Donnerstag, 25. Januar 2007

OOP 2007: (Selbst)Kritischer Rückblick auf den .NET Tag

Der .NET Tag der OOP 2007 liegt hinter uns. Alle Jahre wieder... Die OOP nun schon zum 16. Mal! Der .NET Tag immerhin auch schon zum vierten Mal. Im Fluss der stetigen Neuerungen in der Branche finde ich ein paar Inseln der Konstanz eigentlich sehr entspannend. Insofern würde ich auch sagen: Nach dem .NET Tag der OOP ist vor dem .NET Tag der OOP :-)

Mir hat der .NET Tag wieder Spaß gemacht - und ich hoffe, das Feedback wird zeigen, dass es auch den Teilnehmern so gegangen ist. Als Tech Chair des .NET Tages ist es ja meine Aufgabe, ein attraktives Programm zusammenzustellen.

Die Teilnehmerzahl war aus meiner Sicht jedenfalls zufriedenstellend. Der erste Vortrag um 9h war noch nicht so gut besucht (ca. 40-50 Teilnehmer), was wie immer am frühen Termin, aber in diesem Jahr auch speziell an den Witterungsverhältnissen lag. Aber die weiteren Vorträge haben bis zum Schluss regen Besuch anziehen können; ich schätze mal, es waren jeweils 70-90 Teilnehmer oder sogar mehr.

Und wie waren die Vorträge? Hm... Ich fand sie alle "solide". Es gab keine "Ausreißer" nach oben oder unten in der Qualität, d.h. keinen besonders begeisternden, aber auch keinen besonders enttäuschenden Vortrag. Der Gruntton war besonnen - außer bei Neno Loje mit seiner positiv "jugendlichen Art".

Im Grunde bin ich also zufrieden mit der "Performance" der Referenten. Dennoch kann ich den .NET Tag nicht einfach als perfekt und erledigt abhaken.

Nachdenklich macht mich aber nicht so sehr die Bemerkung eines Teilnehmers während des Vortrags "Qualität überwachen" von Walter Bischofberger, das höre sich an wie eine "Verkaufsveranstaltung". Dem Teilnehmer stieß auf, dass Walter (unter anderem) über sein eigenes Produkt Sotograph referierte. Auch wenn ich den Gedanken hinter der kritischen Bemerkung des Teilnehmers verstehe, so finde ich sie in ihrer Pauschalität aber unberechtigt. Es ist nicht die Aufgabe einer Konferenz wie der OOP, "kritische Rezensionen" von Technologie und Konzepten zu präsentieren. Jede Konferenz will vor allem Möglichkeiten demonstrieren und zeigen, was geht. Wenn dann hier und da ein Vortag zum Verriss wird wie Christian Weyers zum Thema Web Service Software Factory, dann ist das natürlich ok - aber es ist nicht Sinn des Ganzen. Entwicklerkonferenzen sind keine wissenschaftlichen Veranstaltungen. Es geht nicht um die Diskussion rivalisierender Theorien und ihre Falsifizierung. Es geht um die Präsentation von technologischen Optionen, das Machbare - das selbstverständlich immer auch Lücken hat.

Und insofern finde ich es nicht besonders kritikwürdig, wenn ein Sprecher über sein eigenes Produkt spricht. Ein "unabhängiger" Sprecher ist zwar immer eine politisch bessere Wahl - aber nicht für jedes interessante und vorstellenswerte Produkt gibt es einen solchen Sprecher. Also stehe ich zu meiner Wahl von Walter Bischofberger als Referent zum Thema Qualitätsmessung. Er hat in das Thema allgemein eingeführt, andere Produkte nicht ausgeklammert und dann 2-3 Demos dessen, was möglich ist bzw. auch mit anderen Tools möglich sein sollte mit seinem Sotograph gemacht. Ist das wirklich kritikwürdig? Finde ich nicht. (Zugegeben: Es kommt dabei auf den Ton an. Ein Verkäufergebahren womöglich gepaart mit mangelnder technischer Kompetenz sind selbstverständlich zu vermeiden. Beides fehlte dem Vortrag aber zum Glück.)

Die spontane Kritik des Teilnehmers ist auch naiv, weil Sprecher jeder Herkunft kein Interesse daran haben können, (besonders) kritisch aufzutreten. Niemand wird einen Vortrag nach dem Motto "Warum sie XYZ nicht nutzen sollten" einreichen. Der Grund: Am Ende färbt die Negativität der Aussage auf den Sprecher ab. Der möchte ja aber positiv assoziiert werden, um sich (oder seine Firma) auch über den Vortrag hinaus "zu verkaufen".

Eine Fachkonferenz wie die OOP ist also unterm Strich notwenig immer eine "Verkaufsveranstaltung": Alles, was präsentiert wird, wird ganz allgemein und grundsätzlich in positiver Weise dargestellt. Eine Fachkonferenz demonstriert das Mögliche, den state-of-the-art dar - und eben nicht das, was nicht geht. Dabei gibt es natürlich auch kritische Töne und es werden auch Grenzen von Technologien und Werkzeugen gezeigt. Sprecher können dadurch auch ihre Glaubwürdigkeit steigern. Aber die Dosis der Kritik muss vergleichsweise klein sein. Kein Teilnehmer will ja nach Hause fahren und sagen "Hey, Leute, jetzt weiß ich, was wir alles nicht tun sollten." :-)

Insofern: Mir ist ein solider Vortrag eines technisch beschlagenen Vertreters eines Herstellers lieber als ein schlechter Vortrag eines unabhängigen Sprechers. Ein guter Vortrag eines Unabhängiger ist dann noch eine Steigerung... aber nicht immer findet sich eben solch ein Sprecher. Und mir ist ein solider Vortrag durch den Hersteller vor allem lieber, als womöglich ein interessantes Thema gar nicht zu behandeln! Das aber geschieht häufig, weil viele spannende Technologien so wenig bekannt sind, dass sich kein unabhängiger Kompetenzträger findet, der auch noch ein guter Sprecher ist.

Aber, wie gesagt, diese kritische Äußerung des Teilnehmes über die vermeintliche "Verkaufsveranstaltung" hat mich gar nicht so nachdenklich gemacht. Viel mehr habe ich überlegt, ob die Vorträge des .NET Tages im Allgemeinen das richtige Niveau hatten.

Dass das Oberthema "Softwareproduktion" richtig gewählt war und wichtig zu vermitteln ist, davon bin ich weiterhin überzeugt. Aber die herausgegriffenen Aspekte waren den Teilnehmern sehr unterschiedlich vertraut. Eine Versionsverwaltung betreiben quasi alle schon, wie eine kurze Umfrage zeigte. Aber eine Qualitätsüberwachung eher keiner. Unit Testing ist allen bekannt, aber ein umfassender Techprozess dennoch nicht breit etabliert.

Das Niveau der Vorträge ist dieser unterschiedlichen Vertrautheit mit den Themen allerdings nicht unbedingt gerecht geworden. Bei Rainer Grau hätte ich mir etwas mehr Konkretheit in der Beschreibung gewünscht, wie Korrektheit gewährleistet werden kann. Und Holger Schwichtenberg hätte die breite Bekanntheit von Versionsverwaltungssystemen nutzen können, Best Practices vorzustellen; stattdessen hat auch er nur recht allgemein - wenn auch solide - zum Thema referiert.

Für mich ergibt sich daraus der Schluss: Gerade bei einer Konzeptveranstaltung wie dem .NET Tag ist es wichtig, das Wissensniveau der Teilnehmer richtig einzuschätzen und die Vorträge danach auszurichten. Bei den üblichen "Ein Kessel Buntes"-Konferenzen wird das umgekehrt durchaus getan: Vortragsvorschläge sind dort mit einem Schwierigkeitsgrad zu kennzeichnen. Teilnehmer können sich dann die Vorträge heraussuchen, die ihrem Kenntnisstand entsprechen.

Eine Konzeptveranstaltung, die das Oberthema vorgibt, muss hingegen anders arbeiten. Sie muss proaktiv den zu erwartenden Kenntnisstand der Teilnehmer einschätzen und danach nicht nur die Vortragsthemen definieren, sondern auch das Niveau des Vortrag. Und das sollte sich nicht in 100, 200, 300, 400 wie bei Microsoft erschöpfen, sondern feiner unterscheiden.

Ich denke, zu so einem "Niveauschema" für Vorträge, muss ich mir für den nächsten .NET Tag mal Gedanken machen. Dann stimmen Teilnehmererwartungen und Sprecherleistungen hoffentlich noch besser überein.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dass Problem bei einem "Niveauschema" ist, dass es i.d.R. eine hochgradig subjektiv empfundene Sache ist. Themenschwierigkeit ist nur bedingt objektiv und absolut messbar sondern hängt gerade vom Niveau des Publikums ab. Was der eine als trivial und selbsterklärend erachtet, ist für den anderen schwerster Lernstoff.
Da hilft in meinen Augen auch nicht, mehr als nur 3 Level wie etwa bei den MS Webcasts zur Einstufung zu verwenden. Damit wird die "gaußsche Glockenkurve der mangelhaften Selbsteinschätzung" zwar runder, aber sie bleibt mangelhaft...

Mein Fazit: Eine grobe Einstufung von Vorträgen in leicht/mittel/hardcore als Richtwert sollte sein, aber nicht zu eng gesehen werden. Es wird immer Leute geben, die mit ihrer (Selbst)Einschätzung daneben liegen - denn wem passiert das tatsächlich nie?

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Hans-Jürgen: Und genau deshalb kann eine Niveaueinschätzung (der Vorkenntnisse) nicht alles sein, was eine Niveauangabe ausmacht.

Ich meine - wie an anderer Stelle ausgeführt -, dass ein Ziel für die Zuhörer formuliert werden muss.

-Ralf

Anonym hat gesagt…

Hallo Ralf,

ich sehe auch das Problem, die Vorkenntnisse der Teilnehmer richtig einzuschätzen. Du hattest mir bei Absprache des Vortrags geschrieben: "wer setzt versionskontrolle aktiv in seinen projekten ein? max. 50% heben die hand.". Tatsächlich haben aber 100% der Teilnehmer bei genau dieser Frage die Hand gehoben. So, wie ich es auch ursprünglich vermutet hatte.

Man sollte also grundsätzlich vor die Teilnehmer selbst nach den Vorkenntnisse und Erwartungen gefragen. SIGS Datacom könnte über eine einfache Website Daten der Teilnehmer erheben. Dann würden Fehlplanungen - wie im Fall des Versionsverwaltungs-Vortrags - nicht so leicht passieren.

Ich stelle manchmal fest, dass auch Projektleiter die Vorkenntnise Ihrer Leute nicht richtig einschätzen und dann die falschen Schulungen für sie bestellen.

Holger
www.Visions.de

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Holger: Eine Abfrage der Selbsteinschätzung zum Thema bei Anmeldung fände ich interessant. Allerdings ergäbe sich daraus ein gewisses Henne-Ei-Problem: Eine Konferenz will ja mit einem Thema werben und das beinhaltet immer auch in gewisser Weise eine Vorkenntnisvoraussetzung. Wenn die Vorkenntnisse dann aber bei der Anmeldung abgefragt werden und sich ein anderes Bild ergibt... dann muss die Veranstaltung sich nach Ankündigung wieder verändern. Wo mit "XYZ für Einsteiger" geworben wurde muss dann womöglich stehen "XYZ für Fortgeschrittene"?

Hm... Ich weiß nicht. Warum nicht andersherum: Die Veranstaltung macht klarer als bisher, welche Erwartung man an die TN hat und was man ihnen bieten will. Dann kann sich ein TN nicht beschweren, wenn er diese Erwartungen nicht erfüllt.

-Ralf

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