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Mittwoch, 22. Juni 2011

Lernen mit Format

Das Dojo ist wieder im Gespräch. Ilker hat einen (selbst)kritischen Artikel dazu in seinem Blog geschrieben. Seiner Zurückweisung der Sicht, “dass ein Coding Dojo doch nur ein ‘nettes Rahmenprogramm’ sei” stimme ich zu. Es ist ein “lockeres Mittel zum Training und Erfahrungsaustausch” – auch wenn es mal im Rahmenprogramm einer anderen Veranstaltung auftauchen mag. Gemeinsam lernen: darum geht es beim Coding Dojo.

Aber wie kann es sein, dass das nicht ganz einfach von allen Teilnehmern (oder Ferngebliebenen) auch erkannt wird? Ist das Coding Dojo ein so kryptisches Format?

Meine Vermutung ist, die Missverständnisse hängen weniger am Rahmen, in dem ein Coding Dojo stattfindet – z.B. Konferenz oder Recruiting Day –, als vielmehr an der Art, wie im Dojo mit Lernen umgegangen wird.

Wenn Lernen das Ziel eines Dojos ist, dann sollte eine klare Vorstellung davon existieren, wie Lernen funktioniert. Nur dann ist zu erwarten, dass Lernen auch passiert.

Was gehört also zum Lernen? Was sind die minimalen Zutaten, um ein Dojo zu einem Lernfest zu machen? Ja, ich meine Lernfest, also Lernen im Rahmen eines Festes, nicht nur feste lernen ;-) Lernen soll, nein, muss Spaß machen, sonst ist es nicht effizient und effektiv. Entertainment darf also passieren bei einem Coding Dojo.

Für mich sind die drei unverbrüchlichen Bestandteile von Lernen diese:

  • Klare Aufgabe: Ein Dojo braucht eine klare Aufgabe. Alle Teilnehmer müssen wissen, was sie tun sollen. Dazu gehört die Code Kata als zu lösendes Problem, aber auch das Format (z.B. der Modus, Hilfsmittel, Zeitlimit).
  • Klares Ziel: Die Aufgabe ist ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Aber welches? Was soll in einem Coding Dojo gelernt werden? Worauf sollen die Teilnehmer während der Aufgabenlösung achten? Ein wiederkehrendes Ziel ist, sich in der Kunst des TDD zu verbessern. Ein anderes Ziel könnte sein, Pair Programming auszuprobieren. Alles Mögliche kann als Lernziel ausgerufen werden: Methoden, Technologien, Konzepte. Wichtig ist lediglich, dass das Lernziel klar und allseits akzeptiert ist.
  • Reflexion: Lernen passiert nicht einfach so. Oder wenn, dann nur unzuverlässig. Lernen braucht vielmehr eine Reflexion. Es braucht Feedback und Nachdenken über den Lernprozess durch die Lernenden. Das nennt sich dann “deliberate practice”. Hier setzt auch das Lehren im Dojo an. Selbst wenn kein ausdrücklicher Lehrer anwesend ist, lehrt die gemeinsame Erfahrung, wenn sie denn reflektiert wird. Die Teilnehmer sind ihre eigenen Lehrer, auch wenn keiner ein Experte in Bezug auf das Lernziel ist. (Experten sind also keine Lernvoraussetzung, sondern eher Lernkatalysatoren; sie beschleunigen das Lernen.)

Wer nun ein Dojo ausrichtet, der ist dafür verantwortlich, dass es ein Lernfest wird. Er muss sich ums Entertainment kümmern – doch das ist nur die Kür. Pflicht hingegen ist, einen Lernerfolg für alle sicherzustellen.

Zur Pflicht gehört es also, erstens eine klare Aufgabe zu formulieren, zweitens ein klares Lernziel anzupeilen und drittens am Ende die Reflexion anzuleiten.

Aufgabe und Lernziel müssen allerdings nicht schon vorher im Kopf des Veranstalters fest sein, können es aber. Ich finde es nicht so wichtig, ob beides vorgegeben ist oder nicht, wenn die Teilnehmer damit kein Problem haben. Enttäuschung über ein Coding Dojo wird eher nicht entstehen, nur weil nicht die persönliche Lieblingskata eines Teilnehmers die Aufgabe ist oder das persönliche Lernziel grad nicht dran kommt. Enttäuschung entsteht, wenn Aufgabe und Ziel nicht erreicht werden – und am Ende unklar ist, warum.

Eine klare Aufgabe, ist selten das Problem eines Coding Dojos. Ein klares Ziel hingegen ist schon seltener. Und noch seltener ist eine gewinnbringende Reflexion. Nach all dem Adrenalin, das während 1-2 Stunden geflossen ist, mag die schwer fallen, doch sie ist unumgänglich. Sie durchzuführen hat nichts Spießiges oder Spaßverderberisches an sich, sondern ist schlicht dem Anspruch eines Dojos geschuldet. Wenn Lernen stattfinden soll, dann ist Reflexion/Feedback nötig.

Hierüber stolpern die meisten Dojos. Niemand mag sich recht zum Moderator einer Reflexion aufschwingen oder die Zeit ist leider schon um. Und so gehen die Teilnehmer immer wieder nach Hause, ohne zu wissen, ob und was sie denn nun gelernt haben.

Eine Besprechung der Aufgabe ist übrigens nicht genug der Reflexion. Es geht vor allem um den kritischen Blick auf die Lernziele. Wie ist man mit TDD umgegangen, wie war das mit Pair Programming oder wie hat man die Technologie X eingesetzt oder die Methode Y?

Und natürlich soll die Reflexion auch auf der Metaebene stattfinden: Wie ist es mit dem Dojo gelaufen? Hat es seinen Zweck erfüllt? Wie war die “Performance” des Veranstalters?

Wo die Reflexion fehlt, da wird ein Dojo zur “Pseudeowissenschaft”, d.h. es wird immun gegen Kritik, da es keinen Rahmen für die Falsifizierung seiner These gibt, die da lautet, dass es ein “lockeres Mittel zum Training und Erfahrungsaustausch” sei, mit dem Lernen zu einem Fest werden kann.

Unterm Strich würde ich sagen: Jedes Coding Dojo ist ein gutes Coding Dojo, wenn es diese drei Bestandteile (oder Phasen) aufweist. Die Kata ist egal, das Entertainment kann minimal oder großartig sein, der Rahmen eine Konferenz oder das Treffen von Kollegen nach Dienst. Aber ohne klare Aufgabe, klares Lernziel und Reflexion am Ende geht es nicht.

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