Samstag, 7. November 2009

Zustand als Abhängigkeit – IoC konsequent gedacht [OOP 2010] [endlich-clean.net]

Design for Testability ist auch Design for Flexibility. Deshalb liebe ich TDD. Allerdings bin ich dabei immer wieder über einen Problemfall gestolpert: die Prüfung des Zustands eines system under test (SUT). Als Beispiel hier ein typischer (nicht unbedingt optimaler) Ansatz bei der bekannten und beliebten KataPotter.

Viele denken bei der Implementierung der Preisberechnung für die KataPotter an einen Warenkorb, den es zu füllen gilt, um dann den Preis unter Anwendung der Rabatte zu berechnen. Sie definieren eine solche Klasse dann z.B. so:

class KataPotterShoppingBasket

{

    private Dictionary<int, int> books = new Dictionary<int, int>();

 

    public void AddBook(int bookId)

    {

        //...

    }

 

    public decimal Total

    {

        get

        {

            //...

        }

    }

}

Ein  zugehörige Test scheint zunächst einfach:

[TestFixture]

public class testKataPotterShoppingBasket

{

    [Test]

    public void Enthält_ein_Buch()

    {

        var sut = new KataPotterShoppingBasket();

 

        sut.AddBook(1);

 

        //?

    }

}

Aber, ach, ohje… Wie prüft man denn nun, ob das hinzugefügte Buch auch im Warenkorb angekommen ist? AddBook() ist ein Kommando und verändert den Zustand des Warenkorbs. Wie kann man also ganz allgemein diesen Zustand in Tests prüfen?

Zugriffsroutinen für Zustand?

Naheliegend ist die Prüfung von Zustand durch direkten Zugriff auf den Zustand. Dafür muss das SUT nur einen solchen Zugriff anbieten. Für einen üblichen Warenkorb mag das der Fall sein. Da gibt es nicht nur ein AddBook(), sondern sicher auch noch ein GetBook() oder eine ganze Collection von Books, über die man prüfen kann, ob eine Zustandsveränderung wirksam war.

Der KataPotter-Warenkorb braucht solche Zugriffsroutinen aber nicht. Warum sollten sie also nur für den Test eingeführt werden? Ich halte nichts davon, weil sie das Interface des system under test aufblähen. Sie haben keinen Wert für die Domäne, sind in der Intellisense-Liste der Eigenschaften und Methoden aber immer sichtbar. Da hilft auch die Deklaration als intern nicht viel. Das wäre falsch verstandenes Design for Testability.

Wenn Sie die KataPotter so wie oben gezeigt angehen sollten, widerstehen Sie der Versuchung, dem Warenkorb z.B. eine Count-Eigenschaft zu geben, um den Test zum Laufen zu bekommen.

Solch ein Design wäre dann zwar irgendwie testbarer, aber die Flexibilität würde sich nicht erhöhen. Sie hätten nicht mehr das minimal Notwendige getan. Außerdem würde der Test dann zweierlei testen. Das ist zu vermeiden! Er würde AddBook() und Count prüfen. In beiden könnten ja Fehler stecken.

AddBook() und Count wären sogar gegenseitig abhängig in Bezug auf Tests. Sie könnten auch Count nicht zuerst testen, denn dazu müssten Sie Zustand aufbauen. Wäre das nicht der Fall, ist die Nutzung von mehreren SUT-Funktionalitäten in einem Test nicht so schlimm. Dann können Sie die in separaten Tests vorweg prüfen.

Ergebnis: Vermeiden Sie, spezielle Zugriffsmethoden für Zustand nur zum Zweck des Testens einzurichten. Allemal, wenn sie sie nicht wirklich isoliert testen können.

Zustandstest durch Ableitung?

Auf Zustand können Sie aber nicht nur von außen zugreifen, einfacher ist es von innen. Eine Alternative zu Zugriffsmethoden wäre daher die Ableitung einer Klasse vom SUT. Deren Zustand wäre ja der des Warenkorbs. Dazu müssten Sie nur die Sichtbarkeit des Zustands ändern:

class KataPotterShoppingBasket

{

    protected Dictionary<int, int> books = new Dictionary<int, int>();

    ...

}

Eine Ableitung kann dann “gefahrlos” eine Zugriffsmethode anbieten. Die “verunreinigt” die Domänenklasse nicht:

class TestableShoppingBasket : KataPotterShoppingBasket

{

    public int Count { get { return base.books.Count; } }

}

Wenn Sie im Test die abgeleitete Klasse als SUT instanzieren, haben Sie also Testbarkeit “ohne Reue”:

[Test]

public void Enthält_ein_Buch()

{

    var sut = new TestableShoppingBasket();

 

    sut.AddBook(1);

 

    Assert.That(sut.Count, Is.EqualTo(1));

}

Mit einer Ableitung müssen Sie nicht einmal Design for Testability betreiben. Und die Flexibilität wird auch nicht eingeschränkt. Eine scheinbar ideale Lösung, oder? Der Eingriff, private Variablen auf protected statt private zu setzen, ist minimal. Und dass dieser Ansatz an abgeschlossenen (sealed) Klassen scheitert, ist auch unbedeutend.

Dennoch will mir eine Ableitung vom eigentlichen SUT nicht recht schmecken. Nein, das liegt nicht daran, dass ich Ableitungen für generell überbewertet halte. Hier wäre ja sogar das Liskov Substitution Principle eingehalten. Den Aufwand für die Ableitungsklasse finde ich auch nicht zu hoch.

Nein, es etwas anderes, das mich stört…

Zustand als Abhängigkeit

Ich glaube, mich stört, dass Zustand hier eine Extrawurst gebraten bekommt. Zustand wird nicht seiner Natur nach behandelt. Denn Zustand ist eine Abhängigkeit!

Üblicherweise denken wir bei Abhängigkeiten an Funktionalität. Der Warenkorb könnte z.B. von einer Preisberechnungsfunktionalität abhängen:

image

Dann fänden wir es ganz natürlich, diese Abhängigkeit in den Warenkorb zu injizieren:

class KataPotterShoppingBasket

{

    private IPriceCalculator calc;

    private Dictionary<int, int> books = new Dictionary<int, int>();

 

    public KataPotterShoppingBasket(IPriceCalculator calc)

    {

        this.calc = calc;

    }

    ...

Aber was ist jetzt das private Feld calc? Es gehört genauso zum Zustand des Warenkorbs wie books. Der einzige Unterschied  besteht darin, dass calc von einem selbstdefinierten Typ ist und book einen .NET Fx Typ hat.

Darüber hinaus glauben wir dann aber irgendwie noch eine größere “Intimität” zwischen book und z.B. AddBook() zu spüren. Die Inhalte von book werden mittels der Warenkorbmethoden verändert, während calc konstant bleibt. book ist eben “wahrer” Zustand und deshalb anders zu behandeln als calc.

Doch warum ist die Abhängigkeit von einem Preisberechner denn offengelegt? Warum wird der injiziert? Weil das den Warenkorb isoliert testbar macht. Sie können ihn unter Injektion einer Attrappe auf die Probe stellen. Dazu kommt, dass damit die Preisberechnung auch noch flexibler austauschbar wird; ein schöner Nebeneffekt.

Wenn nun jedoch bessere Testbarkeit zur IoC für funktionale Abhängigkeiten geführt hat, warum sollte sie dann nicht auch bei Abhängigkeiten von Zustand zum Einsatz kommen? Ich sehe da kein gewichtiges Gegenargument. Das widerspräche auch nicht der Objektorientierung. Nach Injektion ist Zustand ja weiterhin in einem Objekt entsprechend dessen Zugriffsmethoden verborgen.

Wenn wir von Abhängigkeiten sprechen, sollten wir also konsequent sein. Zustand (state) wie Funktionalität (behavior) sind zwei Seiten derselben Medaille Abhängigkeit:

image

Aus meiner Sicht sieht die Lösung des Ausgangsproblems deshalb so aus:

class KataPotterShoppingBasket

{

    private readonly PriceCalculator calc;

    private readonly Dictionary<int, int> books;

 

    public KataPotterShoppingBasket(Dictionary<int, int> books,

                                    PriceCalculator calc)

    {

        this.calc = calc;

        this.books = books;

    }

    ...

Dem erweiterten Warenkorb injizieren Sie nicht nur die Abhängigkeit von einer Preisberechnungsfunktionalität, sondern auch einen initialen Zustand:

[Test]

public void Enthält_ein_Buch()

{

    var books = new Dictionary<int, int>();

    var sut = new KataPotterShoppingBasket(

                    books,

                    null);

 

    sut.AddBook(1);

 

    Assert.That(books.Count, Is.EqualTo(1));

}

Das halte ich für genauso konsequent wie einfach zu verstehen. Etwas systematisiert lautet dann das Muster:

  1. Abhängigkeiten einer Klasse zusammenfassen in einer Abhängigkeitsklasse. Das gilt für Zustände wie Funktionalität, von denen eine Klasse abhängt.
  2. Während Tests die dafür minimal nötigen Abhängigkeiten mit einer Instanz der Abhängigkeitsklasse injizieren.
  3. Erwartungen an Zustandsänderungen nach Ausführung von Kommandos auf dem SUT prüfen anhand der injizierten Abhängigkeitklasseninstanz.

Am Beispiel des Warenkorbs sähe das so aus:

class KataPotterShoppingBasket

{

    internal class Dependencies

    {

        public readonly IPriceCalculator calc;

        public readonly Dictionary<int, int> books =

    }

 

 

    private readonly Dependencies dependencies;

 

    public KataPotterShoppingBasket(Dependencies dependencies)

    {

        this.dependencies = dependencies;

    }

    ...

Der Test wäre sogar noch ein wenig klarer, finde ich:

[Test]

public void Enthält_ein_Buch()

{

    var dependencies = new KataPotterShoppingBasket.Dependencies();

    var sut = new KataPotterShoppingBasket(dependencies);

 

    sut.AddBook(1);

 

    Assert.That(dependencies.books.Count, Is.EqualTo(1));

}

Diesem Verfahren steht auch die “normale” Dependency Injection nicht im Wege. Sie würde es sogar verbergen. Dazu bräuchte die Abhängigkeitsklasse nur einen ausgewiesenen “Kanal” für die Injektion der Funktionalität, von der der Warenkorb abhängig ist, z.B. so für Unity als DI Container:

public class Dependencies

{

    [Dependency]

    public IPriceCalculator calc {get; set;}

    public readonly Dictionary<int, int> books = …

}

Zusätzlich müsste im Mapping auch die Abhängigkeitsklasse aufgeführt werden. Aber das ist kein sonderlicher Mehraufwand. Das ließe sich womöglich sogar automatisieren.

Fazit

Im Sinne eines systematischen Vorgehens beim Test und beim Design finde ich es sehr überlegenswert, Abhängigkeiten breiter als bisher zu fassen. Funktionseinheiten sind nicht nur von anderen Funktionseinheiten abhängig, sondern auch von Zustand.

Wenn dann Abhängigkeiten injiziert werden sollen, um bessere Testbarkeit zu erreichen, dann gilt das nicht nur für Funktionseinheiten, sondern auch für Zustand.

Gerade bei TDD sinkt dadurch – so mein Empfinden – der gedankliche Aufwand. Bei jedem Kommando und jeder Abfrage, die getestet werden, müssen Sie sich dann einfach nur die Frage stellen, welcher Zustand dabei eine Rolle spielt. Dann bauen Sie vor dem Test Ausgangszustand speziell für den Testfall zusammen (arrange) und injizieren ihn, rufen das SUT (act) auf und prüfen anschließend (bei Kommandos) den neuen Zustand (assert). Fertig.

Ich werde in der nächsten Zeit mal probeweise konsequent so vorgehen. Mal schauen, wie sich das anfühlt. Ich bin optimistisch, dass es ein gutes Gefühl sein wird. Weniger Zweifel, weniger Nachdenken, also höhere Produktivität.