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Montag, 20. Juli 2009

Klage eines ungebackenen Entwicklers

Mehr Ausbildung zum Softwareentwickler in den Betrieben, das scheint mir ein wichtiger und gangbarer Weg für die Zukunft der Branche, die vom IT-Fachkräftemangel gebeutelt ist. So habe ich es in der dotnetpro 8/2009 in meiner Sandbox-Kolumne geschrieben. Daraufhin schreibt mir nun ein junger Fachinformatiker, wie sehr ich (für ihn) mit diesem Artikel und anderen zum Thema Ausbildung den Finger in die Wunde gelegt habe:

Hallo Herr Westphal,
mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel "Entwickler selbst backen"
in der aktuelle dotnetpro gelesen.
Ich hoffe sehr das sich einige Firmen den Artikel zu Herzen nehmen und
auch den nicht Vollprofis eine Chance geben.
Ich selbst bin gelernter Fachinformatiker Fachrichtung
Anwendungsentwicklung und habe meine Ausbildung im Februar 
[des Jahres 2009] abgeschlossen. Die defizite der Ausbildung sind mir also bestens
bekannt, zum einen wurde bei uns in der Berufsschule
keinerlei Vorgehensweiße unterrichtet, weder Analyse noch Design
geschweigedenn irgendwelche Modelierungen mit UML
.
Meine zweieinhalb Jahre Ausbildung habe ich in der Schule mit
Struktogrammen und dem Borland Builder 6 mit C++ verbracht, wo wir
es nach zwei Jahren tatsächlich geschafft haben eigene Klassen und
Methoden
zu erstellen (Fehlerbehandlung, Debugging usw. waren alles
Fremdwörter
).

Die Berufsschule hate nicht die Fachkräfte die nötig wären und auch
garnicht die Zeit, der überwiegende Teil wird in Systemintegration
ausgebildet und hat keinerlei Interesse an der Programmierung allgemein,
somit sind die Themen auch nicht gut zu vermitteln.
Somit bleibt noch der Betrieb, ich hatte das Pech das ich einem Betrieb
gelandet bin der nur eine EDV Abteilung besitzt und keine
Dienstleistungen in dem Bereich erbringt. Schulungen oder Einweisungen in richtige
Vorgehensweißen oder z.B. die Verwendung von Visual Studio gab es hier
nicht.

Wer sich nicht selbst weitergebildet hat blieb auf einem sehr niedrigen
Level. Ich bin sehr interessiert daran es richtig zu lernen, ich
arbeite sehr gerne mit
ASP.NET und mit dem CompactFramework und möchte
ein möglichst hohes Level erreichen, leider scheitere ich an den Firmen
die scheinbar durchweg kein Interesse haben Ihre Mitarbeiter zu guten
Entwicklern auszubilden
, und in Eigenarbeit mangelt es mir an Zeit und
manchmal auch an der Motivation (Die Firma dankt es mir eh nicht).

Deshalb habe ich auch kurz nach meinem Ausbildungsende die Firma
gewechselt, ich habe eine Firma gesucht die mir auch Weiterbildungen
anbietet, die verspricht das dass ausprobieren von neuen Technologien
Pflicht ist. Ich bin für diese Firma 200km umgezogen, und nehme weniger
Gehalt in Kauf. Leider musste ich feststellen das es hier keine
Weiterbildung gibt bzw. ich kann mir einmal im Monat mal eine Stunde zu
einem Thema, welches ich im übrigen in meiner täglichen Arbeit garnicht
einsetzen kann/darf, was anhören
. Weitere Themen stehen dann wieder nur
Senior Software Developern zur Verfügung, welcher ich hier in dieser
Firma erst nach 5 Jahren sein werde. Das ausprobieren der neuen
Technologien findet hier garnicht statt
, das Projekt läuft immernoch
auf dem 2.0 Framework und wie was umgesetzt wird, wird vorgegeben. Ich
habe mich im großen und ganzen selbst von Anwendungsentwickler zum
einfachen Programmierer heruntergestuft der den ganzen Tag irgendwelche
Support anfragen bearbeitet. Nun bin ich wieder auf der Suche nach
einer Firma die eventuell Interesse daran hat
sich selbst einen guten Mitarbeiter auszubilden. Ich bin nicht dumm und
eigentlich hochmotiviert ein "guter" .NET Entwickler zu werden, leider
muss ich wohl erst zwei bis fünf Jahre "Berufserfahrung" (meines
Erachtens ist das keine Berufserfahrung wenn ich Tag ein Tag aus
dasselbe mache ohne mich dabei weiterzubilden) sammlen bevor ich eine
Firma finde dem gerecht wird was ich suche.
Ich möchte Ihnen auf diesem Weg für diesen Artikel danken! Und ich hoffe
sehr das es auch in meiner Region Firmen gibt die diesen lesen und ihn
sich zu Herzen nehmen und vieleicht finde ich dann doch eine Firma bei
der mir meine Arbeit, die eigentlich auch mein Hobby ist, mir wieder
Spass macht. Ich hoffe das Konzept School of .NET wird in die Tat
umgesetzt, ich wäre sofort dabei das zu unterstützen!
[…]

Er würde so gern gebacken werden, aber niemand schiebt ihn wirklich in den Ofen. Die Firmen, bei denen die junge und zumindest motivierte Entwickler arbeitet, sehen ihn als fertig an, nur weil er eine Fachinformatiker-Ausbildung durchlaufen hat. Die aber ist, wie sich bei allem Verständnis für den Willen zu einer “plattformneutralen Ausbildung” zeigt, von nur zweifelhaftem Nutzen. State-of-the-art wird dort nicht vermittelt – was eher weniger an der Ausbildungssprache Borland C++ liegt.

Wie kann es sein, dass die Betriebe das nicht merken? 1. Es findet keine Qualitätskontrolle des in der Ausbildung Vermittelten bei seinem Lehrherren und auch später nicht statt. 2. Allemal als Auszubildender ist er wahrscheinlich so billig gewesen, dass niemand aufgefallen ist, dass er mit dem Ausbildungswissen nichts anstellen konnte. Seine Unproduktivität fiel nicht ins Gewicht. Denn unproduktiv muss er gewesen sein bei dem, was auf dem Lehrplan gestanden hat. Wieviel mehr hätte er schaffen können, wenn die Ausbildung zum einen der Plattform seines Lehrbetriebs entsprochen hätte und zweitens auf der höhe der Zeit stattgefunden hätte? Er hätte seinem Lehrbetrieb geradezu neue Impulse geben können. Nicht auszudenken wäre es doch, wenn ein Auszubildender aus dem Blockunterricht käme und z.B. sagte: “Wow, wir können viel korrekter arbeiten, wenn wir Unit Tests einsetzen.”

Stattdessen setzt man den motivierten Entwickler in eine Ecke und lässt ihn mokeln. Ich spekuliere mal, denn geschrieben hat er davon nichts: Seine Arbeit wurde nicht mit ihm nach Abgabe durchgesprochen. Nicht nur hat man ihm keine weitere Ausbildung/Fortbildung in den Betrieben zugestanden, auch fand sicherlich keine “Förderung im Kleinen” durch Kollegen statt. Es würde ja helfen, wenn sich jemand mit einem Junior-Programme in der Woche 2-3 Mal für ein Stündchen zusammensetzte, um seinen Code echt durchzugehen. Oder mal mit ihm Pair Programming machen. Davon jedoch keine Spur.

Betriebe nehmen klaglos, fraglos einfach an, was da aus der Ausbildung kommt. Und sie haben keinen eigenen Anspruch, wie es dann weitergeht. Außer einem Anspruch: irgendwie muss die Arbeit geschafft werden.

Was sie nicht sehen: vor 150 Jahren wurde die Arbeit auf den Feldern auch geschafft. Dafür war ein Heer von Landarbeitern zuständig. Doch heute schaffen wir es mit einem kleinen Bruchteil an Menschen, eine viel größere Zahl zu ernähren. Die Produktivität in der Landwirtschaft ist explodiert.

Dass das auch in der Softwareentwicklung mit etwas besserer Ausbildung, etwas besserer Kommunikation, etwas mehr Blick auf innere Qualität (Clean Code Developer lässt grüßen) und etwas besseren Prozessen auch der Fall sein könnte… das sehen viele nicht. Und das bedeutet, sie krebsen so dahin. Und das bedeutet, es wird für sie nicht besser, sondern eigentlich immer nur schlimmer. Darüber geht dann die Motivation der Leute verloren.

Der junge Entwickler hat zum Glück die Konsequenz gezogen und versucht, in eine bessere Firma zu kommen. Leider ist er nur vom Regen in die Traufe geraten. Doch er lässt nicht locker. Er will wieder einen Sprung wagen. Er glaubt noch, dass es Firmen mit mehr Interesse an ihren Entwicklern gibt. Ja, die gibt es. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei der Suche!

Und den anderen Firmen wünsche ich einen Moment der Ruhe, des Abstands, um darüber nachzudenken, wie sie intern die Ausbildungs- und Arbeitssituation verbessern könnten. Es gilt ungehobene Produktivitätsschätze zu heben. Von höherer Motivation und Zufriedenheit mal ganz zu schweigen. Also, auf zum Entwicklerbacken!

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Antwort auf die “Klage eines ungebackenen Entwicklers”

Anonym hat gesagt…

Hört sich hart an, ist aber leider die Realität. Die Erfahrungen des jungen Mannes decken sich mit meinen vor 10 Jahren ... bis heute.

1 Schulung in 7 Jahren Betriebszugehörigkeit. Irgendwann sagt man sich dann "Scheiss auf Produktivität" und fängt an zu lernen, auch auf die Gefahr hin die Deadline zu reißen.

Was mir lange gefehlt hat war eine Richtung. Die habe ich jetzt durch CCD gefunden...

In diesem Sinne... Danke Ralf. ;)

Hannes Preishuber hat gesagt…

ich möchte speziell die Aussage Berufsschule aufgreifen. Was dort unterrichtet wird spottet jeder beschreibung. Statt IT relevanter Inhalte und Konzepte, Deutsch, Religion, Sport Englisch und das auf einen Niveau das jeder beschreibung spottet. Als wir unsere Azbuis noch dort hinschickten sind sie nach der Schule dümmer wieder gekommen. Seit wir unsere Azubis nicht mehr auf die Berufsschule schicken sind die prüfungsergebnisse besser geworden. Aber schliesslich können unsere Azbuis auch unsere Schulungen bei ppedv AG besuchen ;-). Ohne jemand zu nahe treten zu wollen aber Asubildung von Frisösen mit dem gleichen Konzept von Fachinformatiker Anwendungsentwicklung realisieren zu wollen ist doch eigentlich ein Witz oder?
Um dieses Manko ein wenig abzustellen haben wir eine zeitlang Firmen für Ihre Azubis 50% Rabatt auf unsere Schulungen eingeräumt -wurde aber nicht genutzt. Würden wir aber gerne anbieten.

Unknown hat gesagt…

Ich kann die Aussagen des jungen Mannes absolut verstehen und finde diese Entwicklung falsch. Leider gibt es insbesondere in der Softwareentwicklung auch viele Entwickler welche gerne stehen bleiben und sich nicht wirklich selber aktiv weiterbilden wollen. Getreu dem Motto "mit dem was ich heute kann - kann ich alle Probleme lösen...". Angebote für Ausbildungen wie auch die Möglichkeit neue Technologien auszuprobieren werden - aus welchen Gründen auch immer - nicht genutzt. Dies finde ich genauso falsch.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@exWIB: Fatal ist, dass die stehengebliebenen Entwickler durchaus Recht haben. Sie können wirklich irgendwie alles.

Mit dem Faustkeil war nicht "alles" möglich. Deshalb sann man auf Abhilfe. Aber mit Assembler oder C oder schlechtem C# 1.0 ist "alles" (in einem PC) möglich.

Das ist wie in China oder wie bei den alten Ägyptern: Da war auch "alles" möglich mit viel, viel, viel Zeit und vor allem Menschenaufwand.

Wunderwerke der Baukunst wurden erschaffen mit purer Handarbeit. Toll! Aber würden wir es heute noch so machen wollen?

Wer meint, mit seinen C# 1.0 Kenntnissen doch alles nötige gelernt zu haben, der ist wie ein alter Ägypter, der eine Mischmaschine oder einen Baukran sieht und sagt, das sei doch nicht nötig. Leiter, Strick, Winde, schiefe Ebene, Holzrollen und viele Menschen seien doch genug.

Nunja, das ist auch ne Haltung. Kein Problem. Wem es gefällt... manche ziehen ja auch aus einer geheizten 3 Zi Whg in eine karge Berghütte.

Unverständlich ist nur, dass der Chef (!) solchen Entwicklers auch keinen anderen Anspruch hat. Und dass der Kunde des Chefs keinen anderen Anspruch hat.

Oder übersehe ich da was? Wird ein Programm "heilig" dadurch, dass ich nur C# 1.0 verwende, statt C# 3.5 und andere moderne Tools?

-Ralf

Der ungebackene Entwickler hat gesagt…

So dann möchte ich mich auch (noch mal) zu Wort melden...

Das Unproduktiv möchte ich mal von mir weißen, zumindest im Kontext meines Ausbildungsbetriebes.
Ich möchte sogar sagen das ich fachlich die meisten meiner Kollegen schon nach 2 Jahren überholt hatte,
was mit Sicherheit nicht alleine meinen Autodidaktischen Fähigkeiten zuzuschreiben ist sondern auch daran
lag das es in meinem Ausbildungsbetrieb keine wirklich guten Entwickler gab. Die wenigen die vorhanden waren
hatten alle Hände voll damit zu tun das ganze am Laufen zu halten (und auch die hatten nur zwischen 2-4 Jahren Programmiererfahrung).

Und das ganze ist eine Kostenfrage, Berufseinsteiger kosten wenig, Azubis kosten noch weniger... Jeh nach Azubi und Vorkenntnisse
können Sie nach einem halben Jahr bis Jahr die Grundkenntnisse des Programmierens (natürlich weit entfernt von OOP), das reicht zum Entwickeln
von Anwendungen, ob effizient oder nicht sei dahingestellt.

Was die Weiterbildung angeht scheint eher die (berechtigte) Angst vorzuherrschen das wenn die Entwickler mit Weiterbildungen gefördert werden
sie sich auf kurz oder lang eine andere Firma suchen wo Sie deutlich mehr verdienen können. Halten wir die Leute dumm dass sie nirgends anders arbeiten können, dann können wir sie weiterhin für einen Hungerlohn ausbeuten.

Bitte nicht falsch verstehen, Geld ist nicht alles! Ich mag meinen Beruf, ich mache Ihn eigentlich gerne, da spielt das Geld eine deutlich nebensächlichere Rolle, aber wenn ich sehe das Entwickler mit 2 und mehr Jahren Berufserfahrung weniger verdienen als Berufseinsteiger in anderen Firmen dann läuft was falsch...

Übrigens, UnitTest (besser Testverfahren allgemein) wurden in meinem Ausbildungsbetrieb nicht eingesetzt, alleine aus privatem Interesse habe ich mich damit beschäftigt, leider zu wenig als das ich von "Erfahrung" sprechen würde. Hier greift dann auch wieder der Zeitmangel...

Zum Thema Berufsschule und @Hannes Preishuber:
Also wir hatten kein Sport und auch kein Religion, dafür eher Deutsch und Gemeinschaftskunde. Ich sehe das Problem doch eher darin das Anwendungsentwickler und Systemintegratoren in der Schule gemeinsam Ausgebildet werden. Im Programmieruntericht haben wir in den ersten Stunden GUIS zusammengeklickt, nach einem Vierteljahr (klingt mehr als es ist wenn man bedenkt das Programmieren nur alle 2 Wochen für 4 (Schul)Stunden dran gekommen ist) konnten dann die meisten! die Hintergrundfarbe der Form mit einem Buttonklick ändern. Verwundert auch nicht wenn in einer Klasse 25 Schüler sind und nur 6 davon Anwendungsentwicklung lernen. Ich als Entwickler der vor allem auch weit vor seiner Ausbildung schon Hobbymäßig programmiert hat ist da natürlich regelmäßig eingeschlafen. Ich für mich hätte es für sinnvoller befunden in UML oder anderen Dingen unterrichtet zu werden anstatt stundenlang Patchkabel zu bauen oder Netzwerkdosen aufzulegen oder für Arbeiten zu lernen in denen ich dann erklären muss wie genau ein TCP Paket aufgebaut ist.

Übrigens sieht das ganze für die Systemintegratoren noch viel Schlimmer aus, vielleicht nicht in der Berufsschule, aber im Betrieb wo die 3 Jahre lange nur First Level Support machen. Und das war definitiv nicht nur in meinem Ausbildungsbetrieb so.

Anonym hat gesagt…

Mir ging es sehr ähnlich wie dem jungen Mann. Im Prinzip wurde ich überhaupt nicht ausgebildet. Ich hatte nur einen sog. "Lehrbegleiter". Anfangs hielt ich seinen Spruch, "Ich bin Doofzent, ich hab keine Ahnung. Mach mal..." für einen Psychotrick, der mich motivieren sollte, mir alles selber beizubringen. Nachdem ich zwei Monate lang wie ein Blinder im Developer-Kosmos planlos herumgestochert hatte, war es an der Zeit für Konsequenzen. So konnte es nicht weitergehen! Zuerst einmal entschied ich mich für eine Programmiersprache (nach 2 Monaten!). Die Wahl fiel auf C#. Ich kaufte mir ein Lehrbuch und arbeitete es systematisch durch. Schon bald mußte ich feststellen daß der Lieblingsspruch meines Lehrbegleiters gar kein Psychotrick war, sondern traurige Realität!

Unknown hat gesagt…

Wenn ich das so höre, wird mir erst bewusst wie gut es mir eigentlich ergangen ist. Ich habe vor etwa einem Jahr meine Ausbildung erfolgreich beendet.
Auch ich hatte eine duale Ausbildung mit Block-Berufsschulunterricht. Hier in der Würburger Berufsschule waren die Lehrer doch ziemlich bemüht (Ausnahmen gibt es leider immer!!!). Als Lernsprache verwendeten wir C# mit Visual Studio 2005. Um unterschiedliche Lernstufen der Schüler besser handeln zu können wurde die Klasse zweigeteilt in Anfänger und Fortgeschrittene. Die Lerninhalte waren in beiden Gruppen identisch, nur wurde in der Fortgeschrittenen-Gruppe tiefer in die Materie eingegangen. UML und Schlagworte wie Unit Tests, Scrum, usw. fielen jeden Tag.
Die Aufzählung könnte ich doch jetzt noch ein gutes Stück fortsetzen. Doch besonders möchte ich meinen ehemaligen Klassenleiter Steinam hervorheben, der wirklich individuelle Förderung betrieben hat und auch bereit war mal zu sagen "Ok, auf diesem Teilgebiet kennt ihr euch besser aus. Dann drehen wir die Sache um und ihr bringt mir das bei!".

Natürlich rede ich hier nur vom Informatikunterricht und der großteil der anderen Fächer wurden genauso schlecht unterrichtet wie überall, aber in Informatik kann man den Lehrern (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) keine Defizite nachsagen.

Ralf Westphal - One Man Think Tank hat gesagt…

@Ungebackener Entwickler: Ich wollte dir keine Unproduktivität per se unterstellen. Tut mir leid, wenn ich dir mit meinen Formulierungen auf die Zehen getreten bin.

Mir ging es vielmehr um Unproduktivität hervorgerufen durch "das System": Du bist ja motiviert und in dem Rahmen hast du gegeben, was du geben konntest - und hast sogar deine Kollegen überflügelt, wie du nun sagst. Das ist toll.

Aber dein Mehr an Produktivität war nur eben relativ zu einer durch Ausbildung und Betrieb gelieferten schlechten Grundlage. Um wieviel produktiver hättest du mit deiner Motivation auf der Grundlage einer guten und relevanten Ausbildung sein können! Dein Potenzial ist nicht ausgeschöpft worden. Das ist mein Punkt. Und es wird bei vielen nicht ausgeschöpft. Und die Betriebe merken es nicht.

@Balo: Find ich toll, wenn UML, Scrum etc. täglich als Begriffe im Unterricht fielen. Habt ihr sie aber im Unterricht bzw. in den Übungen auch leben können? Hast du eine Haltung entwickelt, die dich heute nicht mehr ohne Unit Tests, Iterationen usw. arbeiten lässt?

-Ralf

Manuel hat gesagt…

Dazu fällt mir auch was ein....

Ich habe meine Ausbildung bei einem großen deutschen Technologie-Unternehmen gemacht. Denen ist vor ca. 20 Jahren aufgefallen das die Qualität an den Berufsschulen stark zu wünschen übrig lässt und sie haben ihre eigene Berufsschule in Paderborn gegründet. Auch externe können (für viel Geld) ihre Schüler auf diese Schule schicken. Hier werden die Schüler als Kunden betrachtet, es ist genügend Geld für aktuelle Hard- und Software vorhanden und eine Abschlussnote schlechter als 2.0 kommt quasi nicht vor.

Worauf will ich hinaus? Es muss wohl doch einigen Firmen bewusst sein dass die Qualität der Ausbildung stark zu wünschen übrig lässt - anders kann ich mir nicht erklären das Firmen wie die Sparkassen und diverse andere Banken, die Gesellschaft für Zahlungssysteme, Fujitsu, Daimler und Siemens ihre Anwendungsentwickler-Azubis dort hinschickt. Zu den teuren Schulkosten addieren sich noch die Kosten für die Unterbringung in Paderborn. Erschreckend war das auch verschiedene Bundesministerien dort ihre Schüler ausbilden ließen.

Meiner Meinung nach gibt es einfach extrem viele Mängel an den Berufsschulen im Lande - Es gibt keine Qualitätskontrollen des Unterrichts, es gibt zu wenig Geld, unfähige Lehrer werden "mitgeschleppt". Die Vorgehensweise ein Schulkonzept für alle Ausbildungsgänge anzubieten ist "sehr optimistisch" und die Ausbildung zum Berufsschullehrer könnte auch mal durchdacht werden. Wieso kann jemand der 6 Semester lang irgendwas studiert hat Lehrer werden, jemand der ein extrem erfahrener, qualifizierter Entwickler mit 10 Jahren Berufserfahrung und ohne Studium aber nicht? Wir reden hier nicht nur von Missständen in den Firmen sondern auch von einer politischen Problem-Suppe die unterm Strich unsere engagierten Nachwuchs-Entwickler sowie die gesamte Gesellschaft auslöffeln dürfen.

Guten Appetit!

Unknown hat gesagt…

Leider leider wurden die Prinzipien die uns in der Berufsschule vermittelt wurden, nur spärlich in meinem Betrieb übernommen. Dort habe ich zwar den Freiraum für individuelle Weiterbildungen erhalten und bekahm Unterstützung von meinen Kollegen. Meine Vorschläge für Optimierungen im Arbeitsaltag wurden nahezu garnicht angenommen. Neue Technologien werden bei uns mit offenen armen Empfangen, aber ein Umdenken bei bestehenden Prozessen passiert sozusagen garnicht.

Horst Blechinger hat gesagt…

Dieser Beitrag von Herrn Westphal hat eine deutliche Resonanz.
Mehr als manch andere Artikel deren Qualität deswegen nicht minder schlecht ist.

Aber warum hat dieser Artikel so eine Resonanz? Spielt Emozionen hoch?

Es geht mir ganz genauso. Lernen, Lernen, Lernen.
Und dann weiss man doch wieder zu wenig.

Aber ist das wirklich so? Oder lässt man sich nur verückt machen.
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.

Ständige Fortbildung ist wichtig.
Aber. Man muß und kann nicht jede neue Erleuchtung einiger Strategen mitmachen.
Diese Leute tun in der Regel nichts anderes als ständig in unbekannten neuen Gewässern zu kreuzen.
Nicht jeder kann da folgen. Das wäre unrealistisch.
Auch nicht bezahlbar. Nicht jeder Mauerer kann ein Architekt sein (werden).

Wo ist da die Grenze??? Gibt es die überhaupt???
Gibt es gar die Trennung zwischen Architekt und schnödem Programmierer gar nicht ???


Herr Westphal kann ja mal wieder in sein früheres Projektgeschäft einsteigen.
In ein paar Jahren reden wir dann weiter.

Das heist nicht das solche Leute nicht wichtig sind. Im Gegenteil Sie sind sehr wichtig.
Nur wie weit folge ich Ihnen?

So Sie denn wirkliche Experten sind. Bei manchen habe ich den Eindruck mal kurz ein paar Artikel aus den englischen MSDN-Seiten aufs deutsche übersetzt nebenbei die neue Materie selber lernen und dann auch noch als Experte gelten.
Guter Trick.

Herr Westphal ist übrigens meiner Meinung nach einer der wenigen SEHR GUTEN Vordenker.


Meine Erfahrungen im schulischen Bereich zumindest im staatlich schulischem sind auch nicht die besten. Gestern habe ich im Radio erfahren wir sollen jetzt aus dem Osten Entwicklungshilfe bekommen da unsere Lehrer zu alt sind. Mir wird's echt schlecht. Wir haben nicht nur überforderte Lehrer. Auch deren oberste Leitung ist den Anforderung nicht gewachsen.


In diesem Sinne nicht verückt machen lassen.

Gruß Horst

Dennis hat gesagt…

Hrm, ich könnte viel zum Thema schreiben ich kenne die Situation ja schließlich auch aber es würde grundsätzlich keinen helfen. Wer die Geschichte hören will, kann in 20 Jahren das Hörbuch kaufen :-)

Von daher hier lieber etwas hilfreiches.

Ihr seit nicht allein, sucht den Kontakt in Foren, User-Groups und Veranstaltungen (die kosten nicht alle 4500 Euro, es gibt auch kostenlose ;-)). Da wird euch keiner verspotten, weil ihr meint nichts drauf zu haben. Im Gegenteil, man erklärt euch gerne vieles und hört euch auch gerne zu. Nur den ersten Schritt müsst ihr wohl alleine machen.

Das solltet ihr auch nicht als Pflicht sehen, es ist ein Hobby bzw. _eine_ Möglichkeit der Freizeitgestaltung die eine Menge spaß machen kann.

Daniel hat gesagt…

Hallo,

ich selber habe 2000 die Ausbildung zum IT-Fachinformatiker / Anwendungsentwicklung absolviert. Kenne also den Frust der Berufsschule nur zur gut. Mittlerweile bin ich auch Prüfungsmitglied der IHK-Mönchengladbach und kann ganz gut hinter die Kulissen blicken und unterhalte mich natürlich viel mit Lehrern (sogar meinen eigenen von damals). Ebenfalls habe ich die mir die Ausbildung in viele Betrieben anzuschauen.

Das Niveau der Berufschule ist wirklich extrem schlecht - man muss aber sagen, dass die Lehrer hier in MG sehr bemüht sind und mit Ihren Mitteln versuchen das beste möglichste Wissen rüberzubringen. Das sind halt Leute, die keine Ausbilung und keine Berufserfahrung haben. Das entschuldigt nicht das System - zumindest möchte ich aber einen Teil der Lehrer in Schutz nehmen (das ich so was mal sage :)).

Viel wichtiger als die Berufschule ist aber der Ausbildungsbetrieb. Das ist mir in den letzten Jahren immer klarer geworden. Ich selber hatte super Glück und konnte mich während meiner Ausbildung frei entfallten und wurde sehr gut gefördert. Vielfach ist es leider so, dass Ausbildungsbtriebe die Leute lediglich als billige Arbeitskräfte ansehen und ausbeuten.
Das Resultat ist dann wie hier auch schon beschrieben nicht das, was wir für eine starke Zukunft im IT-Bereich benötigen.
Das Wissen der Prüflinge ist teilweise erschreckend und bei einem Blick in den Betrieb weiß man teilweise auch warum....

Eine Lösung? Habe ich spontan nicht, da ja man zunächst dankbar sein muss, um jeden Betrieb der ausbildet ... oder lieber gar keine Ausbildung als ne schlechte Ausbildung?
Kurzfristig ist die einzige zu erkennende Lösung Eigeninitiative während der Ausbildung und danach.

IT ist nun mal kein nine-five Job....

Braun, Viktor hat gesagt…

Meine Ausbildung ging nicht viel anders aber ich habe dann doch noch glück gehabt.

Ich habe vor etwas mehr als drei Jahren meine Ausbildung abgeschlossen und darf nun den Titel "Technischer Assistent für Informatik" (Taffi) tragen. Die Ausbildung war rein Schulisch und leider sehr realitätsfremd. Ein guter Einstieg in die Welt der Programmierung doch von Softwareentwicklung keine Spur. Die Ausbildung kostete knapp 250 Euro im Monat und das für zwei Jahre, das entspricht dann 6.000 Euro. Im ersten halben Jahr hatten wir das komplette Grundwissen der Programmierung, als Sprache wurde C unterrichtet und entwickelt wurde mit Turbo C von Borland. Entwicklungssystem war MS-DOS (wie gesagt 2006 habe ich die Ausbildung abgeschlossen).
 
Nach dem Halben Jahr sind wir dann von Turbo C auf den VII und den gcc umgestiegen und das Entwicklungssystem war ein Suse Linux (ohne GUI). Ich bin der Meinung ab da sind wir stehen geblieben.
Dann wurden wir mit komplexen Regulären ausdrücken beschäftigt oder dem nachbau von Fenstern per ASCII Zeichen.
 
In den Unterrichtsfach Projektplanung wurden Struktogramme gezeichnet und Recherchen nach "Wie schreibe ich ein Pflichtenheft" betrieben.
 
Wer sich nicht Privat fürs Programmieren beschäftigt hatte, kam zwar Schulisch weiter (ich glaube im fach Softwareentwicklung reichte ein 5 zum bestehen)  aber mit den Wissen konnte er nichts anfangen.
Einige von uns haben ein bisschen mit PHP "rumgebaut", wobei ich mir Delphi und OpenGL angeschaut habe.
 
Als die zwei Jahre fast rum wahren, habe ich einige Bewerbungen geschrieben.
Dies verlief ohne großen erfolg, um genau zu sein habe ich genau eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten. Eine nicht allzu große Firma bei mir in der nähe. Nach dem Gespräch wurde mir vom Chef nur ein Praktikum auf 400 Euro Basis angeboten.
Nun gut habe ich mir gedacht, besser als nichts.
Nach genau einer Woche saß ich im Büro, ein Kollege neben mir (der übrigens die selbe Ausbildung absolviert hatte) und ich sagte den Satz "Verdammt noch mal ich habe zwei Jahre verschwendet".
Mein Praktikum lief ein halbes Jahr und ich habe eine menge von Anforderungsanalyse , Softwaredesign und Softwarequalität gelernt. Der Chef selber hatte Monate für meine Ausbildung geopfert und am ende kam ein Softwareentwickler raus der nun sein erstes Projekt anfangen konnte.
 
Nun nach drei Jahren betreue ich mehrere Projekte, bin Monatelang bei Kunden vor Ort, Kümmere mich um Reviews, Design, Tests. Bin sogar der Qualitätsmanager in der Firma.
Wer hätte das gedacht, -- Denke ich mir gerade :-) --
 
Über die Jahre hinweg versuche ich mich weiterzuentwickeln, wissen abzugreifen und neue Konzepte der Softwareentwicklung kennen und vielleicht auch lieben zu lernen.
Mittlerweile kümmere ich mich ein wenig um die "neuen", so wie es mein Chef damals mit mir gemacht hat. Versuche denen die Wunderbare Welt der Softwareentwicklung näher beizubringen.
Und habe den Satz "Verdammt noch mal ich habe zwei Jahre verschwendet" schon öfter von denen gehört.
 
Ich will den "ungebackenen Entwicklern" da draußen damit sagen das es auch anders geht. Es gibt vielleicht solche Betriebe wie den in dem ich gelandet bin nicht wie Sand am Meer, doch es gibt diese!
Ich bin froh das ich soviel Glück hatte und Wünsche auch anderen dieses.

Johnny hat gesagt…

Hey,
auch mir geht es ähnlich wie unserem ungebackenen Kollegen.

Doch glücklicherweise konnte ich vor kurzem in Darmstadt einem Vortrag von Ralf zuhören und habe neuen Mut geschöpft ein "professioneller" Entwickler zu werden. :)

Da ich im Betrieb die meiste Zeit nur First Level Support mache und mit Programmierung im Grunde kaum etwas zu tun habe, muss ich das Lernen in Eigenarbeit auf die Zeit nach Feierabend legen.

Das ist natürlich nicht immer leicht mit Haushalt, Familie und Freundin zu vereinbaren - geht leider zur Zeit nicht anders.

Ich bin aber froh, dass es Leute wie Ralf gibt, die ihr Wissen anderen zur Verfügung stellen und somit helfen bessere Entwickler hervor zu bringen.

In diesem Sinne... Danke an alle da draußen und alles Gute für die Zukunft.

Johnny