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Mittwoch, 22. Dezember 2010

Quotenlose Entwicklung

Was ist an diesen Bildern falsch?

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Zeigen Sie vielleicht keine echten Softwareentwickler? Doch. Zumindest auf dem linken Bild erkenne ich eine Person, von der ich weiß, dass sie Informatiker ist – weil ich mit ihr zusammen studiert habe.

Ist das Diagramm am Whiteboard des zweiten Bildes unrealistisch? Nein. Es folgt zwar keinem UML-Standard, würd ich sagen – aber das ist ja nichts Besonderes in der Branche :-) Die Inhalte sehen zumindest plausibel aus für eine Besprechung einer Web-Anwendung.

Stößt mir auf, dass die Bilder gestellt sind? Nein. Das finde ich normal für Werbebilder. Man muss nicht wissen, warum die Personen im ersten alle zum Himmel blicken. Erwarten Sie von dort die Niederkunft eines besseren Tools? Oder steigt von dort der neue Kollege herab? Auch “gute Aussicht” verbinde ich nicht mit einem Blick nach oben, sondern eher in die Weite, zum Horizont. Aber egal.

Gleichfalls sitzen die Personen im zweiten Bild etwas gezwungen um den Tisch. Der Laptop zeigt nichts; warum ist er aufgeklappt? Realistisch wäre, wenn dort ein Skype-Chat und eine FaceBook-Seite zu sehen wären oder zumindest ein Email-Client. Denn damit beschäftigen sich Menschen in Besprechungen, wenn sie ein Laptop dabei haben. Und dann die Armhaltung der Person rechts. Zu schlaff, um ernst gemeint zu sein, würde ich sagen. Aber egal.

Nein, ich meine etwas anderes. Ich meine das Mann-Frau-Verhältnis. Beide Bilder aus dem aktuellen ObjektSpektrum zeigen 5 Personen, nein, genauer: 5 Softwareentwickler – und davon sind 2 Frauen.

40% der abgebildeten Person sind weiblich. Das ist absolut unrealistisch. Weit von der Realität entfernt. Geradezu märchenhaft.

Meine aktuelle Zählung der weiblichen Mitglieder im Clean Code Developer XING-Forum ergibt einen Anteil von um die 3%. (Prämisse: Das Verhältnis im Forum spiegelt das Verhältnis in der Branche wider. Ich wüsste aber nicht, welcher Faktor CCD unattraktiver für Frauen als für Männer machen sollte. Eher umgekehrt. Auch glaube ich nicht, dass Frauen bei XING unterrepräsentiert sind.)

In der Softwareentwicklung haben wir eine bodenlose Frauenquote. Warum also mit solchen Bildern die Branche beschreiben? Soll es dadurch besser werden? Motto: “Wir zeigen mal die Verhältnisse, die wir uns wünsche, dann ziehen wir Frauen an, sich bei uns zu bewerben.”

Oder ist es eher wie bei Truckermagazinen? Motto: “Wir zeigen Mädels im Team, dann bewerben sich die hormongesteuerten männlichen Entwickler bei uns.” Wobei sowohl Trucker wie Entwickler wissen, dass nicht immer Mädels drin sind, wo sie drauf sind.

Tja… ich weiß nicht. In jedem Fall sind mir beide Bilder sehr ins Bewusstsein gesprungen ob ihrer Entfernung von der Realität. Das bedaure ich. Ich bedaure es sogar umso mehr, je öfter ich Trainings mache, in denen wir konsequent im Team Anforderungen analysieren/verstehen, Architektur und Modell entwerfen und schließlich die Arbeitsorganisation planen. All diese Teamtätigkeiten würden sehr von “weiblichen Elementen” profitieren. Dazu zähle ich unter anderem – man verzeihe mir eventuelle Klischeehaftigkeit – “weniger Technikverliebheit”, “mehr Kommunikationskompetenz”, “mehr Servicewille”, “mehr Blick für´s Ganze”.

Was müssen wir als Branche tun, um das zu ändern? Wie können wir die bodenlose Frauenquote erhöhen? Wie können wir unsere Arbeit für Mädchen/Frauen interessanter machen? Das ist natürlich vor allem eine Herausforderung der Ausbildung. Klar. Aber ich denke auch, dass es um Marketing geht. Wo ist die Branchendarstellung, die ein anderes Bild zeichnet von der Softwareentwicklung? Aber auch die Personalabteilungen sind gefordert. Sie sollten ihre Forderungen an den Entwickler(innen)markt überdenken. Sie sollten ihre internen Förderungen von noch-nicht Entwicklerinnen überdenken. Und es hilft sicherlich nicht, Wunschdarstellungen wie die obigen aus “political correctness” heraus zu bringen, ohne einen Plan zu haben, wie sie denn materialisiert werden könnten.

Ein kleiner Baustein für Veränderung mögen Initiativen wie diese sein:

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Hier werden speziell Frauen angesprochen, sich einen Einstieg in die Softwareentwicklung vorzustellen. Etwas mehr Erklärung, warum das sinnvoll sein könnte jenseits von “Da kannst du Geld verdienen”, mag noch helfen. Klar. Aber es ist ein Anfang.

Wo sind weitere Initiativen, die sich an Mädchen/Frauen richten, um Ihnen zu zeigen, dass Softwareentwicklung von ihren “Gender-Kompetenzen” profitieren kann? Und dass das natürlich Spaß macht. Beiden Geschlechtern :-)

8 Kommentare:

Janek Fellien hat gesagt…

Hallo Ralf,

ich glaube, dass es wenig Frauen in der Softwareentwicklung gibt, weil die Branche selbst den Grundstein dafür gelegt hat. "Man(n) muss schon Nerd sein, damit man das alles versteht." Und eben das möchten Frauen nicht sein, zumindest nicht die Mehrzahl.

Die allgemeine Meinung ist ja die, dass ein Programmierer einen Computer "versteht" oder gar mit ihm eine persönliche Beziehung aufbaut. Der PC aber besteht aus Bauteilen, die vermeintliche Seele des Systems. Frauen wollen keine Bauteile lieben, sie sind uns da um Längen voraus. Sie bauen soziale Kontakte auf und pflegen sie. Das ginge für uns nur mit eine hoch entwickelten KI.

Glücklicherweise gibt es jetzt social media, da kommen die Männer auch mal in Kontakt mit anderen Menschen.

Nein, im Ernst, Software ist für PCs gedacht. Solange die Geräte von Männern erfunden/modelliert/weiterentwickelt werden, wird auch nur Männerlogik in Form von Programmen in die Geräte injiziert. Tja, und Männerlogik ist eben diese und wird nicht von Frauen (nicht immer) entwickelt.

Ich würde auch viel lieber mehr Frauen mit an unserer Front sehen. Das wird wohl noch eine Weile dauern.

Janek

Lars hat gesagt…

Wenn Frauen selbst mit "ihren Methoden" Software entwickeln würden, dann würde innerhalb von wenigen Jahren das ganze so einfach werden, dass man(n) damit kaum noch Geld verdienen kann. ^^

"Wir" denken ja gerne Bottom-Up...jeder muss etwas am besten erst in Assembler verstehen, um es korrekt umsetzen zu dürfen.
Bei Frauen herrscht ja eher so eine Top-Down-Denke "Ich habe eine Vorstellung!...mit welchem Ding kann ich die am schnellsten umsetzen?"
Das schlimmste ist eigentlich, dass die Frauen-Denke natürlich wesentlich effizienter ist.
Und irgendwann haben "wir" uns mit unseren Frameworks auf eine abstraktionsebene "hochgearbeitet", die Menschen (somit auch Frauen ^^) auf natürlichem Weg verstehen. Dann wird sich die Branche fundamental ändern. Wenn 70% der aktuellen SW-Probleme von jedem gelöst werden könnten, kommt es nur auf das Erkennen von Problemen an...und da sind "uns" Frauen überlegen.

Andreas Adler hat gesagt…

Mir ist an den Bildern gar nichts besonderes aufgefallen.
Muss wohl daran liegen, dass das Männer/Frauen-Verhältnis bei uns bei 1:2 liegt. :D

Jörg Boekhoff hat gesagt…

So sehr ich Frauen im Allgemeinen als Gesprächspartner schätze, im Arbeitsumfeld ist die Kommunikation mit den weiblichen Kollegen für mich eher schwierig. Probleme scheinen immer etwas größer, überschaubare Hindernisse durch endlose Diskussionen fast unüberwindbar; oft übervorsichtig, nur nichts Bestehendes umwerfen.
Mag sein ich habe nur Ausnahmeexemplare getroffen, mag sein es liegt nur an meiner männlich inkompetenten Kommunikation; aber um ehrlich zu sein: ich vermisse eigentlich gar nichts.
Bevor ich hier gesteinigt werde: ich schätze Frauen sehr, unterstelle ihnen die gleichen Fähigkeiten wie ihren männlichen Kollegen. Nur war die Problemlösung im direkten Vergleich eher weniger effektiv.

Golo Roden hat gesagt…

Um auf die Frage zu antworten, warum mit solchen Bildern die Branche beschrieben wird:

Wegen der "Political Correctness".

Achte mal bei großen Firmen wie zum Beispiel Microsoft auf die Werbung für Visual Studio - hier hast Du auch immer schön brav Männer und Frauen, Europäer, Asiaten, Afrikaner, ... meistens ist von jedem Kontinent mindestens eine Person vertreten.

Wahrscheinlich könnte man Microsoft sonst verklagen, wegen Diskrimierung ;-).

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Golo: Für Anzeigen bei Microsoft o.ä. gebe ich dir Recht.

Aber für echte PC sind die beiden zitierten Bilder zu wenig vielfältig. Deshalb schließe ich sie mal aus. Soweit werden die Fotonutzer (oder Auftraggeber) nicht gedacht haben.

Ein "nicht langweilig nur mit Männern" halte ich für eine realistischere Motivation. Womit wir beim Problem der Branche wären.

Anonym hat gesagt…

Ich halte nichts davon, in allen Bereichen mit der Brechstange die 50-50 Quote herzustellen. Es gibt Sachen, da sind Frauen besser, und andersrum. Warum stört das? Und es lenkt nicht so von der Arbeit ab ;-)
Vergesst es einfach, dass sich diese Träume erfüllen, Frauen müsst ihr woanders suchen, nicht auf Arbeit.

Carsten

Anonym hat gesagt…

Zustimmung zu Carsten und Golo.

Nebenbei: In Physik und Ingenieurswissenschaften liegt die Frauenquote auch sehr niedrig. Mathe etwas höher, aber immer noch starker Männerüberschuss.