Nun ist´s geschehen: Die Verlagswelt hat seit der Buchmesse 2008 unwiderruflich erkannt, dass das eBook (oder allgemeiner: eContent) nicht vorübergehend und nicht nebensächlich ist. Vielmehr gilt: "eContent is core". Das eBook kommt also. Jetzt, nun endlich. PDF gibt es schon lange und die zweite Welle der eBook Reader ist nun auch akzeptabel. Genug kritische Masse ist vorhanden, um "traditionellen Content" - also Zeitschriften und Bücher - digital der Leserschaft zuzuführen.
Aber wie nun genau? Das ist die Masterfrage. Puzzleteile für ein modernes Verlagsangebot gibt es viele. Hier als Beispiel eines, das mir sehr gut gefällt:
Das ist ein Artikel von mir dargestellt in einem Flash-basierten Viewer. Dafür habe ich nur das Artikel-PDF zu www.scribd.com hochladen müssen. Fertig. Das "Leseerlebnis" gefällt mir besser als im Acrobat Reader: das Blättern ist flüssiger, es gibt eine gute Übersicht, ich kann zwischen mehreren Ansichtmodi wechseln.
So könnte es die dotnetpro mit allen Artikeln in ihrem Archiv für die Abonnenten machen; die anderen Zeitschriftenanbieter selbstverständlich auch. Denn nicht nur hat so ein Viewer Vorteile für den Leser. Verlage können einstellen, was Sie dem online Leser mit so einem Dokument erlauben zu tun. Soll er es als PDF lokal speichern können? Soll er es drucken können? Der Verlag behält das Szepter in der Hand.
Genau das war es nämlich, was Verleger bisher vermisst haben. Bei allem Interesse für die online Welt fühlten sie sich an Physische gekettet, weil sie Angst hatten, sonst keinen Einfluss mehr auf die Verwendung ihrer Inhalte ausüben zu können. Die Wahl lautete bisher (scheinbar): Drucken und Geld verdienen oder online anbieten und leer ausgehen.
Mit einem Viewer wie oben gibt es nun noch eine dritte Position in der Mitte: online gehen und die Nutzung nach Gusto einschränken. Ohne Inhalte noch speziell für´s Web layouten zu müssen, können sie 1:1 online gestellt werden. Die Verlage können den Nutzen der online Publikation also quasi sofort einfahren - ganz ohne Reie-
Die Zukunft einer Zeitschrift wie der dotnetpro stelle ich mir deshalb so vor:
- Die dotnetpro produziert zunächst einmal alle Inhalte nur digital als PDF. Sie werden wir üblich layoutet und mit Werbung gespikt.
- Die Inhalte werden wie oben gezeigt online publiziert. Manche Inhalte sind kostenlos und können von jedem gelesen werden. Manche Inhalte kann man nur mit einem Abo lesen. Wer ein Abo hat, kann sie dann auch lokal als PDF speichern.
So weit, so gut. Hätte alles auch schon passieren können ohne einen solchen Flash-Viewer. Klar. Das online Archiv der dotnetpro gibt es ja auch schon. Aber, wie gesagt, die einfache Darstellung der Artikel (oder eines ganzen Heftes) wie oben finde ich viel attraktiver als Acrobat.
Doch jetzt weiter: Was ist denn mit den Lesern, sie gern auch Papier in der Hand hätten? Online lesen ist nicht jedermanns Sache und auch nicht optimal für jede Situation. Zum Nachschlagen nutze ich es gern. Aber meine monatliche dotnetpro auf Papier möchte ich nicht missen.
Oder genauer: Ich möchte die Artikel, die ich jeden Monat lesen möchte, auf Papier haben können, wenn ich es will. Darüber hinaus möchte ich sogar jederzeit mir Artikel der dotnetpro zu "Sonderheften" zusammenstellen können, die ich dann auf Papier bekomme.
Das geht zwar auch, indem ich mir Artikel zusammensuche und die PDFs ausdrucke. Aber wieviel Mühe ist das? Und wie sieht das Ergebnis aus? Unschönes Papiergefledder.
Inhalte in gefälliger gebundener Form: das hat Wert für mich als Leser! Die möchte ich also auch in Zukunft, wenn dotnetpro & Co "digital gehen", nicht missen. Das eBook wird das pBook nicht verdrängen. Aber es wird seine Herstellung und Nutzung verändern.
Für die dotnetpro, das CoDe Magazine, das MSDN Magazine, Dr. Dobb´s Journal usw. zahle ich also aus mehreren Gründen gern:
- Inhalt: Sie liefern mit eine für mich relevante Mischung an Content auf hohem Niveau, ohne dass ich lange googlen muss.
- Layout: Der Content ist gut lesbar layoutet und auf einem sprachlich ordentlichen Niveau. So ist die Lektüre leichter für mich.
- Usability: Den Content in die Hand nehmen zu können, um ihn im Bus oder in der Badewanne lesen und darin Notizen machen zu können, macht ihn für mich lesefreundlich. Durch ein Heft blättern und auch räumlich einen Eindruck vom Inhalt zu bekommen, halte ich für wichtig für das Behalten. (eBook Reader können das nicht bieten - und wollen es auch nicht. Sie sehen darin gerade ihren Vorteil.)
Das sind meine Prioritäten. In dieser Reihenfolge. Das Papier kommt zuletzt - aber es kommt. dotnetpro & Co sollten es also nicht aufgeben. Im Gegenteil! Ichhalte das Papier auch im Zeitalter der eBooks für den Freund jedes Verlegers. Doch er muss damit anders umgehen. Es ist gerade für Fachinhalte nicht mehr erstrangig im Sinne eines primären Veröffentlichungsmediums.
Zur Zukunft der dotnetpro gehört für mich deshalb auch noch:
- Ich kann mir die online publizierte dotnetpro bei Bedarf ausgedruckt und gebunden liefern lassen. Sie wird dann on demand hergestellt.
- Nicht nur die monatlichen Artikelzusammenstellungen kann ich mir drucken und binden lassen, sondern jede Kombination von Inhalten. Die dotnetpro kann selbst Sonderhefte aus ihren Archivinhalten schnüren und online wie printed on demand anbieten. Darüber hinaus bietet sie mir die Möglichkeit, im Archiv zu suchen, Artikel zu einem virtuellen Sonderheft zusammen zu fassen - und auch dieses persönliche Sonderheft auf Papier zu bestellen.
- Und im nächsten Schritt kann ich Filter auf die Inhalte setzen, so dass automatisch Neuerscheinungen in für mich relevanten Bereichen zu "Sonderheften" gebündelt werden. Für die online Nutzung geht das heute schon mit RSS-Feeds. Aber ich wünsche mir darüber hinaus, dass diese Inhalte als Hefte einfach so mir auf den Tisch flattern. Denn dann schenke ich ihnen eine andere Aufmerksamkeit. Dann kann ich mich auf die fokussieren, statt oft online nur husch-husch drüber zu lesen.
Meine Vision von der Zukunft der Zeitschriften ist also eine hybride: Sie sollten zuerst online publizieren - was nicht heißt, dass es kostenlos sein soll. Sie sollten aber auch weiterhin auf Papier verfügbar sein, wenn ich es mir wünsche.
Der obige Flash-View ist dafür ein erster Baustein, weil er so handlich für Leser und Verleger ist. Der zweite Baustein, der ad hoc on demand Druck... der fehlt noch. Existierende Print-on-Demand Anbieter wie Book on Demand oder buchwerft können das nicht. Hilfe naht jedoch... Der zweite Baustein ist unterwegs. Davon aber ein andermal.
PS: Was ich hier über Zeitschriften gesagt habe, gilt im Grunde auch für Fach-/Sachbuchverlage. Auch sie sollten "online first" denken - ohne Abstriche beim Layout. Dann eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten des Umgangs mit Büchern. Die Zukunft gehört dann dem cBook, dem customized book, d.h. den Büchern, die jeder sich zusammenstellen kann, wie er möchte - aber nicht muss.
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