Ein Beben geht durch die deutsche Entwicklerkonferenzlandschaft. Es ist nicht, noch nicht sehr stark, es klirren nur die Gläser, es zittert der Boden nur ein wenig, aber es ist merklich. Heute habe ich es z.B. wieder gemerkt, als ich mit dem Veranstalter einer großen deutschen Entwicklerkonferenz telefoniert habe. Das Symptom: die Aufregung um den Begriff "Konzeptkonferenz", den ich für die prio Konferenz der dotnetpro benutzt habe.
In einem Posting hatte ich vom Erfolg der prio als "erster Konzeptkonferenz" gesprochen. Das stieß meinem telefonischen Gesprächspartner und seinem Stab auf. Und auch einem Kommentar zu meinem Posting hatte ich schon Empörung über diesen Begriff entnommen.
Sicherlich kann man über die Eignung des Begriffs diskutieren (s.u.), aber die Sensibilität mit der er aufgenommen wurde, die Heftigkeit, mit der er zurückgewiesen wurde, das sind für mich Symptome für ein zumindest leichtes Beben in der Konferenzlandschaft. Es wird eben enger. Man muss sich mehr anstrengen für den Erfolg seiner Veranstaltung. Die Zeiten, als die BASTA! in den 1990ern so ziemlich allein auf weiter Flur war, sind vorbei. Und da wo es enger wird, da reagiert man dann halt feinfüliger, wenn man etwas hört, was scheinbar am eigenen Image kratzt.
Denn das ist die Empfindung der Kommentatoren des Begriffs "Konzeptkonferenz": Er kratzt am Image anderer Veranstaltung, weil er scheinbar anderen Veranstaltung ein Konzept abspricht. Wer will schon konzeptlos sein?
Nun, da mir heute wieder dieses Missverständnis entgegengeschlagen ist, scheint es angezeigt, doch noch ein Wort über den Begriff zu verlieren. Ich hänge einfach an ihm, weil ich ihn schlicht weiterhin passend finde. Also, was meine ich mit "Konzeptkonferenz"?
Für mich steht "Konzeptkonferenz" als zusammengesetzter Begriff in der Nähe von "Konzeptalbum" und "Konzeptkunst". Diese Begriffe sind seit langem etabliert und keiner hegt Zweifel an ihrer Bedeutung oder Sinnhaftigkeit. "Konzeptalbum" drückt nicht (!) aus, dass hinter anderen Alben kein Konzept stünde. Und "Konzeptkunst" spricht anderer Kunst nicht ab, auch ein Konzept zu haben.
Diese Begriffe sind insofern idiomatisch und nicht einfach durch eine Zerlegung in ihre Bestandteile zu erklären: Konzeptkunst = Kunst mit Konzept, Konzeptalbum = Album mit Konzept.
So einfach ist es nicht. So einfach machen es sich aber die Kritiker des Begriffs "Konzeptkonferenz". Sie hören, was sie wollen. Sie meinen, ich wollte sagen: "Die prio ist die erste Konferenz mit einem Konzept." Aber das habe ich nicht gesagt und das will ich nicht sagen. In meinem früheren Blogposting und einem Kommentar habe ich das auch deutlich gemacht.
Konzeptkonferenz != Konferenz mit Konzept. Diese "Übersetzung" ist zu einfach. Ein solcher linguistischer Kniff funktioniert halt nicht immer so, wie man es gerne hätte. Was wäre denn sonst ein "Radiorecorder"? Ein Recorder der Radios aufnimmt? Nein, auch das ist zu einfach.
Wikipedia sagt, ein Konzeptalbum sei ein Album, "bei dem die einzelnen Titel nicht isoliert sondern in ihrer Beziehung zu den anderen Teilen des Albums als Gesamtwerk betrachtet werden."
In Anlehnung daran ist für mich eine "Konzeptkonferenz" eine Konferenz, bei der die einzelnen Vorträge nicht isoliert, sondern in ihrer Beziehung zu den anderen als Gesamtdarstellung zu einem Thema betrachtet werden.
Sind TechEd oder BASTA! oder VSone nach dieser Definition Konzeptkonferenzen? Nein. Haben diese Konferenzen deshalb aber auch kein Konzept? Doch, natürlich.
Das Verständnis für den Begriff liegt in "ihrer Beziehung zu den anderen als Gesamtdarstellung". Nur weil eine Konferenz sich auf .NET konzentriert oder auch ein Teilthema wie TFS oder SQL Server, wird sie nicht gleich zur Konzeptkonferenz. Es kommt darauf an, wie mit dem Inhalt umgegangen wird. Wird ein offener oder geschlossener Call-for-Papers abgesetzt und man wählt dann halt so aus den Einreichungen aus. Man nimmt letztlich, was man kriegen kann? So verfahren TechEd & Co. Das ist ihr Konzept - aber sie sind deshalb keine Konzeptkonferenzen.
Denn für eine Konzeptkonferenz muss noch etwas hinzutreten: Die Vorträge müssen zu einem Ganzen, das größer als die Summe seiner Teile ist, zusammengefügt werden. Erst dann ergibt sich eine "Gesamtdarstellung". Die einzelnen Vorträge müssen in Beziehung stehen, auf einander Bezug nehmen, miteinander verzahnt werden.
Wo das Oberthema eines von vielen Tracks bei einer Konferenz vielleicht lautet "WCF" und Vorträge dann nur unterschiedliche Aspekte beleuchten, fehlt einfach die Gesamtdarstellung. "Contract-first Design für WCF-Anwendungen" und "Session Managemant mit WCF" und "Datastreaming mit WCF" ergeben zusammen einfach keine "Gesamtdarstellung", nichts, das größer ist als die Summe seiner Teile.
Dazu braucht es einen Bogen, der gespannt wird, und dessen Bausteine die einzelnen Vorträge sind. Und genau diesen Bogen hat die prio gespannt. Sie hat ein Oberthema - Softwareproduktion - definiert und genau spezifiziert, welche Unterthemen zu diesem Oberthema zusammengebaut werden sollen. Das große Ganze war klar und geplant, die Einzelteile waren klar und geplant. Das hat das Marketing dann auch "durchkomponiert" genannt.
Solche Planung gibt es bei TechEd oder BASTA! oder VSone aber nicht. Das gibt´s zwar einzelne Track-Themen, aber was dann in den Tracks gesagt wird, soll keinem "Plan" jenseits von "Das ist cool!" oder "Das hat noch keiner gesagt!" oder "Das ist strategisch wichtig zu sagen!" folgen.
Ist das schlimm? Kritisiere ich das? Nein. Das ist ok. Das ist auch ein Konzept. Aber das Resultat ist eben keine Konzeptkonferenz nach obiger Definition. Das Resultat ist dann "nur" eine Konferenz mit Konzept. Und das Konzept habe ich (durchaus nett und mit nostalgischem Anklang gemeint) als "Ein Kessel Buntes" bezeichnet.
Ist das so schwer zu begreifen? Vielleicht ja, wenn man sensibel für das Beben des Bodens unter den eigenen Konferenzbeinen ist.
Das tut mir dann leid. Ich möchte ja niemanden mit einem solchen Begriff verschrecken. Aber andererseits kann ich auch nicht helfen. Dinge, die anders sind - wie die prio im Vergleich zur TechEd oder BASTA! oder VSone -, die sollten auch einen anderen Namen bekommen. Nichts anderes habe ich mit "Konzeptkonferenz" tun wollen. Dem Kind einen griffigen Namen geben.
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