Softwareentwicklung ist zwar eine Profession - aber läuft sie auch immer professionell? Ich glaube - oder besser: Stefan Lieser und ich glauben, dass das leider nicht der Fall ist. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Da ist zum einen die Jugend unserer Branche: in nur 60 Jahren hat sich bisher kaum ein Konsens herausbilden können, was denn nun wirklich professionelle Softwareentwicklung ausmacht.
Da ist zum anderen der ewige Fachkräfte-Notstand: weil soviele Softwareentwickler immer noch oder immer wieder fehlen, gibt es keine einheitliche Ausbildung. Unternehmen stellen ein, wer halt irgendwie demonstrieren kann, dass er es mit der Softwareentwicklung ernst meint.-
Und schließlich brodelt es bei den Technologien ständig so, dass es wichtiger scheint, etwas Neues zu lernen, als sich auf etwas als Branche einzuschießen. Objektorientierung und Agilität sind zwar gewisse Konstanten, doch von einem Konsens im Sinne von "So tut man es und nicht anders!" sind wir dennoch weit entfernt.
Wir meinen nun, dass solcher Konsensmangel bei allem Verständnis für seine Ursachen, immer kontraproduktiver wird. Denn da der Fachkräftemangel wieder einmal nach einer Zeit der Ruhe ganz offensichtlich ist, stellt sich ja auch die Frage ganz dringlich: Wer ist denn ein guter, ein wirklich professioneller Softwareentwickler?
Dazu kommt die Erkenntnis, dass Ausbildungen auf einer Plattform wie .NET oder Java oder in einem Paradigma wie der Objektorientierung eben nicht zwangsläufig auch zu gutem Code oder hoher Produktivität führen.
Gelegentlich der Lektüre des Buches "Clean Code" von Robert C. Martin sind Stefan und ich deshalb auf die Idee gekommen, es als Ausgangspunkt für eine Bewegung für mehr Professionalität zu machen.
Die dortigen Empfehlungen sowie einige andere scheinen uns so grundlegend, dass sie konsensfähig sind/sein könnten. Wir trauen uns also einfach mal, eine Reihe von Prinzipien, Regeln und Praktiken zusammenzustellen, von denen wir meinen, alle - ja, alle! - Softwareentwickler können und sollen sie beherzigen. (Naja, mit Ausnahme des einen oder anderen Prinzips, das doch eher mit der Objektorientierung zu tun hat. Dem mag dann ein C-Entwickler nicht folgen. Aber das ist unerheblich.)
Den, der diese Prinzipien, Regeln und Praktiken fleißig befolgt in seiner Arbeit, den nennen wir dann Clean Code Developer (CCD) als Hommagè an Roberts Buch.
Und was gehört zu unserem Kanon? www.clean-code-developer.de gibt Auskunft. Dort haben wir in den vergangenen Wochen unser Wertesystem, wie wir es nennen, zusammengetragen. Eine Übersicht zeigt diese Seite: http://www.clean-code-developer.de/wiki/CcdWertesystem. Detailseiten führen dann aus, was wir unter den einzelnen "Werten" verstehen.
Der Trick dabei: Wir haben unser Wertesystem in "Module" verpackt. Ganz nach Manier der Budo-Sportarten definieren wir Grade, die unterschiedliche Entwicklungsstufen bei der Einarbeitung in das Wertesystem beschreiben. Damit wollen wir keine besser-schlechter, schlauer-dummer Hierarchie aufstellen, sondern nur im Sinne iterativen Lernens "Meilensteine" setzen. Dass einer das ganze Wertesystem von jetzt auf gleich einfach beherzigen kann, glauben wir nicht. Also lieber Schritt für Schritt vorgehen. Ein Grad nach dem anderen. Ganz locker und unbürokratisch. Niemand muss dafür ein Fomular ausfüllen oder eine Prüfung machen. Wir appellieren an die Ehrlichkeit des Adepten. Zumindest sie sollte ja auch zur Professionalität gehören ;-)
Wer sich solcher Mühe unterzieht, soll natürlich auch stolz darauf sein. Deshalb haben wir uns - auch angeregt durch Robert C. Martin - überlegt, dass wir Armbänder tragen könnten. Sie sind in der Form Ausdruck des Willens zu mehr Professionalität und in der Farbe ein Hinweis auf den Grad, an dem ihr Träger arbeitet. Eine dezentes wie auch effektives Berufsabzeichen, wie wir finden. Aber: auch das ist kein Zwang, sondern nur Angebot. Wir fänden es allerdings toll, wenn wir bei den nächsten Entwicklerveranstaltungen eine wachsende Zahl von CCD-Armbandträgern träfen :-) (Für eine Kostenerstattung schicken wir Interessenten gern ein Armband zu; einfach hier den Bestellknopf drücken: http://www.clean-code-developer.de/wiki/CcdArmband)
Wie gesagt: Das CCD-Wertesystem ist nur ein Vorschlag. Wir hauen einfach mal einen Pflock in den Boden. Während Microsoft über zukünftige Technologien sinniert und die Ausbildungen in den vergangenen Technologien verharren, sammeln wir einfach mal, was wir für zeitlos und unverbrüchlich halten. Ganz technologieneutral und paradigmenfern. Wer meint, dass wir dabei etwas vergessen hätten oder zuviel des Guten täten, der kann das mit uns gern diskutieren. Dafür haben wir ein Clean Code Developer Forum aufgesetzt: http://groups.google.de/group/clean-code-developer.
Nach den Wochen der Ausarbeitung bin ich nun ganz gespannt, wie die Community unsere Idee aufnimmt. Gebt uns Feedback!
Aber noch besser: Fangt mal mit dem roten Grad an. Ist gar nicht schwer. Das kann eigentlich jeder .NET-Entwickler aus dem Stand. Vielleicht ist so ein Armband ja auch ein Mittel, um dem Chef mal zu vermitteln, dass zur Softwareentwicklung mehr gehört, als Kundenanforderungen irgendwie zu erfüllen?
PS: Wer nach Durchsicht des CCD-Wertesystems einen Vorschlag zur Verbesserung hat oder eine Frage oder einfach nur seine Meinung äußern möchte, der möge das am besten gleich im CCD-Diskussionsforum tun. Da ist mehr Raum, um wirklich darüber zu sprechen. Mit den Kommentaren hier ist das eher hinderlich und leistet am Ende einer Verletzung des DRY-Prinzips Vorschub ;-)