Pragmatic Bookshelf überholen einfach Addison-Wesley oder dpunkt.

Und das kann auch beim Buchhandel passieren. Wenn die Großen sich schwer tun mit dem wandel wie weiland die Dinosaurier, dann gibt es eine Chance für Kleine, Wendige: die Säugetiere des Buchhandels.

Als Leser ist mir auch das egal. Mir ist nur wichtig, eine bestimmte Form von Dienstleistung weiterhin zu bekommen. Das ist die Buchpräsentation zum Anfassen, ein vielfältiges "Stöbererlebnis".

Matthias Geirhos hat gesagt…

Also, die Umstellung wird jedenfalls hart werden, haben die Buchhändler doch auch eine starke Machtposition inne. Was dort gelistet wird, wird verkauft, beeinflusst die Mediacontrol-Charts usw. Kein Wunder also, dass die Buchhändler sich als Unternehmer sehen, die mehr im Logistikbereich zuhause sind, als im Fachhandel.

Von online-Angeboten halte ich wenig, wer sollte da einkaufen? Schon heute werden von Fachbüchern rund die Hälfte (!) über einen einzigen (!) Anbieter verkauft - Amazon. Die Buchhändler haben da nicht die geringste Chance - und sind dann doch wieder lediglich Versender, wo sie doch Verkäufer sein sollten.

Ich glaube, es wird schon über den Mehrwert laufen müssen. Über das Stöbern, das viel angenehmer werden muss, als das heute ist. Oder, das halte ich für die beste Option, warum die Buchhändler nicht zu Cafés umgestalten, wie dies in einigen ersten (zögerlichen) Ansätzen schon zu beobachten ist?

Dazu kommen weitere Angebote, die sich ausbauen lassen: Lesungen, zum Beispiel, oder auch einmal ein Kurzseminar. Oder Themenwochen, zum Beispiel "Die Gartenwoche bei Thalia" - mit umfassendem Rahmenprogramm drumherum. Gut sortiert und gut beraten. Bücher sind die Pflicht, der Rest ist die Kür - so wie bei Benzin & Snacks an Tankstellen. Der Buchhandel ist austauschbar, beliebig, wenn er ohne Mehrwert bleibt.

Oder was wäre gegen Abos einzuwenden, vielleicht nicht nur für Bücherserien, sondern auch Zeitschriftenabos? Oder der Verkauf der allseits beliebten Mängelexemplare? Das sind Dinge, die kann heute nur der Buchhandel. Oder denken wir an die Rentner, die kaufkräftig und (eher) konservativ sind - dafür sollten Angebote her.

Ideen gibt es doch genug, aber vielleicht ist der Rückgang von 40%Ausstellungsfläche doch zu wenig, um zum Handeln zu bewegen.

Andrea Nunne hat gesagt…

Stimmt: Multichannel-Strategien werden viel in der Buchbranche diskutiert. Damit ist aber KEINE NonBook-Seifen-Frühstücksbrettchen-Ausweitung gemeint, sondern genau das, worum es hier geht: Inhalte in den Vordergrund zu rücken und im Buchhandel vor Ort den Bücherverkauf zu kombinieren mit Online-Shop, ebooks, Foren, Netzwerken.
JA, wir stehen als kleine Buchhandlung dieser Online-Ebook-Umbruchzeit offen gegenüber.

Und NEIN: Wir wollen keine Buchgalerie werden!
Meine Kollegin Michaela hat es auf den Punkt gebracht: "Die Impressionen, die man in Buchhandlungen bekommt, sind vielfältig und bereichern Menschen. Sie dürfen nicht zu einer Galerie verkommen. Wären wir Galerien, würden wir Kunstwerke anbieten und die wären so teuer, dass sie niemand mehr kaufen möchte."
Und außerdem würden Verlage keine "pBooks" mehr drucken, nur damit sie irgendwo stehen. Was nicht mehr gekauft wird, wird nicht mehr produziert werden.

Aber so weit ist es nicht - und bis dahin wird es spannend, was sich wie entwickelt und welche Wege wir finden (oder hier von begeisterungsfähigen Lesern gefunden werden).

Und während wir uns eine Menge Gedanken machen, über eine finanziell tragfähige Zukunftsstrategie, freuen wir uns als kleine Buchhändler weiterhin darauf, noch viele große Leseerlebnisse zu vermitteln.
Bücher & Co, Andrea

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Andrea: Warum so negativ gegenüber der "Buchgalerie"? Schade. Für mich sind Galerien Orte der Inspiration. Und wenn Galerien nicht auf Verkauf aus wären, gäbe es sie nicht. Galerie und Kommerz widersprechen sich nicht; im Gegenteil. Bummel mal an der Binnenalster entlang ;-)

Was nicht mehr verkauft wird, wird nicht mehr produziert? Das ist pBook-Denke. Für digitale Inhalte gilt das nicht. Das ist ja der Trick. Digital gibt es kein "Vergriffen". Die Frage ist also: Wie kann eine Buchhandlung auch das präsentieren, was schon älter ist nud normalerweise nicht mehr in den Regalen stünde?

Selbst wenn es keine pBooks mehr gäbe (was ja nicht zu erwarten ist in unserer Lebenszeit), wäre eine Buchhandlung immer noch ein zweckdienlicher Ort.

Dieter Drexel hat gesagt…

Sehr informativer Artikel, der mir als Buchhändler aus der Seele spricht. Beratung muss an erster Stelle stehen. Es ist ein Muss, dass der Buchhändler gerade in den kleinen Läden, wirklich Ahnung hat, von dem, was er da verkauft.


Zu ergänzen wäre noch das Umdenken in der Art der Präsentation, weg von der Trennung nach Genre und hin zu Thementischen.
Themen, die dann sinnvoll ergänzt werden durch Produkte aus dem Non-Book Bereich sprechen Käufer auf eine ganz andere Art und Weise an und führen zu grösseren Umsätzen beim selben Kunden.

Als Beispiel, das Thema Südfrankreich bietet, Reiseführer, Kulturelles, Kochbücher, Französischkurse etc, diese können in Form von Bücher, Audiobooks oder ähnlichem Angeboten werden. Dazu, bieten sich französische Weine und relevante Weinaccessoires an. Die Margen sind bei diesen Zusatzprodukten deutlich höher, als bei Büchern.

Ich bin Test-Mitglied in der IG Buch, und mehr als zufrieden mit dem Ergebnis. Derzeit befindet sich dieses Projekt noch in der Aufbauphase, übertrifft aber alle Erwartungen für mich als Händler.
Zudem ist es Risikofrei, da alle nicht verkauften Produkte zurückgegeben werden können. Die IG Buch kümmert sich um Logistik und Marketingkonzept der Thementische.
Für interessierte Kollegen hier ist der Link: www.igbuch.de (ich hoffe es ist ok, hier darauf zu verweisen. Ansonsten bitte entfernen) Soweit ich weiss, soll der offizielle Start in 2-3 Wochen sein.