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Donnerstag, 4. Juni 2009

Schulbank statt “Druckbetankung” – Berufsbegleitendes Lernen gerade jetzt

Auf mein Posting mit der Frage, wie Präsenzlernen anders, attraktiver aussehen könnte, hat Stefan Lieser geantwortet – und auch laut nachgedacht. Wir stimmen also in der Analyse überein. Doch was tun? Wohin kann es gehen mit dem Lernen?

Vielleicht lohnt es, einen Begriff, den er ins Spiel gebracht hat, weiter zu verfolgen: Schule. Für Stefan ist es wichtig, Lernen effektiver zu machen durch “Mischung” und durch “Lernen durch Lehren”. Anfänger und Fortgeschrittene lernen zusammen und voneinander. Je nachdem um welche Lerninhalte es geht, sind unterschiedliche Mischungen förderlich. Geht es um Fachkompetenz, dann mögen unterschiedliche Fortschrittsgrade zusammen lernen, geht es um soziale Kompetenz, dann vielleicht unterschiedliche soziale Gruppen oder behinderte Menschen mit gesunden.

Das ist schon mal ein guter Gedanke, finde ich. Die üblichen Kurse legen ja eher Wert auf Homogenität. Und da sie meist vollgepackt sind mit Stoff, wird der Austausch nicht gefördert und auch kein Raum zum Lernen durch Lehren geboten. Dann ist das Training zwar kurz (2-3 Tage) – das freut den Chef. Aber das Ergebnis ist, naja, oft nicht nachhaltig.

Damit haben die üblichen Kurse natürlich immer noch Zweck. Aber der ist womöglich ein anderer als der intendierte. Nützlich sind sie als Impulsgeber. Oder sie helfen zu motivieren. Einen Überblick können sie auch geben. Aber viel mehr ist nicht drin. Am Ende ist der Teilnehmer schnell wieder allein. Und dann oft ratlos. Wie war das doch gleich im Kurs? Da funktionierte es doch noch…

Mit dem Clean Code Developer Camp bemühen wir uns nun schon, das ein wenig besser zu machen. Gerade bei den 2 x 5 Tagen gibt es Raum für´s Lehren durch die Teilnehmer. Und eine Pause von 1-2 Wochen zwischen den Blöcken lässt Zeit zur Reflexion. In den nächsten Block kommen die Teilnehmer dann schon gleich mit Fragen aus der Praxis. Zusätzlich gibt es ein Diskussionsforum nur für die Teilnehmer, in dem sie jederzeit Fragen stellen können. Auch nach dem Kurs. Dort können sie sicher sein, dass man sie versteht, weil die Forenmitglieder durch dieselbe Erfahrung des Camps gegangen sind.

Aber wie gesagt: 5 Tage oder noch länger hören sich für manchen wie eine Drohung an. Den “Kickstart”, den so ein kompaktes Training bietet, kann und will nicht jeder bekommen.

Woher kommt denn überhaupt das “Training en bloc”? Wer will das? Es ist so weit verbreitet, dass es wie “gottgegeben” aussieht.

Einer, der es sich wünscht, ist sicher doch der potenzielle Teilnehmer. Der sucht “Erkenntis sofort”. Am besten alles in 1-2 Tagen. Leider funktioniert das nicht mit allen Themen. Und mit dem Lernen funktioniert es eh nicht so gut. Lernen ist Veränderung. Veränderung braucht Zeit. Doch erstmal zählt der Wunsch, die Nachfrage. Wenn die da ist, dann gibt es eben auch ein Angebot dazu.

Der andere, der sich en bloc Trainings wünscht, ist allerdings auch der Anbieter. Mit einem Blockangebot ist er mit größerer Reichweite attraktiv. Für 1, 2, 3 Tage reisen Teilnehmer auch mal von weiter her an. Das Training wird also mit weniger Mühe voll.

Die Parameterwerte des üblichen Lernens sind also: Zuhören (und ein wenig Übung), Homogenität der Lerngruppe, einmaliger Blockunterricht, Überregionalität.

Wenn ich nun auf der Suche nach neuen, effektiven und attraktiven Lernformen bin, um die nötigen Veränderungen in der Softwareentwicklung in die Betriebe zu bringen, wie wäre es, einfach mal diese Parameterwerte zu negieren? Sozusagen frei nach Nietzsche: Umwertung aller Werte.

Dann würde “modernes Lernen” so aussehen:

  • Viel Übung, viel selbst erarbeiten, viel selbst weitergeben – statt Zuhören;  also Aktivität statt Passivität. Das beschreibt für mich auch die Atmosphäre, von der Boas Enkler in einem Kommentar zu meinem vorherigen Posting spricht: eine Atmosphäre, “in der Fehler gemacht werden dürfen und dennoch jeder danach strebt sich zu verbessern.”
  • Heterogene Lerngruppe, in der die Interaktionen zwischen den Lernenden gefördert werden. Die Lerngruppe homogenisiert sich sozusagen selbst. Das schafft Vertrauen untereinander und erweitert den Horizont. Die Herausforderung an den Unterricht ist dann natürlich, dass er für jeden etwas bietet. Niemandem soll langweilig werden, niemand soll abgehängt werden. Jeder kann in seiner Geschwindigkeit lernen. Dazu sind auch Pufferzeiten nötig, denke ich, in denen Langsamere wieder etwas aufholen können.
  • Abschied vom Blockunterricht. Stattdessen findet der Unterricht in mehreren “Sitzungen” statt. Warum nicht jede Woche 1 Tag Unterricht? Damit wäre über längere Zeit auch die Forderung des CCD-Wertesystems nach 20% Fortbildungszeit erfüllt. Zwischen den Unterrichtstagen wäre dann Pause, so dass weiter mit Hausaufgaben gelernt werden könnte. So ergeben sich auch die eben erwähnten Pufferzeiten ganz natürlich. Zudem ergeben sich in diesen Pausen sicherlich Fragen aus der Praxis an den Lernstoff, so dass der Unterricht viel praxisbezogener sein kann.
  • Wenn Unterricht nicht mehr in Blöcken stattfindet, ist er quasi notwendig auch nicht mehr überregional. Denn wer würde schon über z.B. 5 Wochen jeweils 1 Tag von Berlin nach Frankfurt reisen, um dort an einem Kurs teilzunehmen? Wochenweises Lernen wäre also regional. Das hätte auch den Vorteil, dass sich im Unterricht Menschen treffen, die auch anschließend noch einen Kontakt halten könnten (z.B. durch Begegnungen in User Groups oder bei “Alumni-Veranstaltungen”).

Hm… irgendwie finde ich diese Vision charmant. Schulbank drücken statt “Druckbetankung”. Berufsbegleitendes Lernen. Jede Woche ein Lernhäppchen. Ich glaube, das hätte für alle Beteiligten Vorteile.

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