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Sonntag, 7. Oktober 2012

Was andere schon richtig machen - Halden vermeiden


Das ist Wim Wenders. Er ist einer der bekanntesten zeitgenössischen deutschen Regisseure mit Weltruf. Von ihm können wir als Softwareentwickler etwas lernen.

Als Regisseur ist es seine Aufgabe, gewisse Ziele zu erreichen: Er hat ein inhaltliches/künstlerisches Ziel, er hat ein Terminziel und er hat natürlich auch ein Budgetziel. Gerade Termin und Geld zwingen dazu, die Produktion genau zu planen. Das beginnt beim Drehbuch, denn ohne Drehbuch ist ja ungewiss, was an Drehorten, Schauspielern, Bühnbild und schließlich Zeit und Geld überhaupt nötig wäre. Auf dessen Basis entsteht dann ein Drehplan. Der sagt, was wann wie wo genau zu drehen ist, so dass die kosten minimal sind. Was im Drehbuch wie in einer Theaterstück in einer für die Geschichte passenden Reihenfolge steht, wird dafür in Teile zerlegt und neu gemischt. Szenen am selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten im Film, werden zusammengelegt, so dass der Drehort nur einmal besucht werden muss. Und was am Ende passiert, wird an den Anfang gelegt. Der Dreh ist mithin nicht chronologisch.

Das bedeutet, etwas das früh gedreht wird, aber erst spät im Film auftaucht, muss 100% so gedreht werden, dass es später passt. Der Regisseur muss also genau wissen und dem ganzen Team klar machen, was vorher passiert sein wird, damit die früh gedrehten späteren Szenen auch brauchbar sind. Sie liegen dann nach der Aufnahme auf Halde. Nicht nur steckt in ihnen jetzt Kapital, sie zwingen den Rest des Drehs auch in eine Form, der sie anschlussfähig macht.

Der nicht-chronologische Dreh ist damit eine lokale Optimierung im Sinne des Geld-/Zeitbudgets - und stellt ansonsten nur eine Belastung dar: Die Continuity steht vor einer großen Herausforderung, um visuelle Sprünge zwischen aneinander geschnittenen Einstellungen zu vermeiden, die mit großem Abstand gedreht wurden. Die Schauspieler stehen vor großen Herausforderungen, da sie Präsenz in ihren Rollen "auf Zuruf" ganz ohne Kontext herstellen müssen. Der Regisseur steht vor der großen Herausforderungen, das Ganze in seinem Zusammenhang und seiner Entfaltung allen Beteiligten immer wieder präsent zu machen, auch wenn jeden Tag nur beliebige Ausschnitte gedreht werden.

Als Resultat entsteht eine wachsende Halde von Takes, deren Qualität im Rahmen eines Ganzen erst im Schnitt deutlich wird. Nicht nur wird sich dann erst erweisen, ob alles so anschlussfähig ist, wie geplant.

Insofern kann denn auch das Drehbuch als Halde angesehen werden. Es ist ein Plan für die Herstellung einer Wirkung beim Zuschauer. Ob der aufgeht, zeigt sich ebenfalls erst im Schnitt.
Monatelang wird Geld in ein Drehbuch investiert, ohne dass man weiß, ob das Endresultat dem künstlerischen Anspruch gerecht wird. Wochenlang wird dann Geld in einen Dreh investiert, ohne dass man weiß, ob der in Summe das Drehbuch angemessen umsetzt und im Schnitt das gewünschte Ergebnis entstehen kann.

Während seiner ersten 10 Filme hatte Wim Wenders versucht, diese Unsicherheiten durch viel Planung zu kompensieren. Er hatte Drehbücher nicht nur umgesetzt, sondern auch geschrieben. Nicht umsonst war er Mitgründer des Filmverlags der Autoren. Damit vermied er Reibungsverluste zwischen Regisseur und Drehbuchautor. Seine Planung begann also schon bei der Idee.

Während des Drehs dann hatte er - wie er heute während eines Colloquiumgesprächs an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater berichtete - alles genau vorausgeplant. Jede Einstellung, jeder Auftritt, jeder Abgang, alles hatte er spätestens am Vorabend eines Drehs genaustens ausgetüftelt. Damit sollten Reibungsverluste zwischen Schauspielern und ihm oder auch der Technik während des Drehs reduziert werden. Es galt ja, die knappe Drehzeit bestmöglichst zu nutzen.

So war das. Bis zum Film "Paris, Texas".

Da machte er es anders. Motiviert hatte ihn seine Erfahrung mit der Inszenierung eines Theaterstücks. Denn im Theater wird anders gearbeitet. Es gibt nur eine Einstellung, es gibt nur eine chronologische Darstellung. Und hat das Stück begonnen, muss der Regisseur auf die Schauspieler vertrauen. Während der ganzen Vorstellung kann er nicht mehr eingreifen.

"Paris, Texas" hat Wim Wenders dann anders gemacht.

Das Drehbuch war nur halb fertig bei Drehbeginn. (Eine zweite Hälfte existierte nur für die Geldgeber. Sie war nie für die Produktion bestimmt, sondern ein Fake.)

Und der Dreh verlief streng chronologisch.

Das Ergebnis? Ein Film der von der Kritik gelobt und mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet. Das Ergebnis lässt sich also sehen - und das ganz ohne Aufhäufung von Halden. Für Wim Wenders ist klar, dass der Film seine Qualität nur erhalten konnte, weil eben nicht zwanghaft ein Ende vor Drehbeginn vorgedacht worden war und sich die Schauspieler mit ihren Figuren entwickeln konnten. Das Geheimnis für das gute Ergebnis, ja, das bessere Ergebnis als bei vorhergehenden Filmen besteht für ihn mithin in der Vermeidung von Halden. Er hat in nichts investiert, von dem er nicht wusste, ob es so später gebraucht werden würde. Er hat sich mit keiner Halde von Vorproduziertem die Möglichkeit zur Reaktion auf Entwicklungen während des Drehs eingeschränkt.

Mir scheint das eine kopierenswerte Haltung. Auch in der Softwareentwicklung sollten wir es vermeiden, ein ausgefeiltes Drehbuch von Anfang bis Schluss zu schreiben. Vor Beginn der Entwicklung zunächst ein Backlog satt zu füllen, versenkt Geld in Anforderungen, von denen nicht sicher ist, wann, wie und ob sie später umgesetzt werden sollten, ob sie einem Anwender wirklich den intendierten Nutzen bieten. Ein pralles Backlog schränkt durch die Investitionen auch die spätere Reaktionsmöglichkeit ein. Denn was im Backlog steht, muss ja umgesetzt werden. Immerhin steckt da ja einige Mühe drin. Die darf nicht umsonst sein. Wenn in Wochen oder Monaten Neues auftaucht, dann hat sich das hinten anzustellen. Mit einem ausführlichen Backlog gilt das Prinzip "First come, first serve".

Ebenso sollte die Softwareentwicklung vermeiden, Code auf Halde zu produzieren. Der nicht-chronologischen Drehreihenfolge beim Film entspricht eine Entwicklungsreihenfolge, die sich von Befindlichkeiten der Softwareentwicklung leiten lässt. Wenn die meint, es müsse zuerst eine Infrastruktur aufgesetzt werden, ein Persistenzframework geschrieben, ein Security-API entwickelt werden, bevor auch nur ein Anwender etwas in die Hand bekommt… dann produziert sie Code auf Halde. Von dem weiß auch niemand, wann, wie, ob er mal Nutzen entfalten wird.

Zum Glück vertritt die Agilitätsbewegung diese Sichtweise schon länger. Sie ermahnt, Code nicht auf Halde zu produzieren, sondern nur in nützlichen Inkrementen. Sie ermahnt, nicht zuviel in Vorabplanung von Anforderungen und Entwürfen zu investieren. In der Projektrealität ist das allerdings immer noch nicht überall angekommen. Deshalb finde ich es motivierend, aus ganz anderer Richtung davon zu hören, wie die Reduktion von Halden erfolgssteigernd wirken kann. Dass selbst die Filmproduktion davon profitiert… Wer hätte das gedacht?

Vielen Dank, Wim Wenders, für diese Plauderei aus dem Nähkästchen.


PS: Woody Allen hat übrigens auch erkannt, dass Drehbuchhalde und Takehalde sich abträglich auf das künstlerische Ziel auswirken können. Er stellt sie zwar noch komplett her - doch er erlaubt sich spätere Korrekturen. In den Verträgen seiner Schauspieler steht, dass sie - wenn ich es recht erinnere - bis zu einem halben Jahr nach Drehschluss noch für Nachdrehs zur Verfügung stehen müssen. Für Woody Allen kann sich einfach im Schnitt herausstellen, dass Haldenmaterial in seiner Qualität ungenügend ist. Dann bessert er aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse einfach nach.
Das scheint mir auch in Linie mit der Agilität zu sein. Woody Allen hat erkannt, dass sich Ziel und/oder Weg mit der Zeit durch die Produktion verändern können. Das überrascht ihn nicht mehr, sondern er weiß es und trifft also vertragliche Vorkehrungen.

10 Kommentare:

SMon' hat gesagt…

Manchmal ist's ein Vergleich, der hinkt...

Ich stimme zu, dass es nicht immer notwendig/sinnvoll ist, alles im Voraus zu planen ("Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.", Helmuth von Moltke),
aber auf einiges vorbereitet zu sein. Hier kommt die Erfahrung ins Spiel, auch mal etwas "geplant" durchgeführt zu haben und die Knackpunkte zu kennen.

"Paris, Texas" war, wenn wikipedia nicht lügt, der 20. Film von Wim Wenders.

Ich denke, da schwingt auch eine Menge an Erfahrung mit, einen Film "just-in-time" zu drehen (Anspielung ist nicht zufällig). Eine grobe Vorstellung (Eckpunkte) des Films war mit Sicherheit schon im Kopf vorhanden.

Irgendwie hört sich deine Argumentation sehr "leanig" an ;)

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@SMon: Dass Erfahrung in allen Metiers nützlich, ja notwendig ist, ist klar. Ob Wasserfall, Scrum, Kanban oder Cowboy Programming... Qualität kann nur erwarten, wer auch grundsätzlich kompetent ist.

Bei gegebener Kompetenz jedoch, da macht die Reduktion von Halden jedoch einen Unterschied. Darum ging es mir.

Wenders hatte mit einiger Kompetenz und Erfahrung sein bis dahin wasserfallartiges Vorgehen so weit wie möglich aufgegeben. Weniger Drehbuchhalde, keine Takehalde. Das war das Äußerste, was er damals durchkriegen konnte. Das war ihm ein echtes Anliegen, er musste viele Widerstände überwinden bzw. sich drumherummogeln. Und der Erfolg gab ihm Recht.

Diesen Mut wünsche ich vielen Softwareprojekten.

PS: Wenders sprach von 10 Filmen bis dahin und von "Der Scharlachrote Buchstabe" als seinem zweiten. Das zählt für mich. Was bei Wikipedia aufgeführt ist... allerlei anderes Zeugs, das ihm offensichtlich bei seiner Zählung nicht so wichtig ist.

Anonym hat gesagt…

SMon' == stmon

Diesen Mut wünsche ich vielen Softwareprojekten.

Da kann ich nur sapere aude erwidern...

PS: Anzahl der Filme... passt :) ich wollte auch nur auf die Erfahrung hinaus.

Bibo59 hat gesagt…

Stimmt, der Vergleich hinkt, da beim Film überhaupt keine Halden entstehen. Schon während des Drehs, sobald das erste Rohmaterial aus der Kamera kommt, wird geschnitten. Da die einzelnen Szenen jeweils an einem Ort spielen, auch kein Problem. Der Film entsteht im Schnitt und wir arbeiten mit Montage-Sequenzen. Die wenigsten Filme sind komplett geplant. Der Kameramann entscheidet über Lichtsetzung, Objektivwahl, Bildausschnitt, Kamerawinkel etc. Schauspieler wie Dustin Hoffmann spielen in vager Anlehnung an das Drehbuch, alles nicht geplant. So manches Drehbuch wurde im Schnitt schon völlig verworfen, Beispiel: "12 Uhr Mittags". Der nicht chronologische Dreh dient insofern gerade dazu, Halden zu vermeiden. Filme, die "am Stück" gedreht werden, können im Schnitt genau die gleichen oder größere Probleme bereiten. Anschlussfehler sind bei einem "ungeplanten", dokumentarischen Film viel eher zu erwarten, nur sind sie anderer Art. Wenders, der mit zunehmendem Alter immer mehr dokumentarisch arbeitet, war auch nicht der erste, der mit cinema verité experimentiert hat. Trotzdem ist er bei seinen Dokumentarfilmproduktionen teilweise wieder von dieser Vorgehensweise abgekommen. Und last not least: Wenn alle so vorgehen würden, gäbe es im Kino nur noch Roadmovies zu sehen. Und wer will das schon?

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Bibo59: Dass sofort geschnitten wird, wenn Rohmaterial zur Verfügung steht (was bei Digitalproduktion ja sofort ist), halte ich für ein Gerücht. Jedenfalls, dass das Gang und Gebe wäre.

Ebenfalls halte ich es für ein Gerücht, dass es Usus wäre, mit unfertigen Drehbüchern zu arbeiten. Ob nun jeder Satz 1:1 wie im Drehbuch gesprochen wird oder nicht... geschenkt. Aber dass keine Vorstellung vom Ende herrscht, scheint mir nicht der Normalfall.

Dass vor Ort immer noch spontan irgendwas entschieden wird, ist auch klar. Wenn die Wolke ungeplant aufzieht, muss am Licht gedreht und an der Kamera eingestellt werden. Das habe ich nicht anders gehauptet.

Ebenfalls nicht, dass Wim Wender der Erste mit irgendwas gewesen wäre. Nur er hat halt ganz klar gemacht, wann und warum er gewechselt. Für ihn war die Theaterregie der Impuls: im Theater entsteht auf der Bühne nichts auf Vorrat. Das Spiel wird sozusagen sofort vom Zuschauer "verbraucht". Dadurch entsteht Entwicklung in den Schauspielern.

Dass ein nicht-chronologischer Dreh keine Halde erzeugen soll, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn die erste Szene, die gedreht wird, das Filmende ist, dann liegt die solange rum, bis sie ganz am Ende des Schnitts angefügt wird. Zwischen Herstellung und "Verbrauch" liegt maximal lange Zeit. Wenn das keine Halde ist, fress ich nen Besen.

Im Kino bzw. im Film gibt es übrigens nur Roadmovies - im übertragenen Sinn. Jede Geschichte stellt eine Entwicklung dar. Um nichts anderes geht es ja beim Roadmovie. Nur findet sie da auch noch eine deutliche Entsprechung im Äußeren.

Die Charaktere entwickeln sich bei "Paris, Texas" genauso wie bei "Die Wand" (spielt nur an 1 Ort) oder "2001 - Odyssee im Weltraum" oder "2012". Insofern könnten alle Filme davon profitieren, chronologisch gedreht zu werden. Dass das nicht immer wie bei "Paris, Texas" geht, ist klar.

Bibo59 hat gesagt…

PS: Wer will schon ein und dieselbe Kulisse immer wieder auf- und abbauen? Das ist viel zeitraubender, als alle Takes in dieser Kulisse zu drehen, dann die Takes in einer anderen. Und was, wenn das Wetter nicht mitspielt? Dann dreht man halt Innenaufnahmen und wenn das Wetter dann passt, rennen alle raus um zu drehen.

Bibo59 hat gesagt…

Herr Westphal!

Glauben Sie im Ernst, ein Film würde zuerst komplett gedreht und käme dann erst in die Postpro? Was sie für ein Gerücht halten, zeigt, wie wenig Sie sich mit den wahren Produktionsbedingungen auskennen. Jeden Abend wird das abgedrehte Kameramaterial vom Assistenten ins System eindigitalisiert, Töne angelegt und vorbereitet. Am nächsten Tag wird von den gedrehten Filmszenen ein Rohschnitt erstellt. Ist so! Die Szene liegt eben nicht rum, sondern wird bearbeitet.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Bibo59: Die Frage nach der Kulissenschieberei ist eine nach der Optimierung. Der nicht-chronologische Dreh ist eine Optimierung - das habe ich von vornherein gesagt. Und zwar eine Optimierung nicht (!) im Sinne der Geschichte. Nur darauf kommt es mir an. Oder willst du sagen, man hat diese Form des Drehs erfunden, weil sich nicht-chronologisch Geschichten besser erzählen lassen?

Wenn einer zwischen verschiedenen Werten abwägt und sich bewusst für die Optimierung eines anderen als der Geschichte entscheidet, ist das ja völlig legitim. Auch bei der Softwareentwicklung müssen wir Werte gegeneinander abwägen.

Wer sich dann für die Erhaltung der Kulisse über 3 Drehtage entscheidet, um sie nicht immer wieder auf/abzubauen, der entscheidet sich damit aber eben gegen eine natürlichere Entwicklung der Rollen. Und er entscheidet sich für die Anhäufung einer Halde. Denn auch wenn der Rohschnitt dessen, was man an einem Tag dreht, am nächsten gemacht werden kann... dann heißt das noch lange nicht, dass dafür schon Anschlussmaterial zur Verfügung steht. Vielleicht wird das erst in 10 Tagen gedreht. Und schon wieder liegt etwas auf Halde.

Ich versteh nicht, dass das so schwer zu verstehen ist. Halde ist immer da, wo etwas nicht sofort verbraucht wird. Und selbst der Rohschnitt verbraucht nicht wirklich. Denn die 2 Minuten, die heute und morgen an Location A gedreht werden, schließen ja nicht unbedingt an einander an. Wo ist denn aber das Material der Anschlusslocations? Das muss erst noch gedreht werden und dabei muss man drauf achten, dass alles passt - sonst war der Aufwand bei A umsonst.

Bibo59 hat gesagt…

Es spielt, im Sinne der Geschichte überhaupt keine Rolle, ob chronologisch gedreht wird oder nicht, da die eigentliche Geschichte und deren Chronologie erst im Schnitt entsteht. Vgl.
http://www.vierundzwanzig.de/drehbuch/was_ist_ein_drehbuch
http://www.vierundzwanzig.de/schnitt/ueber_die_filmmontage
Eine Filmkulisse im Studio ist auch nicht vergleichbar mit einer Theaterkulisse, die man eben mal wegschiebt. Eben so wenig wie gute Filmschauspieler selten gute Theaterschauspieler sind und umgekehrt. Sie behaupten zu wissen wie man Halden vermeidet, nehmen aber in Kauf, eine Filmkulisse im Studio, deren Herstellung und Aufbau mehrere Wochen in Anspruch nimmt, immer wieder auf und abzubauen. damit die "Geschichte" chronologisch erzählt werden kann. Was dieses Vorgehen für die Continuity bedeutet, vernachlässigen Sie mal eben.
Welche Geschichte ist schon Chronologisch aufgebaut? Es gibt Rückblenden, Parallel-Montage nicht alle Darsteller sind an allen Orten an allen Szenen beteiligt. Während Harry und Hermine an einem Set arbeiten, sind Dumbledore und Voldemort an einem anderen. Harry und Hermine müssen nicht daneben stehen, wenn Dumbledore und Voldemort an einem anderen Ort agieren. Jede Filmszene ist ein in sich abgeschlossener Komplex. Der wird geschnitten, während andere Szenen gedreht werden. Das ist auch bei "chronologisch" gedrehten Filmen nicht anders. Deswegen ist die Chronologie eines Drehs völlig unerheblich. Filme die nur an einem Ort spielen, mit nur wenigen Darstellern oder Roadmovies sind die Ausnahme, nicht die Regel.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

Ich versuche das hier mal wieder einzufangen. Soll ja nicht zu einer Filmakademie ausarten. Über die Feinheiten des analogen oder digitalen Films und moderner Erzählstrukturen können wir uns ja mal beim Bier austauschen...

Also: Ich habe 1 Regisseur mit 1 Film und 1 Erklärung für sein geändertes Drehverhalten als Beispiel angeführt, dass wir für die Softwareentwicklung etwas lernen können:

Wim Wenders hat für 1 Film erkannt, dass die Produktion auf Halde (Drehbuch, Takes) einem Wert abträglich wäre. Also hat er sich für ein anderes Vorgehen entschieden.

Halden sind also nicht per se gut. Wir sollten sensibel für Halden sein: sie erkennen und immer wieder überlegen, ob es sich lohnt, eine Halde aufzuschütten, d.h. Kapital darin zu binden bis zu eine späteren Gebrauch.

Halden sind schnell mal lokale Optimierungen, die dem Ganzen abträglich sein können. Halden können natürlich auch Puffer sein. Aber um zwischen nützlichen und schädlichen Halden zu unterscheiden, müssen wir sie erstmal sehen lernen.

Wim Wenders hat zwei erkannt und sich bewusst dagegen entschieden, um eine Geschichte zu optimieren. Wenn sich z.B. Michael Mann bei "Transformers" anders entscheidet... dann ist das völlig ok.

In der Softwareentwicklung sollte - das ist mein Punkt - die Entscheidung ebenfalls bewusst getroffen werden. Das wird sie oft nicht. Sondern es wird nach Schema F wie vor 30 Jahren entwickelt: in dem man Halden aufhäuft.

Dagegen wendet sich die Agilität. Das zu illustrieren, habe ich Wim Wenders herangezogen. Nicht mehr, nicht weniger.