Freitag, 17. September 2010

Rein in die Matrix!

Sind Event-Based Components (EBC) ne super Sache oder “krank” (wie gerade in einem Diskussionsforum behauptet wurde)? Tja… ich glaube natürlich, dass sie ziemlich cool sind und was bringen. Der Entwurf von Software wird damit einfacher, die Wartbarkeit, äh, Evolvierbarkeit steigt, die Verständlichkeit ebenfalls und automatisierte Tests brauchen keine Mock-Frameworks mehr.

image Es gibt auch eine kleine Community um EBC, die dasselbe denkt. Die Majorität der Entwickler ist jedoch – wenn sie denn EBC überhaupt kennen – mindestens indifferent. Ist es deshalb aber besser, weiterzumachen wie bisher? Oder wären EBC ein Gewinn für sie? Wer hat nun recht? Und in welchen Fällen?

Ich glaube, da können wir Überzeugte uns noch lang den Mund fusselig reden und schreiben, am Ende zählt immer nur eine Gegenüberstellung. Wer die aber nicht kundig selbst macht oder machen kann, der wird nicht überzeugt. Also muss die Gegenüberstellung anders laufen. Sie muss präsentiert werden.

Deshalb möchte ich ein Angebot machen:

Wer glaubt, EBC brächten nichts oder würden irgendwie die Softwareentwicklung sogar noch behindern, der kann sich mit seinem Ansatz zur Planung von Software im fairen, harten aber herzlichen Wettstreit mit mir messen. Wie wäre das?

Das ist dann natürlich kein wissenschaftliches Experiment. Dennoch ließe sich was lernen. Auf beiden Seiten. Da bin ich mir sicher.

image

Ich schlage vor, dass ein solcher “Shoot Out” in einer .NET User Group stattfindet. Sicher gibt es eine, die den Event hosten würde. Diese User Group würde beiden Parteien – EBC und Non-EBC – eine Aufgabe stellen, die die dann in einer Timebox umsetzen müssen. Zeitaufwand ca. 3 Stunden von der Anforderungspräsentation bis zur Auslieferung.

Am Ende würde mit vorgefertigten automatisierten Akzeptanztests geprüft, inwieweit die Anforderungen erfüllt sind. Zwischendurch – vielleicht nach 1,5 bis 2 Stunden – würden noch neue Anforderungen nachgereicht. Und natürlich würde jede Partei ihre Lösung in einem Review vorstellen.

Die Akzeptanztests machen eine Aussage über die Korrektheit des Codes, den ein Ansatz produziert. Die Erfüllung auch der nachgereichte Aufgabe machen eine Aussage über die Fähigkeit, den Code zu verändern, d.h. die Evolvierbarkeit.

Die Größe der Aufgabe ist fast egal, würde ich sagen. Sie muss nicht mal komplett zu schaffen sein. Es reicht, wenn die Zahl der Akzeptanztests nicht zu klein ist und in der Timebox davon eine ganze Reihe schaffbar sind. Dann ließen sich sich Unterschiede im Erfüllungsgrad ablesen. Die nachgereichte Anforderung wäre allerdings eine Pflichtanforderung, die zumindest angegangen werden muss.

imageWas der Ansatz der anderen Partei ist, ist egal. Sie sollte nur mit C# programmieren. Ob dann streng OOP oder Cowboy Programmierung oder Komponentenorientierung oder Funktionale Programmierung oder sonstwas gemacht wird… alles ist recht.

Hm… einen Aspekt würde ich allerdings noch gern reinbringen: Entwicklung im Team. Wäre also vielleicht gut, wenn auf jeder Seite 3 Leute stünden. Das ist etwas realitätsnäher und ließe größere Aufgaben zu.

Wäre das nicht mal ein Coding Dojo der besonderen Art? Ein “Shoot Out” Dojo oder Contest Dojo.  EBC gegen den Rest der Welt :-)

Wer nimmt die Herausforderung an?

image

Dienstag, 7. September 2010

Die Power von Rx für Event-Based Components

Ob Event-Based Components (EBC) auch mit den Reactive Extensions, dem Rx Framework von Microsoft implementiert werden könnten, stand als Frage schon länger im Raum. Jetzt hab ich mich mal daran versucht.

Als Beispiel habe ich die FizzBuzz Kata gewählt. Der EBC-Entwurf ist denkbar simpel:

image

Bisher wurde dann eine EBC-Aktion wie Zahl transformieren so übersetzt:

   1: class Zahl_transformieren_früher
   2: {
   3:     public void In_Zahl(int zahl)
   4:     {
   5:         ...
   6:     }
   7:  
   8:     public event Action<string> Out_Symbol;
   9: }

Output-Pins von EBC-Aktionen waren Events, Input-Pins Methoden. Das ist eine geradlinige Übersetzung. Funktioniert in der Praxis tadellos.

Und doch bleibt etwas zu wünschen übrig. Es gibt einfach keine Unterstützung für Operationen auf Folgen von Events, also Nachrichtenströme. Natürlich kann man Aktionen wie Filter in einen Draht “einklemmen” – doch die müssen relativ umständlich erst entwickelt werden.

Mit Rx geht das jedoch viel einfacher. Damit kann man einen Event-Strom filtern oder verzögern oder zwei Ströme zusammenführen usw. usf. Viele schöne Operationen auf Events – oder eben Observables – gibt es dort. Warum das nicht für EBC nutzen?

Deshalb hier mein Vorschlag für eine Übersetzung von EBC-Flows mit Rx-Mitteln:

* Ein Output-Pin wird in ein IObservable<T> übersetzt
* Ein Input-Pin wird in einen IObserver<T> übersetzt

Mit diesen Interfaces kann man dann wunderschöne Sachen machen.

Aber es sind eben nur Interfaces und so brauchen wir noch Implementationen. Ich nenne die mal OutputPin<T> und InputPin<T>. Ist doch irgendwie naheliegend, oder?


   1: class Zahl_transformieren
   2: {
   3:     public InputPin<int> In_Zahl { get; private set; }
   4:     public OutputPin<string> Out_Symbol { get; private set; }
   5:  
   6:     public Zahl_transformieren()
   7:     {
   8:         this.In_Zahl = new InputPin<int>(Transform);
   9:         this.Out_Symbol = new OutputPin<string>();
  10:     }
  11:  
  12:  
  13:     private void Transform(int zahl)
  14:     {
  15:         if (IsFizzBuzz(zahl))
  16:             this.Out_Symbol.Post("fizzbuzz");
  17:         ...
  18:     }

Um die eigentlichen Transformationsroutine Transform() wird nun ein IObserver<T> gewickelt in Form eines InputPin<T>. Und die Ergebnisse werden an einen OutputPin<T> geschickt, der ein IObservable<T> ist. Den können dann folgende Aktionen abonnieren.

Die Zahlengenerierung sieht analog aus. Kein Hexenwerk. Beide Aktionen verdrahte ich dann noch in einer Aktionsgruppe zu einem Flow, um die Details der Verarbeitung gegenüber einem Client zu verbergen:


   1: public class FizzBuzzer
   2: {
   3:     public InputPin<Unit> In_Generate { get; private set; }
   4:     public OutputPin<string> Out_Symbole { get; private set; }
   5:  
   6:  
   7:     public FizzBuzzer()
   8:     {
   9:         var ze = new Zahlen_erzeugen();
  10:         var zt = new Zahl_transformieren();
  11:  
  12:         this.In_Generate = ze.In_Generate;
  13:         ze.Out_Zahl.Subscribe(zt.In_Zahl);
  14:         this.Out_Symbole = zt.Out_Symbol;
  15:     }
  16: }

Dem Input-Pin der Aktionsgruppe kann der Input-Pin von Zahlen erzeugen zugewiesen werden. Sie braucht also keinen eigenen. Dito für den Output-Pin der Aktionsgruppe.

Und die konsumierende Aktion abonniert die produzierende Aktion, s. Zeile 13. Das entspricht der bisherigen Zuweisung einer Input-Pin Methode als Eventhandler an einen Output-Pin Event.

Formal ist der Unterschied zwischen bisheriger Übersetzung und der nach Rx minimal, finde ich. Das setzt sich dann bis zum Client fort, der die Aktionsgruppe nutzt:


   1: var fb = new FizzBuzzer();
   2:  
   3: fb.Out_Symbole.Subscribe(Console.WriteLine);
   4: fb.In_Generate.OnNext(new Unit());

Ein kleinwenig gewöhnungsbedürftig mag allerdings sein, dass Rx keine Kommunikation ohne Wert kennt. Deshalb muss die Zahlengenerierung mit einem Parameter angestoßen werden. Dankenswerterweise gibt es dafür Unit, sozusagen einen “wertlosen” Typ. Er ist der Funktionalen Programmierung entlehnt und findet sich auch in F# wieder.

Und jetzt zum Gewinn durch eine Umstellung der Übersetzung von EBC mit Rx:


   1: fb.Out_Symbole
   2:   .Where(s => s[0] < '@')
   3:   .Select(s => int.Parse(s))
   4:   .SkipWhile(i => i < 42)
   5:   .Subscribe(Console.WriteLine);

Wir können ganz leicht in den “Eventfluss” eingreifen. Es gibt viele Standardoperationen dafür, allen voran die bekannten und beliebten Linq-Operatoren.

Wie klingt das? Ich finde das sehr vielversprechend. Damit experimentiere ich weiter. Mein Gefühl ist, dass mit Rx die Übersetzung noch systematischer wird und gleichzeitig die Möglichkeiten zum Umgang mit Event-Strömen wachsen. Also ein doppelter Gewinn.

Abhängigkeiten bewusster wahrnehmen

Abhängigkeiten sind eine der größten Geißeln der Softwareentwicklung. Wenn es ein allgemein anerkanntes Prinzip gibt, dann ist es, Abhängigkeiten zu minimieren. Jede Hilfe ist da willkommen. Was können Sie also tun, um Abhängigkeiten im Code los zu werden?
Für die Suche nach einer Lösung und die Beurteilung von Hilfsangeboten ist es nützlich, Abhängigkeiten zu kategorisieren. Nicht alle Abhängigkeiten sind gleich. Worüber reden wir also eigentlich?

Abhängigkeit

Eine Abhängigkeit ist vorhanden, wenn einer etwas braucht, ohne dass er seine Arbeit nicht verrichten kann. Eine Funktionseinheit kann eine andere Funktionseinheit brauchen; oder sie braucht nur eine Datei an einem bestimmten Ort. Oder sie ist von einem bestimmten Format von Daten abhängig, die als Zeichenkette an sie übergeben werden.
Abhängigkeiten lauern also überall.
Mir geht es allerdings vor allem um Abhängigkeiten zwischen den grundlegenden Funktionseinheiten Assembly, Klasse und Methode.

Statische Abhängigkeit

Wenn eine Funktionseinheit (FE) schon zur Compilezeit von einer anderen abhängig ist, dann nennt man das statische Abhängigkeit oder auch statische Kopplung. Hier ein Beispiel: Klasse Client ist von Klasse Service statisch abhängig.

   1: class Client
   2: {
   3:     private Service s;
   4: }
   5:  
   6: class Service
   7: {}

Oder hier eine Methode, die mit einer anderen statisch gekoppelt ist:



   1: void Foo()
   2: {
   3:     Bar();
   4: }
   5:  
   6: void Bar()
   7: {}

Oder hier eine statische Abhängigkeit von Client nicht zur Klasse Service, sondern auch noch zu einem Member von Service:



   1: class Client
   2: {
   3:     private Service s; 
   4:     
   5:     void Foo()
   6:     {
   7:         s.Text = "hello";
   8:     }
   9: }
  10:  
  11: class Service
  12: {
  13:     public string Text;
  14: }


Oder hier statische Kopplung zwischen Assemblies:

image

Ohne, dass die Funktionseinheiten, zu denen eine Kopplung besteht, bei der Compilation vorhanden sind, ist keine fehlerfreie Übersetzung möglich. Das macht statische Abhängigkeiten vergleichsweise zahm. Es fällt einfach schnell auf, ob eine Abhängigkeit nicht erfüllt ist.

Ted Faison hat in seinem Buch “Event-based Programming” für Abhängigkeiten eine Notation eingeführt, die ich hier auch benutzen möchte. Abhängigkeiten bezeichnet er dabei so:

image

Der Pfeil zeigt vom Abhängigen zum Unabhängigen und das Symbol (Zeichen Ou des erweiterten Lateinischen Alphabets) macht klar, dass der Pfeil ein Abhängigkeitspfeil ist.


Eine statische Abhängigkeit kann dann so qualifiziert werden:

image 


Dynamische Abhängigkeit


Dynamisch ist eine Abhängigkeit, wenn erst zur Laufzeit die eigentliche unabhängige Funktionseinheit verfügbar ist; der abhängige Code kann zur Compilezeit dann nämlich nur Annahmen darüber treffen, wie das zur Laufzeit “nachgereichte” Unabhängige aussieht.

Ein typsiches Beispiel sind Abhängigkeiten von Klassen, die zur Compilezeit durch Interfaces vertreten werden:

   1: class Client
   2: {
   3:     public IService s; 
   4:     
   5:     void Foo()
   6:     {
   7:         s.Text = "hello";
   8:     }
   9: }
  10:  
  11: interface IService
  12: {
  13:     string Text { get; set; }
  14: }
  15:  
  16: class Service : IService
  17: {
  18:     public string Text
  19:     {
  20:         get { ...  } 
  21:         set { ... }
  22:     }
  23: }

Hier ist die Klasse Client von der Klasse Service dynamisch abhängig. Vom Interface IService und dessen Property Text hingegen ist sie statisch abhängig.

image

Das macht klar, wie Komponentenorientierung funktioniert: Die Assembly, die Client implementiert, muss die referenzieren, die IService implementiert – aber nicht die Assembly von Service. Client und Service können also getrennt von einander entwickelt werden. Aber die IService-Assembly, der Kontrakt von Service,muss vorher da sein, weil die Client-Assembly wie die Service-Assembly daran statisch gekoppelt sind.

Statische Abhängigkeiten erfordern mithin Colocation von Code in derselben Assembly oder zumindest, dass Assemblies einander statisch referenzieren. Die unabhängige Funktionseinheit muss dann vor der abhängigen implementiert werden.

Ein typisches Muster, um diese Form der Abhängigkeitskonstellation zwischen Klassen und Interfaces auszudrücken, ist die Inversion of Control mit der ctor-Injection:

   1: class Client
   2:     {
   3:         private IService s; 
   4:         public Client(IService s)
   5:         {
   6:             this.s = s;
   7:         } 
   8:         
   9:         void Foo()
  10:         {
  11:             s.Text = "hello";
  12:         }
  13:     }
  14:  
  15:     class Program
  16:     {
  17:         static void Main(string[] args)
  18:         {
  19:             Client c = new Client(new Service());
  20:         }
  21:     }

So werden Klassen entkoppelt, um einfacher testbar zu werden, um Implementationen austauschen zu können und um produktiver bei der Entwicklung zu sein.

Dynamische Kopplung ist loser als statische – das ist vorteilhaft. Allerdings werden Fehler erst zur Laufzeit sichtbar. Die Entscheidung zwischen statischen und dynamischen Abhängigkeiten ist also eine zwischen Flexibilität/Entkopplung und Gewissheit.

Wer flexibel sein will, der setzt z.B. die neue dynamische Typisierung ein:

   1: class Client
   2: {
   3:     public dynamic s; 
   4:     
   5:     public void Foo()
   6:     {
   7:         s.Text = "hello";
   8:     }
   9: }

Zur Entwicklungszeit muss man sich dann nicht entscheiden, wie die Instanzen von s aussehen sollen. Sie müssen lediglich eine Property oder ein Feld Text bieten.

Das funktioniert dann gut mit dem bisherigen Service:

   1: static void Main(string[] args)
   2: {
   3:     Client c = new Client(); 
   4:     c.s = new Service(); 
   5:     c.Foo();
   6: }

Ohne Kontrolle durch den Compiler kann aber auch jeder andere Typ zugewiesen werden:

   1: static void Main(string[] args)
   2: {
   3:     Client c = new Client(); 
   4:     c.s = 42; 
   5:     c.Foo();
   6: }

Und das funktioniert dann gar nicht mehr gut.

Also: Vorsicht mit dynamischen Abhängigkeiten. Flexibilität, Entkopplung hat ihren Preis. Dynamische Abhängigkeiten lassen sich schlechter kontrollieren als statische. Sollte sich am Unabhängigen bzw. bei der Bedienung einer Abhängigkeit etwas ändern, ist erst viel später klar, auf welche Abhängigen das eine Auswirkung hat.


Logische Abhängigkeit


Der Compiler meldet kein Problem und Sie haben auch Ihre dynamischen Abhängigkeiten im Griff? Das ist gut – aber Ihre Software ist dann noch nicht in trockenen Tüchern, was die Abhängigkeiten angeht. Denn da sind noch die logischen Abhängigkeiten. Und das sind die fiesesten.

Hier eine kleine Denksportaufgabe. Welche Abhängigkeiten enthält diese Funktion, die die Nachkommastellen einer Zahl abtrennen soll:

   1: static double Trunc(double n)
   2: {
   3:     var s = n.ToString(); 
   4:     s = s.Substring(0, s.IndexOf(',')); 
   5:     return double.Parse(s);
   6: }

Gibt es statische Abhängigkeiten? Klar. Der Code ist ja streng typisiert.

Gibt es dynamische Abhängigkeiten? Nein. Hier wird zur Laufzeit nichts konkretisiert, nachgereicht.

Dennoch gibt es im Code eine Abhängigkeit. Und ob die Erwartung daran erfüllt wird, zeigt sich auch erst zur Laufzeit.

Trunc() ist davon abhängig, dass die String-Repräsentation  einer double-Zahl ein Komma enthält, das die Nachkommastellen abtrennt. Zahlen müssen diesem Format folgen:

Zahl ::= Vorkommastellen [ “,” Nachkommastellen ].

Vorkommastellen, Nachkommastellen ::= Ziffer { Ziffer }.
Das ist eine legitime Annahme für eine Software, die nur in Deutschland laufen soll – für eine internationale Software hingegen sollte sie nicht getroffen werden.

Eine solche Abhängigkeit nennt man logische Abhängigkeit. Sie besteht immer dann, wenn zwei Funktionseinheiten Annahmen übereinander machen, insbesondere Annahmen über ihre Funktionsweise. Deshalb drücken sich logische Abhängigkeiten oft in Daten aus, da die das Bindeglied zwischen Funktionseinheiten sind.

Hier besteht die Annahme der Funktionseinheit Trunc() darin, dass die Funktionseinheit double.ToString() ein Komma vor die Nachkommastellen setzt.

image

Als Kontrast ein Beispiel logischer Unabhängigkeit:

   1: static int GetIndexOf(string item, string[] list)
   2: {
   3:     for (var i = 0; i < list.Length; i++)            
   4:         if (list[i] == item) return i; 
   5:     return -1;
   6: }

Die Funktion ist nicht (!) abhängig davon, dass die Einträge in der Liste in einer bestimmten Reihenfolge stehen. Sie bestimmt mit und ohne Ordnung der Listenelemente den Index des gesuchten korrekt. So ist diese Funktion logisch unabhängig von potenziellen Quellen für Listen.

Keine Annahme über die Reihenfolge der Einträge zu machen, dient also der Entkopplung. Das ist gut für die Evolvierbarkeit (oder auch Wiederverwendbarkeit), hat jedoch seinen Preis. Die Performance dieses Verfahrens ist nicht optimal. Ob das allerdings schlimm ist… das hängt vom Verwendungszusammenhang ab. Im Sinne der Prinzipien KISS und Beware-of-Premature-Optimization (BoPO) mag es sinnvoll sein, keine Annahmen zu machen und die lose Kopplung einzustreichen – bis das an eine Grenze stößt.

Logische Abhängigkeiten machen die Softwareentwicklung wahrhaft komplex. Denn erstens wird erst zur Laufzeit sichtbar, ob sie erfüllt werden. Und zweitens führt ihre Nichterfüllung nicht immer und sofort zu einem Fehler.

Trunc() kann während der Entwicklung alle automatisierten Tests bestehen. Software, die die Funktion einsetzt, kann bei Hunderten Kunden fehlerfrei laufen. Doch dann, eines Tages, kommt es zu einem Fehler. Warum? Weil ein Anwender erstmalig auf die Idee gekommen ist, die Software auf einem Rechner mit anderer default Einstellung für das Dezimaltrennzeichen laufen zu lassen.

Logische Abhängigkeiten können sehr subtil sein. Kein Compiler zeigt sie an. Kein Laufzeitsystem deckt sie auf. Womöglich werden sie nur sporadisch nicht erfüllt.

Vorsicht also an den Schnittstellen zwischen Funktionseinheiten. Dort lauern immer wieder Annahmen über empfangene Daten, die die Funktionseinheiten mehr oder weniger offensichtlich und oft unerwartet stark miteinander logisch koppeln.


Zusammenschau


Abhängigkeiten machen das Softwareentwicklerleben schwer. Denn wo Abhängigkeiten bestehen, besteht immer die Gefahr, dass sich Änderungen am Unabhängigen auf Abhängige auswirken.

Sind die Abhängigkeiten nur statisch, dann zeigt ein Übersetzungslauf an, wo Erwartungen bei Abhängigen enttäuscht werden. Insofern sind statische Abhängigkeiten unkritisch, was die Entdeckung von Nichterfüllung angeht. Diese Effizienz, diese Sicherheit wird jedoch durch Inflexibilität erkauft. Statische Abhängigkeit bedeutet immer enge Kopplung.

Dynamische Abhängigkeiten koppeln loser – lassen sich jedoch erst zur Laufzeit entdecken. Durch die heutzutage sehr einfach mögliche Automatisierung von Tests lassen sich Probleme bei der Erfüllung dynamischer Abhängigkeiten jedoch auch fast so schnell erkennen wie bei statischen Abhängigkeiten.

Programme geschrieben in dynamischen Sprachen wie Python oder Ruby leiden daher auch nicht unter größerer Fehlerhäufigkeit als Programme geschrieben in einer streng typisierten Sprache wie C#. Wer mit einer dynamischen Sprache entwickelt, stützt sich einfach nur weniger auf den Compiler und setzt stattdessen mehr auf eine Sammlung von automatisierten Tests.

Die Komponentenorientierung hilft ebenfalls weiter, da sie dynamische Abhängigkeiten bewusst plant und Kontrakte auf beiden Seiten der Abhängigkeit für Stabilität sorgen. So kann lose Kopplung als Vorteil dynamischer Abhängigkeit eingestrichen werden, ohne die Sicherheit statischer Kopplung aufzugeben.

Logische Abhängigkeiten teilen mit den dynamischen Abhängigkeiten, dass sie erst zur Laufzeit festgestellt werden können. Sie gehen in ihrer Gefährlichkeit jedoch darüber hinaus. Sie sind oft unsichtbar, sie sind oft subtil, sie machen womöglich nur sporadisch Probleme. Es hilft aber nichts: Wir müssen mit ihnen leben.

Ohne logische Abhängigkeiten keine Zusammenarbeit. Wer sich nicht mindestens logische abhängig macht, steht allein.

Bei Planung, Test und Review Ihres Codes achten Sie daher besonders auf logische Abhängigkeiten. Wo Sie sie erkennen, dokumentieren Sie sie. Am besten mit einem Test. Beispiel:

   1: [Test]
   2: public void GetIndexOf_does_not_require_the_list_to_be_sorted()
   3: {
   4:     Assert.AreEqual(2, 
   5:                     Helpers.GetIndexOf("x", 
   6:                                        new[] { "k", "f", "x", "s" }));
   7: }

Das kann ein Unit Test wie hier sein. Das kann aber auch ein Integrationstest sein, der live die Funktionseinheiten, die Annahmen übereinander machen, zusammenspielen lässt.

.NET 4 Code Contracts könnten auch helfen, um logische Abhängigkeiten zu dokumentieren.

In jedem Fall gilt jedoch: zentralisieren Sie logische Abhängigkeiten. Lassen Sie möglichst nur eine Funktionseinheit in einer bestimmten Hinsicht logisch von einer anderen abhängig sein.

Ein Beispiel dafür ist ein Proxy in der verteilten Kommunikation. Der zentralisiert die logische Abhängigkeit zwischen Client und Server in Bezug auf das Datenformat auf der Leitung. Der Client nimmt z.B. an, dass der Server SOAP-Nachrichten versteht. Statt nun aber diese Annahme an vielen Stellen im Code zu treffen, zentralisiert man sie im Proxy. Sollte sich das Datenformat ändern, trifft die Annahme also nicht mehr zu, dann ist nur eine Funktionseinheit betroffen.

Der Proxy ist sozusagen dafür zuständig, eine logische Abhängigkeit in eine statische zu verwandeln. Denn wo der Proxy von SOAP-Nachrichten logisch abhängt, da hängt Code, der ihn nutzt, z.B. nur von einem POCO ab, das der Proxy umwandelt in einen Teil einer SOAP-Nachricht.

Seien Sie also wachsam, was die Abhängigkeiten in Ihrer Software angeht. Unterscheiden Sie zwischen statischen, dynamischen und logischen. Werden Sie sich der Abhängigkeiten in Ihrem Code bewusst. Wählen Sie die eine oder andere Form mit Bedacht. Prüfen Sie die Erfüllung von Abhängigkeiten automatisiert. Dann sind Sie auf einem guten Weg, die Komplexität Ihrer Software zu verringern.