Ja, auch ich habe den Zeitmanagement-Klassiker "Getting Things Done" ("Wie ich die Dinge geregelt kriege") von David Allen gelesen. Und ich habe daraus auch etwas gelernt:
- Habe einen (!) Platz, an dem du alle Aufgaben bzw. Hinweise darauf, sammelst.
- Nutze diesen Platz konsequent und regelmäßig, um die nächste Aufgabe "abzuholen" bzw. zukünftige Aufgaben zu hinterlegen.
- Erledige Kleinstaufgaben sofort, plane größere Aufgaben ein.
Ziel dieser Praktik sind mentale Entlastung und Kontrolle. Aufgaben, die man nicht gerade erledigt, sollen die Konzentration im Hier und Jetzt nicht behindern. Äußere Umstände beherrschen nicht, sondern werden durch aktive Planung beherrscht.
That´s it.
Mehr hat mir David Allen nicht gebracht - außer einem schlechten Gewissen, sein ausgefeiltes System nicht genauso ausgefeilt zu benutzen.
Naja, in einem Punkt habe ich es noch angepasst: Wo er empfiehlt, "Abteilungen" für Aufgaben anzulegen, die mit bestimmten Orten oder Gelegenheiten zu tun haben (z.B. "Wenn ich das nächste Mal beim Faxgerät bin"), da nutze ich diese Orte selbst. Habe ich eine Aufgaben, die mit dem Faxgerät oder dem Lebensmitteleinkauf zu tun haben, dann lege ich mir Aufgabenzettel genau dorthin, also zum Faxgerät und zur Wohnungstür (durch die ich zum Einkauf gehe). So "stolpere" ich über meine Aufgaben. Ich muss sie also nicht im Hinterkopf halten.
Ansonsten aber... da grüble ich eher darüber nach, was mich an David Allens gutgemeinten Ratschlägen stört. Und meine Erkenntnis ist inzwischen:
"Getting Things Done" (GTD) ist keine Lösung, sondern ein Symptom.
Das Buch ist ein Symptom für eine Kultur oder auch nur Arbeitshaltung, in der man soviel "auf dem Zettel hat", dass man überhaupt ein ausgefeiltes System braucht, um es zu bewältigen. Es scheint geradezu eine Tugend zu sein, sich soviel aufzuladen, dass man sich nur mit modernen Hilfsmitteln organisieren kann. Eine Aufgabenliste, ein Kalender, eine Wiedervorlagemappe oder auch (im fortgeschrittenen Stadium) eine Assistenz reichen nicht mehr. Nein, es muss ein mehrdimensionales Verwaltungs- und Erinnerungssystem sein.
Seit ich das erkannt habe, geht es mir besser. Ich brauche GTD nicht. Ich brauche nur Mut, mein Leben/meine Arbeit so einfach zu halten, dass ich gar nicht erst in eine organisatorische Überlastungssituation komme. Wenn ich an soviel denken muss, dass ein simpler Kalender und eine Aufgabenliste nicht mehr reichen, dann (!) habe ich ein Problem. Denn dann bin ich sehr wahrscheinlich auch so unter Druck, dass mir als Softwareentwickler schlicht Spielräume fehlen und der Raum für Kreativität begrenzt ist.
Dass GTD mir dann ja gerade helfen würde, diese Räume wieder zu eröffnen durch gute Planung... nun, das halte ich für eine Empfehlung wie "Putz die Zähne öfter, damit die ganzen Süßigkeiten ihnen nicht schaden." Hier ist die Wurzel des Übels ein übermäßiger Zuckerkonsum, dort ist es eine Hypertrophie des Verantwortungsbewusstseins. Denn nur wer sich für viele Dinge verantwortlich fühlt, der hat auch viele Aufgaben, um diese Dinge geregelt zu kriegen.
Die wahre Lösung des Problems, mit dem sich GTD beschäftigt, lautet daher: Reduktion und Delegation. Weniger tun müssen und/oder andere an der Bewältigung beteiligen.
Wenn die zu regelnden Dinge soviel werden, dass man überhaupt merklich Zeit für ihre Regelung aufwenden muss, wenn also auch die Regelung zu regeln ist... dann ist Gefahr im Verzug. Soviel mal zur Abwechslung ins Stammbuch der ewig geschäftigen Manager geschrieben - zumindest derjenigen, die sich über ihre Aufgabenlast bewusst beklagen oder körperliche/psychische Symptome der Überlastung zeigen.
GTD hat nun einen Platz bei mir im Schrank als Mahnung, mich nicht von den Dingen beherrschen zu lassen und in eine Situation zu kommen, wo ich sie mit "normalen Mitteln" nicht mehr im Griff habe.
So freue ich mich auch, dass es Literatur gibt, hinter denen ein anderes Menschenbild steht und die aus der Regelung von Dingen nicht noch eine weitere, umständlich zu erwerbende Kompetenz machen. Wer bisher an GTD geglaubt hat, der versuche es doch mal zur Abwechslung mit einer anderen Einstellung:
oder ganz simplen Werkzeugen, die sich viel eher auch von Fall zu Fall einsetzen lassen:
Ein bisschen Papier in Form von Notizblock, Notizbuch oder Post-It Zetteln reicht oft in Kombination mit dem Willen zu Überschaubarkeit von Verantwortlichkeiten und Aufgabe von Kontrolle.
Die Dinge geregelt kriegen ist dann ganz einfach. Viel einfacher, als GTD meint.
6 Kommentare:
Mir hat Leo Babautas minimalistische GTD-Adaption Zen to Done sehr gefallen: http://zenhabits.net/2007/11/zen-to-done-the-simple-productivity-e-book/
Gruß
Dennis
Hallo Ralf!
Du sprichst mir aus der Seele. Ich habe GTD vor rund zwei Jahren gelesen, und habe danach das Gefühl gehabt, zunächst einen riesigen Verwaltungsapparat aufsetzen zu müssen, um beim nächsten Einkauf dann doch die Tomaten zu vergessen ;-).
Was ich persönlich nutze, und was mir vollkommen ausreicht, ist Outlook.
Alle festen Termine kommen in den Kalender, alles, was ansonsten bis dann und dann erledigt werden muss, kommt in die Aufgaben. Und alles, was mir sonst so einfällt, was keine konkrete Zuordnung hat, was ich einfach nur so aufheben will, landet in den Notizen.
Das schöne ist - Outlook läuft sowieso jeden Tag, es ist (glaube ich) das Programm, das ich die längste Zeit geöffnet habe. Das ganze dann noch synchronisiert mit meinem Smartphone, so dass ich den Einkaufszettel auch im Supermarkt griffbereit habe, und fertig :-).
Viele Grüße,
Golo
Was ist denn das da für eine eklige Kuh? Mir wird schlecht. Das arme Vieh.
@bitbonk: Das ist ein Rind mit einer Hypertrophie des Skelletmuskulatur. Quelle: http://www.cincinnatichildrens.org/research/div/mcb/interests/molkentin/skel-musc-dev.htm
Hallo Ralf,
für mich war GTD eines der wichtigsten Bücher, dass ich gelesen habe.
Aber entscheidend fand ich nicht die Anleitung, wie ich was zu organisieren habe, sondern nachzudenken, warum ich etwas tun möchte bzw. welches Ziel ich damit befolge, bevor ich für eine Aufgabe eine Zusage abgebe ...
Grüße aus Berlin
Felix Deierlein
Die meisten Planungs- und Organisationskonzepte, die ich kenne, werden überflüssig, wenn man bei der Vorbereitung etwas Selbstdisziplin aufwendet (z.B. wirklich ALLE Dinge und zwar SOFORT in den Kalender eintragen) und Prioritäten setzt. Ich habe in GTD einmal reingehört (Audiobook) und fand es nach 20 Minuten so kompliziert, dass ich abgeschaltet habe.
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